Gipskarstlandschaft Südharz – Landschaft und Naturraum als identitätsstiftende Faktoren Vortrag von Dipl.-Geol. Friedhart Knolle Die Südharzer Gipskarstlandschaft Die Gipskarstlandschaft des Südharzes ist ein in Europa einmaliger Naturraum, der sich über Teile der Länder Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt erstreckt. Aufgrund einer besonderen geologischen Situation, dem in dieser Form und Mächtigkeit nur hier großräumig und oberflächennah anstehenden Gipsgestein, ist am Südharz im Laufe von mehreren 10 000 Jahren eine Landschaft von extremer Verkarstungsintensität mit morphologischer und biologischer Vielfalt entstanden, die hochgradig schützenswert ist (VLADI 1991). Stellvertretend für die ästhetische Schönheit dieser Landschaft steht der klassische Stahlstich von L. Richter.
Unter dem aus dem jugoslawischen Sprachraum stammenden Begriff "Karst" versteht man das Vorwiegen der unterirdischen Entwässerung infolge von Gesteinslöslichkeit. Eine Karstlandschaft ist ein zusammenhängender Raum, dessen oberirdisches Erscheinungsbild und dessen Entwässerung durch das weitflächige und meist tiefreichende Auftreten löslicher Gesteine bestimmt ist. In Mitteleuropa sind dies Kalke, Dolomite und Gipse. Am Südharz dominieren die im ausgehenden Erdaltertum, d.h. vor 258 - 251 Mio. Jahren in einem warmen Flachmeer abgelagerten Gipse und z.T. als Riffbildungen vorliegenden Dolomite. Das Vorwiegen der unterirdischen Entwässerung ist ein geologischer Sonderfall. Unter „normalen“ Umständen, also außerhalb von Karstgebieten, ist der Kluft- oder Porenraum des Untergrundes soweit mit Grundwasser gesättigt, dass ein Grundwasserabstrom von den Hängen zur Talmitte, dem Vorfluter hin stattfindet und diesen speist. In Karstgebieten ist das Grundwasser nicht auf den nächsten Bach oder Fluss eingestellt, sondern auf eine oft weit entfernte und deutlich tiefer liegende Karstquelle. In Trockenwetterzeiten fallen die Fließgewässer trocken, nicht wegen Wassermangel oder Verdunstung, sondern infolge des Versickerns des Flußwassers in die durch Gesteinskorrosion geweiteten Klufträume und Gerinnehöhlen des Untergrundes. Genau dies ist die prägende naturräumliche Situation des Südharzes. Die Korrosion von leicht löslichem Gips, nachgeordnet auch des schwerer löslichen Dolomites, führte im Verlaufe des Eiszeitalters und der Nacheiszeit (Holozän) zu einer Fülle von Karsterscheinungen wie Flussversinkungen und Bachschwinden, Karstquellen, Poljen und Überflutungsflächen, Erdfällen, Dolinen, Laughöhlen, Gerinnehöhlen (Schlotten), Kegelbildungen, Karrenfeldern u.a.
Am deutlichsten offenbart sich der Karstformenschatz in den zahllosen Erdfällen am Südharz. Allein ca. 10 000 Formen existieren im Landkreis Osterode am Harz; jährlich kommen etwa 10 Einsturzereignisse hinzu. Ein Erdfall ist mehr als nur eine geologische Erscheinung: ein Kleingewässer mit Verlandungszonen, Ufervegetation, Amphibien- und Libellenfauna sowie organischen Sedimenten, die in ihren Pollen- und Stoffprofilen die Vegetations- und Landnutzungsgeschichte der weiteren Umgebung seit Jahrtausenden lehrbuchhaft konserviert haben. Ein in der Fläche massiertes Auftreten von Höhlen und nach ihrem Einsturz von Erdfällen führt an Schichtstufen zu deren allmählicher Zurückverlegung und zum Verbleib weiträumiger Auslaugungssenken (Subrosionszonen). Höhlen und Höhlenruinen, Quellen und verlandende Seen sind begehrte Fundplätze der ur- und frühgeschichtlichen Forschung, die hier am Südharz seit jeher einen Schwerpunkt hat. Karstgrundwasser und die großen Karstquellen dienen der Gewinnung von Trinkwasser (Rhumequelle) und zur Abfüllung von Mineral- und Heilwasser (Förste). Es ist verständlich, dass diese Landschaft, die in ständigen dynamischen Veränderungen steht, für das Siedlungswesen und den Verkehrswegebau voller Probleme steckt. Auch die rohstoffliche Nutzung der Gips- und Dolomitgesteine in fast 30 Steinbrüchen führt zu permanenten Konflikten mit dem Naturschutz oder der Trinkwassergewinnung. Schadstoffhavarien haben weiträumige und ungeahnte, meist kaum oder nicht sanierbare Folgen. Nur durch unablässige Anstrengungen in der ingenieur- und naturwissenschaftlichen Forschung sowie im Wasserschutz können Probleme und Konflikte, deren Ursachen und Folgen wir heute nur ausschnitthaft verstehen, künftig erfolgreicher gelöst werden. Identifikation über Daten und Fakten Bereits Johannes Thal beschrieb 1588 in seiner "Sylva Hercynia" den Südharz als eine Region von großer Artenvielfalt. Seitdem ist eine Fülle von Literatur über dieses dem eigentlichen Südharz vorgelagerte Gebiet erschienen. Dennoch blieb es stets im Schatten des bekannteren und wissenschaftlich viel stärker beachteten Harzes, und an dieser Situation hat sich bis heute wenig verändert. Im Zuge der Debatte um das Naturschutzgebiet Hainholz, zu Fragen der Rohstoffgewinnung und um Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz ist eine Fülle von Literatur zu verschiedenen geo- und biowissenschaftlichen Spezialaspekten des Gebietes erschienen. Auf Initiative der heutigen Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V. und als Auftragsarbeiten für die untere Naturschutzbehörde des Landkreises Osterode sind zudem seit Mitte der 1970er Jahre einige unpublizierte Kartierungen erfolgt, die in der Zusammenschau einen sehr vollständigen Überblick und umfangreiche Detaildaten überwiegend zu den geowissenschaftlichen Aspekten der Gipskarstlandschaft liefern. Dies sind der Höhlenkataster Harz, gefertigt von der seinerzeitigen Arbeitsgemeinschaft für niedersächsische Höhlen 1977, ständig fortgeschrieben durch die Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V. (FRICKE 1998), ein Erdfallkataster im Maßstab 1:5 000, bestehend aus Formblättern und Grundkarten mit geologischen und botanischen Daten sowie naturschutzfachlichen Empfehlungen (HARTMANN et al. 1986), und letztlich eine Kartierung 1:10 000 aller Karsterscheinungen durch das Ingenieurbüro Völker, Uftrungen, von 1996 und 1997. Letztere Arbeit sowie der Erdfallkataster haben in der Flächenbeschreibung von Gipskarstlandschaften Pilotcharakter und haben entsprechend auch Eingang in die Ingenieur- bzw. Baugrundgeologie gefunden, etwa in die baubehördliche Prüfung von Bauvorhaben und in die gemeindliche Bauleitplanung. Nachholbedarf besteht hier noch in der schutz- bzw. nutzungsorientierten und flächendeckenden hydrogeologischen Erkundung im Gipskarst. In jüngster Zeit sind im Zuge des allgemein wachsenden Interesses an der Südharzlandschaft einige Übersichtsdarstellungen zu dieser Landschaft in der Folge einer Reihe von Tagungen und Südharz-Symposien erschienen (ALFRED TOEPFER AKADEMIE FÜR NATURSCHUTZ 1998, BUND THÜRINGEN 1996, LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT 1992 & 1998); dennoch fehlt bis heute immer noch eine alle in den drei Bundesländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegende Teilregionen des Südharzer Gipskarstes umfassende Gesamtdarstellung. Es ist hier nicht der Platz, die bisher erschienene Literatur komplett zu referieren; einige der zitieren Schriften enthalten Auswahlbibliographien zu einzelnen Disziplinen. Die Geschichte des Hainholz-Prozesses als regionaler Identitätskonflikt Der Naturschutz in der Südharzer Karstlandschaft hatte sich stets und hat sich derzeit wieder mit ständig wachsendem Druck insbesondere der gipsabbauenden Firmen auseinanderzusetzen. "Pilotcharakter" hatte der Kampf um das Hainholz-Beierstein-Gipskarstgebiet; hier wurde mit allen wirtschaftlichen bzw. juristischen Mitteln gearbeitet, um die jeweiligen Interessen durchzusetzen bzw. zu verteidigen. Dieser Konflikt war der Einstieg in eine neue Standortbestimmung im Südharz; er entschied letztlich auch über die Frage „Quo vadis Gipskarstlandschaft – Abbau oder Schutz?“. Das Land Niedersachsen focht den Prozess nicht durch, sondern strebte einen außergerichtlich Vergleich an, der die Firma weiterhin mit Naturgips versorgen sollte. Bei den Flächen für den ersatzweisen Abbau war an ein in der Nähe liegendes Bundeswehrgelände gedacht. Es bestand das Ziel, dass die Forstgenossenschaft mit der Gewährung eines Betrages, der weit unter dem Streitwert liegt, ihre Bodenabbaurechte an das Land Niedersachsen abtritt. Der Prozess hätte abgebrochen werden können und das Hainholz wäre als Naturschutzgebiet erhalten geblieben. Obwohl in diesem Prozess endlich einmal die Möglichkeit bestand, ein Präzedenzurteil zu schaffen, in dem das Allgemeininteresse aus der Notwendigkeit des Naturschutzes abgeleitet und den wirtschaftlichen Interessen vorangestellt werden könnte, verzichtete das Land Niedersachsen auf diese Möglichkeit. Mit einem Sieg vor Gericht hätte das Land jedoch durch unabhängig erarbeitete wissenschaftliche Erkenntnisse die Einzigartigkeit dieses Gebietes beweisen können. Durch ein Urteil in dieser Richtung wären die gipsabbauenden Firmen verstärkt und beschleunigt gezwungen gewesen, Alternativen zum Naturgips zu suchen. Wie bereits angedeutet, wurde der Prozess trotz der durchaus nicht schlechten Siegeschancen vom Land Niedersachsen nicht durchgefochten. Es kam zu einem außergerichtlichen Vergleich, wobei eine Entschädigungssumme in zweistelliger Millionenhöhe aus Naturschutzmitteln gezahlt wurde ! Die Firma erhielt darüber hinaus die Zusage, an anderer Stelle in neuen Brüchen ungehindert Gipsabbau abbauen zu dürfen, in Gebieten wohlgemerkt, die für den Naturschutz ebenfalls von großer Bedeutung waren bzw. sind. Durch den geschlossenen Vergleich, der der Firma durch das Land Niedersachsen andere Naturgipsvorkommen sicherte, kam keine für den Naturschutz grundsätzlich positive Wende zustande. Zwar wurde das Hainholz-Beierstein-Gebiet gesichert, aber der Gipsabbau wurde dadurch letztlich nur verlagert. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, im Zuge deren Erarbeitung auch der Autor "mit voller Wucht" in die ökologisch-ökonomischen Aspekte der Naturschutzproblematik eingeführt wurden, kamen wesentlich durch den Hainholz-Band der NATURHISTORISCHEN GESELLSCHAFT HANNOVER (1981) u.a. Schriften zur Publikation. Die Auseinandersetzungen um das Hainholz dauerten nahezu 20 Jahre an und beschäftigten ganze Scharen von Beamten, Managern und Naturschützern. Sie wurden seitens der damals im Südharz noch kaum existenten Naturschutzverbände wesentlich durch die Höhlenforscher geführt, setzten den Startpunkt der Umweltdiskussion im Südharz und führten zur Gründung der ersten Bürgerinitiativen im Landkreis Osterode. Der behördliche und private Naturschutz war im Zuge der Begleitung dieser prozessualen Auseinandersetzungen darauf angewiesen, das Hainholz-Gebiet mit seinen Höhlen stark in den Fokus der öffentlichen Beachtung zu stellen, um Akzeptanz für den Schutz des im wesentlichen nur in Fachkreisen und bei wenigen Einheimischen bekannten Gebietes zu schaffen. In der Folge dieses Streites wurde das Hainholz-Beierstein-Gebiet bundesweit bekannt und die bis dato kaum bekannte Jettenhöhle zum regionalen Identifikationsobjekt - mit allen Konsequenzen für den Natur- und Höhlenschutz. 1992 wurde das Gebiet auf Initiative von F. Vladi nach vierjährigen Vorarbeiten in das BMU-Förderprogramm zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung aufgenommen (BERND et al. 1994). Im Juni 1997 schaffte ein Sturmereignis optimale Voraussetzungen für die Induzierung von Naturwald-Entwicklungsprozessen im Hainholz (KNOLLE 1998). Eine ähnliche identitätsstiftende Dimension der Auseinandersetzung mit dem Naturschutz erreichte nur noch die Diskussion um die geplante Siebertalsperre und jüngst die Debatte um den Nationalpark Harz. Der Karstwanderweg Südharz als Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit Der Karstwanderweg Südharz wurde als landschaftsbezogener, touristischer Wanderweg und interdisziplinärer thematischer Lehrpfad mit geowissenschaftlichen Schwerpunkten erschlossen, um einen Beitrag zur karstlandschaftsbezogenen Öffentlichkeitsarbeit zu leisten (VÖLKER 1997). Die erschlossene und dokumentierte Themenpalette des Weges umfasst insbesondere die Bereiche Geologie und Hydrogeologie, Reliefgenese, Archäologie, Paläontologie, Umwelt, Klima, Vegetation und Fauna, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte, jüngere Vergangenheit, Handwerk, Forschungsgeschichte, Baugrund, Gewässerkunde und Kulturlandschaftsgeschichte. Der Weg verläuft ausschließlich auf vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Wanderwegen bzw. -pfaden. Die gesamte Wegelänge misst ca. 200 km mit insgesamt 200 Erläuterungstafeln; im Landkreis Osterode am Harz verlaufen – bedingt durch die größere Ausstrichbreite der Zechsteinschichten – zwei parallele Wege zu je 62 und 44 km mit zusammen 90 Erläuterungstafeln, d.h. es kommt nahezu eine Tafel auf einen km Wegstrecke. Die Karsterscheinungen zu sehen und in ihrer geogenen Dynamik zu verstehen, der historischen Entwicklung von Rohstoffverarbeitung und Handwerk zuzuschauen, die Vegetationsgeschichte und Pflanzenarten der Trockenrasen, Obstwiesen, Hude- und Mittelwälder zu studieren, zu verstehen, dass diese Formen ohne Schafhaltung, Schneitelung der Hainbuchen und Nutzung des Obstes untergehen, aber auch die neue Waldwildnis der Naturwaldprozesse im Hainholz und letztlich die Schönheit und Eigenart dieser an Farben und Strukturen reichen Karstlandschaft Südharz zu erleben und den Impuls zu vermitteln, dass es sich lohnt, in dieser Landschaft zu leben und sich für ihre Unversehrtheit einzusetzen: all das kann und soll mit dem Karstwanderweg Südharz vermittelt werden. Er ist einer der längsten und vielgestaltigsten thematischen Wanderwege in Deutschland. Bestimmt ist der Karstwanderweg Südharz für alle Zielgruppen, d.h. zunächst für den allgemeinen Tourismus, die Bildung durch Schulen, Hoch- und Volkshochschulen, für Fachexkursionen, Forschung, interessierte Einzelwanderer und geführte Wanderungen; zu Details siehe KREISVERWALTUNG SANGERHAUSEN (1996), LANDRATSAMT NORDHAUSEN (1997), VLADI et al. (in Vorbereitung) und www.karstwanderweg.de. Das Engagement des Webmasters Detlef Tront für die Internetdarstellung und ihre Pflege sei hier besonders hervorgehoben. Das Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz Die Jahre 1989/90 waren in vieler Beziehung auch Jahre der Wende im deutschen Naturschutz - das in Teilen praktisch 90 Jahre alte Nationalparkprogramm wurde von Prof. Succow aus der Schublade geholt und in wesentlichen Teilen umgesetzt. Es umfasste auch einige Biosphärenreservate und Naturparke, doch konnte dieser Teil des Programms aufgrund der Hektik der Wiedervereinigung nicht mehr komplett umgesetzt werden. Die historische Chance, ein Biosphärenreservat Südharz-Kyffhäuser in der seinerzeitigen Wende-DDR zu schaffen, wurde vertan. Dennoch haben die im Südharz gelegenen Landkreise und die später teilweise erst neu entstehenden Bundesländer bereits 1990 die Schaffung eines Biosphärenreservates als geeignetes und zukunftsweisendes Ziel formuliert, durch Beschlüsse untermauert und entsprechende Planungen in Angriff genommen. Es waren dann wiederum im Naturschutz aktive Karstwissenschaftler und Höhlenforscher, welche die Idee dieses Großschutzgebietes hochhielten, über die Zeit retteten und 1996 - immer noch angestoßen durch die von der Grenzöffnung ausgehenden neuen Impulse für den Schutz der Südharzlandschaft - wesentlich dazu beitrugen, die Gesellschaft zur Förderung des Biosphärenreservats Südharz e.V. zu gründen. 1997 wurde das seit Jahren vorbereitete und lange erwartete Gutachten zu umweltplanerischen Zukunftsaspekten des Südharzes vorgelegt (UMWELTBUNDESAMT 1997). Das im Auftrag des Umweltbundesamtes von der Planungsgruppe Ökologie + Umwelt erstellte Gutachten zu den Entscheidungsgrundlagen für die weitere Nutzung der Gipskarstlandschaft Südharz/Kyffhäuser unter besonderer Berücksichtigung des Bodenschutzes kommt zu der Empfehlung, "daß die im Raum befindlichen Absichten unterstützt werden sollten, einen Antrag zur Anerkennung als Biosphärenreservat zu stellen. Das dafür hier vorgeschlagene Gebiet erfüllt die wesentlichen Anerkennungsvoraussetzungen bereits jetzt, viele Aktivitäten sind bereits zielgerichtet begonnen worden, so z.B. die systematische Sicherung von Naturschutzgebieten als mögliche Kern- bzw. Pflegezonen eines Biosphärenreservates Südharz." Dennoch oder gerade wegen dieser conclusio war und ist der Widerstand gegen diese Planung groß. Jedoch ist der Nutzen eines Biosphärenreservats in der Region noch nicht ausreichend transparent gemacht und Gegenstand des öffentlichen Diskurses geworden. Dies betrifft insbesondere die Chancen, die sich für innovative Betriebe der Landwirtschaft, des Fremdenverkehrs, des Handwerks und Gewerbes bieten, wenn Fördermittel im Rahmen der EU-Strukturprogramme, u.a. der Agenda 2000, im Rahmen von Projekten nachhaltigen Wirtschaftens im ländlichen Raum des Südharzes auch tatsächlich zur Ausschüttung gebracht werden.
Wiederum ein Jahr später hat die Landesregierung von Sachsen-Anhalt mit gemeinsamem Runderlass der damals getrennten Landwirtschafts- und Umweltministerien vom 9.12.1998 den wegweisenden Beschluss gefasst, eine Projektgruppe "Aufbaustab Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz" einzusetzen (MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN 1999). Dieser Beschluss, der von den Naturschutzverbänden lange gefordert worden war, legte fest, dass die Projektgruppe organisatorischer Bestandteil des Forstamtes Roßla im Regierungsbezirk Halle ist und zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Ministeriums für Raumordnung und Umwelt gehört. Auf der Grundlage des genannten Erlasses nahm am 1.1.1999 die Projektgruppe Aufbaustab Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz im Staatlichen Forstamt Rossla mit 3 - 4 Mitarbeitern die Arbeit auf. Hauptaufgabe dieser Projektgruppe war neben der Erarbeitung eines Vorschlages über den Grenzverlauf des künftigen Biosphärenreservates und der Prüfung potenzieller Kernzonen die Verbreitung des Ideengutes des Biosphärenreservates sowie die Förderung der Akzeptanz unter den beteiligten Landnutzern und Kommunen. Hauptprobleme vorrangig der Landnutzer waren neben einem gewissen Informationsdefizit gegenüber der Gesamtthematik die Befürchtung von weiteren Einschränkungen bei der Bodennutzung. Im Dezember 2001 wurde im Gebäude der Verwaltung in Rossla eine ständige Biosphärenreservats-Ausstellung eröffnet. Basierend auf einem Kabinettsbeschluss der Landesregierung von Sachsen- Anhalt wurde zum April 2002 die Biosphärenreservatsverwaltung Karstlandschaft Südharz i.G. aus der Projektgruppe gebildet. Sie hat vornehmlich die Aufgaben im Zusammenwirken mit den regionalen Akteuren die Errichtung eines Biosphärenreservates vorzubereiten, Maßnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung zu initiieren und zu begleiten, die Abwägung verschiedenster Nutzungsinteressen in der Region zu koordinieren, zur Durchsetzung einer nachhaltigen Regionalentwicklung beizutragen und die Erstellung und Abstimmung eines Verordnungsentwurfes vorzubereiten (WENZEL 2002). Die Arbeitsgruppe Südharz und die länderübergreifende Zusammenarbeit Im Januar 1999 und nach den dargestellten Voruntersuchungen haben die für den Naturschutz in den drei Bundesländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständigen Minister Wolfgang Jüttner, Ingrid Häußler und Dr. Volker Sklenar folgende gemeinsame Erklärung verabschiedet: Die Gipskarstlandschaft im Südharz ist von einzigartigem Naturwert, von großer landschaftlicher Schönheit und bietet Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna. Die Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen tragen hinsichtlich der Gipskarstlandschaft besondere Verantwortung und haben bereits eine Reihe von Landschafts- und Naturschutzgebieten geschaffen und damit wertvolle Teile der Gipskarstlandschaft geschützt. Dies soll in den jeweiligen Ländern durch die Ausweisung weiterer Landschafts- bzw. Naturschutzgebiete fortgesetzt werden. Natur- und Landschaftsschutz soll sich auch aus der Region entwickeln und von den dortigen Bürgern, Gemeinden und Verbänden getragen werden. Damit können die notwendigen Verordnungsmaßnahmen im Natur- und Landschaftsschutz die erforderliche Akzeptanz finden. Die erforderliche Akzeptanz in der Region durch die Wirtschaft, die Landwirtschaft, die Landkreise, die Kommunen und die Verbände ist auch Vorraussetzung für die Schaffung eines länderübergreifenden gemeinsamen Biosphärenreservates für die Gipskarstlandschaft Südharz. Die Umweltministerin und -minister der Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beabsichtigen nicht, ein Biosphärenreservat gegen den Willen der Region auszuweisen. Sie setzen auf Dialog und Gespräch und die Bereitschaft der Region zu einer offenen und sachlichen Diskussion über die Entwicklung des Südharzraumes unter Beachtung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes, die den Schutz der Gipskarstlandschaft durch ein Biosphärenreservat einschließt. Eine weitergehende Initiative eines der beteiligten Länder für sein Gebiet im Rahmen dieser Erklärung steht einer langfristigen gemeinsamen Ausweisung nicht entgegen. Zur Verbesserung der gegenseitigen Information, zum Erfahrungsaustausch sowie zur Abstimmung von Maßnahmen in ihren jeweiligen Ländern setzen die Umweltministerin und -minister der drei Länder eine "Arbeitsgruppe Südharz" ein, die unter jährlich wechselndem Vorsitz der zuständigen Staatssekretäre/-innen steht. Für 1999 übernimmt Thüringen des Vorsitz, danach folgen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die "Arbeitsgruppe Südharz" führt auch einen regelmäßigen Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit den Landkreisen, Gemeinden, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden und anderen Interessenverbänden durch. Dabei werden auch Fragen der Schaffung eines länderübergreifenden gemeinsamen Biosphärenreservates und die Klärung der Voraussetzungen für seine Bildung erörtert. Hannover, 14.1.99: Wolfgang Jüttner Naturschutz im Südharz - quo vadis ? Mit dieser Erklärung bekannten sich die beteiligten Länder zwar erneut und klar zu einem Biosphärenreservat, warfen gleichzeitig aber auch den Akzeptanzball in dilatorischer Absicht geschickt zurück in die Region. Doch regionale Akzeptanz für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung wächst nicht von allein, sondern muss mühsam geschaffen werden. Hier sind wiederum die Länder gefordert, und zwar durch die schnellstmögliche Einrichtung von Biosphärenreservats-Informationsstellen und deren Besetzung mit qualifiziertem Personal! Sachsen-Anhalt hat nunmehr den ersten Schritt gemacht - die nächste Zeit wird zeigen, wie ernst die anderen beiden Länder dieses Ziel nehmen. Die Forschung und der Naturschutz müssen jedenfalls ohne Unterlass nachhelfen, weitere Schritte in die skizzierte nachhaltige Zukunft zu gehen. Der Überschwang der gegenwärtigen Nachhaltigkeitsdebatte darf aber auch hier nicht vor der Erkenntnis zurückschrecken, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen nur dort möglich ist, wo auch eine Regeneration dieser Ressourcen möglich ist. Im Falle der mineralischen Rohstoffe kann hier langfristig nur eine Substitution ihrer Nutzungsbestimmung in Frage kommen. Denn durch den Anfall von REA-Gipsen, die Entwicklung anderer Substitutionsmöglichkeiten von Naturgips und die Gips-Importangebote ist in den letzten Jahren bundesweit eine neue Lage am Gipsmarkt entstanden; es wäre nunmehr möglich, auf den Aufschluss weiterer Steinbrüche zu verzichten (KNOLLE & BRUST 1995). Literatur AHRENS, H. et al. (1981): Gipskarstlandschaft Hainholz/Beierstein - Landschaftspflegerisches Gutachten.- Unveröff. 2. Projektarbeit am Inst. f. Landschaftspfl. u. Naturschutz, Betreuer E. Bierhals & I. Henrion, 167 S., Hannover ALFRED TOEPFER AKADEMIE FÜR NATURSCHUTZ (1998): Gipskarstlandschaft Südharz - aktuelle Forschungsergebnisse und Perspektiven. - NNA-Berichte 11(2):1-208, Schneverdingen ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR KARSTKUNDE HARZ e.V. (1991): Biosphärenreservat Südharz/Kyffhäuser.- 28 S., Osterode-Sondershausen-Uftrungen BERND, T., SCHLICHT, R., SCHLIMME, H. & VLADI, F. 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