12. Karsthydrologie
12.1 EinleitungIn diesem Kapitel steht die Karsthydrologie im Mittelpunkt. Zu ihren Eigenarten zählt bspw. das weit ausgeprägte Netz an unterirdischen Wasserbahnen, welche einen Austritt des Wassers oft erst nach einem langen Zeitraum und großer Entfernung gestatten. Zum anderen werden oberirdische Flussläufe durch das Vorhandensein karsttypischer Bachschwinden geprägt, die das Abflussverhalten z.T. durch ein monatelanges Trockenfallen der Bäche formen. Auch der menschliche Einfluss ist in der Karsthydrologie nicht unerheblich. Dieser beinhaltet den Bau von Dämmen, eine Aufstauung Wassers zugunsten von Wassergewinnung und Fischzucht oder die Umleitung von Gewässern, um nur einige der im Gebiet vorkommenden Beispiele zu nennen. Ziel dieses Projektes war daher die Entwicklung von Konzepten zur Wiederherstellung der natürlichen Karstdynamik am Beispiel des Nussteichs und der Steina bei Nüxei. Im folgenden Kapitel wird eine Einführung in das Untersuchungsgebiet des Nussteichbeckens erfolgen, deren Schwerpunkt auf der Darstellung des - ursprünglichen wie derzeitigen - Gewässersystems liegt. Anschließend werden die für das Projektgebiet relevanten Leitbilder und Ziele der Raumplanung vorgestellt. Aus ihnen resultieren die planungsbezogenen Leitbilder. Des Weiteren erfolgt eine Darstellung der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen, die für die Entwicklung der zwei folgenden Konzepte bedeutend waren. Die Schwerpunkte der beiden Konzepte liegen einerseits auf der Renaturierung eines Fließgewässers, der Steina, andererseits auf der Wiederherstellung der karsthydrologischen Prozesse, die am Beispiel des Nussteichs verdeutlicht werden. Abschließend wird auf die Notwendigkeit einer zusätzlichen und vertiefenden Datenerfassung eingegangen. Abb.: 71 Nussteich 12.2 Beschreibung des Planungsgebietes zwischen Nüxei und MackenrodeDer Südharz ist eine naturräumliche Einheit von geogen bedingter Eigenart, engräumiger Vielfalt naturnaher Strukturen und hervorragender Bedeutung für den Naturschutz. Vom westlichen Harzrand bei Badenhausen (Landkreis Goslar) bis zum südöstlichen Harzrand bei Pölsfeld (Sachsen-Anhalt) erstreckt sich auf 100 km Länge ein zusammenhängender Zechsteinstreifen. Bestimmendes Element sind z.T. großflächige Ausstriche verkarsteten Gipsgesteins, das in dieser Mächtigkeit und Ausprägung in Deutschland sonst nicht weiter vorkommt. Die hohe Gesteinslöslichkeit in Verbindung mit dem hohen Niederschlag (bis 800 mm Jahresniederschlag) hat in geologisch kurzer Zeit eine Landschaft extremer Verkarstungsintensität und Vielfalt an Gipskarsterscheinungen geschaffen, die in Europa und darüber hinaus einzigartig ist (Knolle 1994). In den meisten Karstgebieten ist es der Kalk, am Südharz jedoch neben dem Dolomit der Gips, der sich - gegenüber Kalk - um das 10-30fache leichter aufzulösen vermag: 2 Gramm Gips werden in 1 Liter Regen- oder Grundwasser gelöst! Hohe und ausgeglichen verteilte Niederschläge (ca. 800 mm im Jahr am südwestlichen Harzrand) begünstigen die rasche Verkarstung. Durch die für den Karst typische Bildung von leistungsfähigen Quellen, wie z.B. in Förste (Schüttung:15 Millionen Kubikmeter im Jahr), kann das mit dem gelösten Gestein beladene Wasser rasch abfließen. Die Rhumequelle (62 Mio. Kubikmeter) führt so jährlich 40.000 Tonnen Gips und 17.000 Tonnen Kalk aus dem Südharz und über die Weser bis in die Nordsee. Die Folge: unzählige Hohlräume entstehen in der Tiefe (10-200 m), viele stürzen ein, wenn sie allmählich zu groß werden und hinterlassen Einsturztrichter an der Oberfläche. (http://www.karstwanderweg.de/geologie.htm). Eine Erdfallkartierung von HARTMANN et al. (1986) auf 60 Blättern der Deutschen Grundkarte (Maßstab 1:5000) erfaßte im Landkreis Osterode 7707 Objekte. Ebenso sind per 1.1.91 im Kataster 95 Höhlen des Zechsteinkarstes erfaßt (Tront, D. 2002 Karstwanderweg. Literaturverzeichnis zur Südharzer Gipskarstlandschaft. auf: http://home.t-online.de/home/detro/publika/litera.htm (http://home.t-online.de/home/detro/publika/nkm_erf/91/88-104/). Zum sog. karstmorphologischen Inventar des Landkreises gehört der „Nussteich“ oder auch „Nixsee“ bei Nüxei, der Teil des Projektgebietes ist. Das Projektgebiet liegt im Süden Niedersachsens, im Landkreis Osterode an der Grenze zu Thüringen und ist somit Teil des südlichen Harzvorlandes. Die Schwerpunkte der Untersuchungen bilden der Nussteich und der Unterlauf der Steina östlich von Nüxei. Der Untersuchungsraum liegt z.T. in dem Naturschutzgebiet „Weißensee und Steinatal“.
12.2.1 Naturschutzgebiet "Weißensee und Steinatal" (NSG BR-046) Der Charakter des unter Schutz gestellten Gebietes wird bestimmt durch karstmorphologische und hydrogeologische Besonderheiten, einen naturnahen Seggen-Buchenwald sowie die Flußaue der Steina mit teilweise naturnaher Auenvegetation. Das Naturschutzgebiet "Weißensee-Steinatal" hat eine Größe von ca. 73 ha. Die Grenzen des Naturschutzgebietes sind in der abgebildeten Topographischen Karte (Abb. 72 Lage des Planungsgebietes bei Nüxei) erkennbar, dargestellt durch eine weiße Umrandung mit weißer Schraffur. Die Verordnung über das Naturschutzgebiet gilt seit dem 05. August 1982. Besonderer Schutzzweck ist einerseits die Erhaltung der Karstmorphologie, insbesondere die Gipssteilwand (Fitzmühle) mit Austritt eines Höhlenbaches, das Erdfallrelief zwischen Fitzmühle und Nixsee, der Weißensee mit stark schwankendem Karstwasserspiegel, das episodisch trockene Bachbett mit mehreren Versickerungsstellen und die als Feuchtgebiet entwickelten Dolinen unmittelbar östlich Nüxeis. Die Erhaltung der Vegetation andererseits beinhaltet den naturnahen Auenwald entlang der Steina, den Seggen-Buchenwald mit Eiben- und Elsbeerenvorkommen, die Pflanzenarten in der Krautschicht, die vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet sind sowie die Erhaltung der Lebensräume bedrohter Tierarten. Von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung ist, daß hier die Ostgrenze des Verbreitungsgebietes von Euphorbia amygdaloides (Mandelblättrige Wolfsmilch) ist. Abb.: 72 Lage des Planungsgebietes bei Nüxei mit Naturschutzgebiet „Weißensee/ Steinatal“ Ausschnitt Topographische Karte 1:25.000 (Thüringer Landesverwaltungsamt – Landesvermessungsamt – 1994) 12.2.2 Klima Der Harz weist spezielle Klimabedingungen auf, die weltweit keine Entsprechung finden. Er liegt im Übergangsbereich zwischen atlantisch-feuchtem und kontinental-trockenem Klima. Der Landkreis Osterode liegt in der Klimazone des immerfeuchten Waldklimas. Da es Niederschläge zu allen Jahreszeiten gibt, ist die Vegetation vom Jahresgang der Temperaturen bestimmt. Der Wind weht hier überwiegend aus Südwest. Das Klima im Bereich Bad Sachsa und Walkenried weicht deutlich von dem des Harzvorlandes ab. Die Jahresniederschläge liegen im Durchschnitt bei 850-1000mm (Harzvorland 750-900 mm im Jahr), die mittlere Julitemperatur beträgt 17-19°C (Harzvorland 16-17°C), die durchschnittlich Sonnenscheindauer beträgt 1400-1500 Stunden pro Jahr (Harzvorland 1500-1600 Stunden). Das bedeutet für das Projektgebiet u.a. eine stärkere nächtliche Abkühlung. Der Ort Nüxei liegt im Bereich erhöhter Nebelbildung sowie Spät- und Nachtfröste (vgl. Kapitel 2.3 Klima Grundlagen).
12.2.3 Geologie Der Landkreis Osterode liegt geologisch in dem südwestlichen Teil der Südharz-Mulde, welcher maßgeblich von der Ära des Zechsteins geprägt wurde. Die Festgesteine des Zechstein, Salztone, Karbonate und Evaporite, überlagern das Grundgebirge des Harzes. In den Gebieten um Tettenborn, Nüxei, östlich von Bad Sachsa und südlich von Steina sind heute mehrere Evaporit-Zyklen des Zechsteins nachweisbar. Von den permischen Zechsteinsedimenten, insbesondere den ersten drei Zyklen, sind in dem Projektgebiet mehrere hundert Meter mächtige Folgen von Tonstein, Kalk- und Dolomitstein, Gips und Anhydrit, Stein- und Kalisalz entstanden. Die Salze sind heute in Oberflächennähe weg gelöst und die Anhydrite durch Wasseraufnahme zu Gips umgewandelt. Drei Gipshorizonte, entsprechend den ersten drei Eindampfungszyklen des Zechsteinmeeres, säumen heute von Badenhausen über Osterode und Bad Sachsa, Walkenried bis hin in den Ostharz hinein den Rand des Grundgebirges (vgl. Kapitel 3 Geologie Grundlagen).
12.2.4 Boden Der tischebene Poljenboden ist bedeckt mit Alluvionen, holozänzeitlichen Sedimenten (hauptsächlich Schwebstoffe), die durch etwa fünfmal pro Jahr stattfindendes Überfließen bzw. Überschwemmen in Schichten hier abgelagert wurden. Je nach Fließkraft waren die Ablagerungen grober oder feiner. Auf dem Poljenboden fand in der Eemzeit sowie im Holozän Lösungsverwitterung statt, die zur Entstehung von Ausbuchtungen und Hangnischen führte. Südlich der Polje liegt der Nixsee, der durch stark schwankende Wasserspiegelhöhen (bis 5 m) im Zuge des Vollaufens und Wegsickerns gekennzeichnet ist. Der Nixsee liegt am Ende der Polje, d.h. hier befindet sich das Blindtal mit vielen Schluckstellen. Der Nüxeipolje ist im Werraanhydrit A1 angelegt, der eine 50 bis 200 m mächtige Schicht bildet und überlagert ist von einer Kalkbank ( Ca2, Staßfurtdolomit ). Zwischen diesen beiden Schichten sind Zechsteinkalk Ca1, Kupferschiefer T1 und Zechsteinkonglomerat ZK einsedimentiert. Beim ZK handelt es sich um Brandungsgerölle des Zechsteinmeeres am Harzrand, die verfestigt und verkittet wurden. Nördlich der Nüxeipolje wurde Löss (äolischer Löss sowie Schwemmlöss) abgelagert. Südöstlich der Polje liegt lehmig-sandiger Harzschotter mit nordischem Material, das von eiszeitlichen Schmelzwässern hier angespült und abgelagert wurde. Eine Analyse des Poljenbodens anhand der Erde eines Maulwurfshügels ergab das Vorhandensein von Feinmaterial und kantigem Grobkies (Solifluktionsschutt), der fluvial hierher transportiert wurde. Als Bodenart wurde toniger Lehm ( tL ) ermittelt, mit 5 bis 55% Sand, 20 bis 50% Schluff und 25 bis 45% Ton (Technische Universität Berlin 2002: Von Rügen bis zum Erzgebirge. Auf den Spuren der Eiszeiten. 2. Exkursionspunkt: Nüxei. auf: http://kbs.cs.tu-berlin.de/~seb/exkursion.html#Heading57).
12.2.5 Gewässersystem Auch heute noch verändert das Wasser die Landschaft, sowohl an der Oberfläche, als auch im Verborgenen: Bäche verschwinden unvermittelt zwischen Felsklüften, fließen unterirdisch weiter, um als Karstquelle irgendwo anders wieder hervorzutreten. Neben den Niederschlägen sind die aus dem Hochharz herangeführten Bäche von hoher Bedeutung für die Landschaftsgenese im Südharz. Das gipsfreie Wasser trifft am südlichen Harzrand auf die querverlaufenden Riegel aus Gips. Durch ober- und unterirdische Lösungsprozesse sind so an den Nordseiten der Gipsberge beeindruckende Steilhänge entstanden (Koordinationszentrum Natur und Umwelt e.V. (Knu) 2001: Bedrohte Naturschätze. Was ist Karst? auf: http://www.naturschatz.org/gips/ki-karst.htm). Das Gewässernetz des Südharzes wird an der Eichsfeldschwelle west ost geteilt (vgl. Abb. 73 Gewässersystem Planungsgebiet). Hier verläuft die oberirdische und unterirdische Wasserscheide (Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz 1998, 3).Quellen und Bäche führen aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse teilweise nur periodisch Wasser und haben eine stark schwankende Wasserführung. Die Bäche haben zumeist einen naturnahen Lauf, der durch Karsterscheinungen, wie Bachschwinden, Trockentäler und Karstquellen geprägt wird (Bezirksregierung Braunschweig 2002: Bezirksregierung Braunschweig Naturschutz. Schutzgebiete im Regierungsbezirk Braunschweig. auf: http://www.bezirksregierung-braunschweig.de/webinh/dezernate/503/ index2.html).
12.2.6 Steinaverlauf Die Steina entspringt im Harz. Sie verläuft bis zum Ort Steina (nördlich von Nüxei) ca. 8,8 km im Wald. Aufgrund der starken Gefälleverhältnisse und dem geringdurchlässigen Untergrund (Kulmgrauwacke) fließen die Niederschläge hier innerhalb kurzer Zeit ab, so dass schon im Gebirge während der niederschlagsfreien Zeit nur eine geringe Wasserführung vorhanden ist (Haase 1936, 13). Die mittlere Niederschlagshöhe beträgt im oberen Einzugsgebiet der Steina 1046 mm pro Jahr (ebd., 14). Auf der Höhe des Ortes Steina verschwindet die am Waldrand fließende Steina. Aus dem Harz kommend, erreicht sie hier erstmals die verkarstungsfähigen Zechsteinschichten und versickert bei Niedrigwasser vollständig und hier gut sichtbar im Untergrund. Das trockene Bachbett ist noch rund 4 km weiter nach Süden zu verfolgen und mündet schließlich südlich von Nüxei in die Ichte. Bei Mittelwasser fließt ein Teil des Wassers über diese Schwinde hinaus, erreicht aber kaum die Bahnlinie zwischen dem Ort Steina und Nüxei. Selten gelangt die Steina bis zum Vorfluter. Ein Teil fließt unter dem Römerstein und tritt später wieder aus. Nur bei Hochwasser, etwa nach der Schneeschmelze, gelangt die Steina über die Straßenbrücke der Bundesstrasse 243 (B 243) in Nüxei hinaus nach Süden. Vor den regulierenden Eingriffen des Menschen dürfte die Steina im Hochwasserfalle in das weite Nussteichbecken bei Nüxei und in einer dort vorhandenen Bachschwinde (Nussteichschwinde) geflossen sein. Schotter der Steina unter dem Nussteich belegen dies (Tront, D. (Hrsg) 2002: Karstwanderweg. Steinaschwinde http://www.karstwanderweg.de/ kww034.htm). Die heutige Brücke, die im Ort Nüxei über die Steina führt und damit die Dämme für die B 243 in diesem Bereich (Nixseebecken) wurden nach dem Kriege errichtet. Erst nach einem katastrophalen Hochwasser um 1981 sei der Grabenverlauf der Steina an dieser Stelle durch den Unterhaltungsverband Bode / Zorge durch Austiefen der Bachsohle und Anschütten am linken Ufer stärker ausgebaut worden. Noch in den 50 oder 60er Jahren sei das Steinawasser alle Jahre übergelaufen, da die Höhendifferenz nur wenige Dezimeter betragen habe (frdl. mdl. Mitt. Herr Vladi). Mit dem Verschwinden des Wassers in den Untergrund verliert der Fluß auch seine Transportkraft. Dadurch entstand ein mächtiges Schotterfeld. Ein Teil des verschwindenden Wassers fließt in den Schottern weiter. Die Wasserspiegel der Erdfälle im Unterlauf des trockenen Steinabettes entstammen diesem Grundwasser. Der andere Teil des Wassers fließt auf Klüften und Spalten im Gips und im Dolomit weiter. Aus der geologischen Situation ist abzuleiten, daß dieses Wasser seinen unterirdischen Weg in Richtung Salzaspring bei Nordhausen nimmt (Tront, D. (Hrsg), 2002: Karstwanderweg. Steinaschwinde http://www.karstwanderweg.de/kww034.htm). Oberhalb des Ortes Steina ist die Steina aufgestaut (Trinkwassertalsperre). Die Auswirkungen einer Talsperre werden im Kapitel „Die Auswirkung der Steinatalsperre auf die Steina, Ichte und Helme“ näher beschrieben. Abb.: 73 Gewässersystem Planungsgebiet Die Steina ist ein Gewässer 2. Ordnung (Gewässer mit überörtlicher Bedeutung). Jeder geplanten Veränderung muss also ein Planfeststellungsverfahren einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen (frdl. mdl. Mitt. Herr Vladi).
12.2.7 Ichteverlauf Das Quellgebiet des Ichte- Systems liegt in der Erdfallzone südlich von Osterhagen. Die oberen Quelläste der Ichte kommen hier aber nicht zur Entwicklung. Erst nördlich der Brandgrube treten die Wässer auf und sammeln sich zu einem geschlossenen Lauf. Haase (1936) schreibt weiter, dass im Walde zwischen Nixei und Mackenrode die Steina streckenweise nur an einzelnen tiefen Wasserlöchern zu verfolgen sei, und dass erst bei Mackenrode ein zusammenhängender Fluss in Erscheinung trete. Diese Beschreibung lässt vermuten, dass die heute in weiten Teilen zu naturfernen Fischteichen aufgestaute Ichte in den Jahren nach 1936 diese maßgebliche Veränderung ihres Gewässerlaufes erfahren hat. Nordöstlich von Pützlingen, dass ca. 7 km von Mackenrode entfernt liegt, mündet die Ichte in die Helme.
12.2.8 Nixseebecken (Nussteichbecken) Das Nixseebecken besteht aus der Springwiese (2.5ha) im Norden, einem circa 400 m langen und 50 m breitem Tal und dem künstlich aufgestauten Nussteich (Becken: 8ha) im Süden (s. Abb. 75 Nixseebecken mit Höhenangaben). Etwa 500 m nördlich der Springwiese verschwindet der Zehngärtenbach in der Großen Trogsteinhöhle. durchfließt sie (2.5 km unterirdisch mäanderierend) und tritt dann einen 500m langen, unbekannten unterirdischen Weg an. Für die 500 m lange Strecke benötigt das Wasser etwa drei Stunden und tritt an der Fitzmühlensteilwand wieder zutage (Technische Universität Berlin (Hrsg.) 2002: Von Rügen bis zum Erzgebirge. Auf den Spuren der Eiszeiten. 2. Exkursionspunkt: Nüxei. auf: http://kbs.cs.tu-berlin.de/~seb/exkursion.html#Heading57). Die Springwiese ist unregelmäßig geformt. Sie wird von 30 bis 60 Grad steilen Hängen begrenzt. In der Wiese entspringen selbst mehrere Quellen. Abb.: 74 Lageplan der Springwiesen-Quellen (Haase 1936, 30) Die auf der Abbildung 74 Lageplan der Springwiesen-Quellen eingetragenen Quellen S1 bis S7 lassen sich aufgrund ihres Schüttungsverhaltens in zwei Gruppen einteilen. An den Quellen S1 bis S4 lassen sich sehr große Schwankungen von völliger Austrocknung bis kräftiger Ergiebigkeit beobachten. Die Quellen S5 bis S7 haben hingegen eine geringe aber stetige Wasserführung. Die Quellen S5 bis S7 liegen nahe am Fitzmühlenspring. Ihre Wassertemperaturen sowie der Chemismus lassen vermuten, dass diese drei Quellen ebenso wie der Fitzmühlenspring aus dem „Kalkberg“ gespeist sind Die Quellen S1 bis S4 werden vermutlich hauptsächlich durch unterirdische Zufuhr von der Steina versorgt. Haase (1936) hat in seinen Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen Niederschlag, Wasserführung der Steina und Quellschüttung nachgewiesen (Haase 1936, 30-35). Der Fitzmühlenspring wird hauptsächlich aus dem Höhlenbach gespeist, der zum einen aus dem Bach der Trogsteinzuflußhöhle und zum anderen aus dem Zehngärtenbach in die Große Trogsteinschwinde einfließt. Ein Anteil von Steinawasser am Fitzmühlenspring konnte als Zugang im unbekannten Gerinneteil unterhalb der Großen Trogsteinhöhle nachgewiesen werden (Haase 1936, 39) Die verschiedenen Quellen vereinigen sich zum Fitzmühlenbach und fließen durch ein Tal nach Süden. Auch hier entspringen mehrere Wiesenquellen. Der Bach mündet nun in den Nussteich. Dieser Teich befindet sich in einer circa 400 m x 200 m großen Hohlform. Am Ostende dieses Beckens befindet sich ein Ponor (Schluckloch). Normalerweise würde das Wasser an dieser Stelle wieder verschwinden. Jedoch wurde der Nussteich durch einen Damm vor dem Ponor künstlich aufgestaut (Duckeck, 2002: Showcaves of the World. Nixseebecken. auf: http://www.showcaves.com/english/de/karst/Nixseebecken.html). Der Zeitpunkt der Errichtung des Dammes ist unklar. Der Eigentümer des Nussteiches, Herr Rennschuh (Göttinger Hotellier aus Walkenried), schätzt den Zeitpunkt auf 1913. Andere behaupten, der Damm existiere schon Jahrhunderte und sei ggf. durch die Zisterzienser aus Walkenried entstanden. Wieder andere sagen, der Damm sei nach dem Kriege errichtet. Ein Luftbild vom April 1945 zeigt zwar kein Wasser, dies wurde jedoch möglicherweise auch wegen Fliegerangriffsgefahr abgelassen. Hier ist also noch historische Forschung gefragt. Laut Haase (1936) muß der Damm schon vor 1933 existiert haben, er beschreibt eine im Sommer 1933 durchgeführte Säuberung des Nixseebeckens. Laut dem Heimatforscher Chr. Baumann galt der Teich schon in einem Rezess von etwa 1814 als "lange genutzt". Wahrscheinlich in dem Sinne, daß der Damm, er liegt ja in einer Senkungszone, schon sehr alt ist und sukzessive alle paar Jahrzehnte nach geschüttet wurde (frdl. mdl. Mitt. Herr Vladi). Die gesamte Hohlform des Nussteichbeckens befindet sich in einer Ebene, die mehrere Dolinen aufweist. Einige davon sind mit Wasser gefüllt. Die größte ist der Weißensee. Sehr interessant ist die Tatsache, daß der Wasserspiegel des Weißensees 10 m höher ist als der Ponor, obwohl er sich nur 100 m entfernt befindet. Dies weist darauf hin, daß sein Wasser in einem unabhängigen Kreislauf zirkuliert. Die Entstehung des Nussteichbeckens hat zwei mögliche Ursachen. Entweder handelt es sich um ein teilweise eingestürztes Höhlensystem, dessen noch existierende Teile die verschiedenen Quellhöhlen und den Ponor darstellen, oder mehrere Dolinen, wie auch der Weißensee eine ist, sind im Laufe der Zeit zusammengewachsen (Duckeck, 2002: Showcaves of the World. Nixseebecken. auf:http://www.showcaves.com/english/de/karst/Nixseebecken.html). Das Wasser der Nussteichschwinde mündet laut Haase möglicherweise im Salzaspring in Nordhausen. Nach einer neueren Studie aus DDR-Zeit mündet nur ein Teil dieses Wassers dort. Der andere Teil des Wassers, wobei unklar ist wieviel, soll ohne klaren Austritt nach Ostsüdost mit einem Tiefengrundwasserstrom in das Unstrutgebiet abgehen (frdl. mdl. Mitt. Herr Vladi). Abb.: 75 Nixseebecken mit Höhenangaben nach Haase 1936 In den jenseits des Nussteichdammes gelegen zwei Schwinden dürfte das Wasser des Trogstein-Springwiesen-Systems endgültig dem Steinagebiet verloren gehen. Die von den in der Umgebung lebenden Menschen aufgestellten Vermutungen, an welchem Punkt das Wasser der Nussteichschwinden wieder zu tage tritt, können nicht bestätigt werden. Der Austritt in den „Tettenborner Quellen“ ist aufgrund der Höhenlage auszuschließen. Ob das Wasser wie vermutet im Salzaspring austritt, bleibt offen. Die Strecke von den Schwinden bis zum Salzaspring beträgt 17 km Luftlinie, zumal dieses Gebiet dem Wasser einige tektonische Hindernisse entgegenstellt. Daher ist eine einfache Beziehung nicht zu erwarten. Wahrscheinlich werden die Schwindwasser sich in einem Kluftnetz unterirdisch verzweigen und an einigen Stellen wieder zu tage treten oder tatsächlich zur Speisung einer entfernteren Quelle beitragen (Haase 1936, 45). Der Salzaspring, mit einer Jahresschüttung von 22 hm3, gehört zu den drei größten Karstquellen des südwestlichen und südlichen Harzrandes. Die Wässer des Einzugsgebietes von den Versickerungsstellen bis zur Quelle brauchen laut Haase ca. 9 Monate. Der Salzaspring unterliegt z.Zt. keiner Nutzung (Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz 1998, 86). Das Tal des Fitzmühlenbachs sowie die Springwiese wurden um 1992 renaturiert. Der Bach war bis zu dieser Renaturierungsmaßnahme zu drei Fischteichen aufgestaut (vgl. THÜRINGER LANDESVERWALTUNGSAMT – LANDESVERMESSUNGSAMT – 1994). Der Landkreis Osterode hat das Gelände mit Landesmitteln gekauft und ebenso renaturiert (frdl. mdl. Mitt. Herr VLADI). Abb.: 76 Renaturierte Fläche im Tal des Fitzmühlenbaches mit Blick auf den Nussteich | |
12.2.9 Vegetation Innerhalb des in Nordwestdeutschland einzigartigen Gipskarstgebietes existieren einige von wenigen inselartigen, äußerst wertvollen Lebensräumen für zahlreiche, auf diese Standortbedingungen angewiesenen Pflanzen, Tiere und deren Lebensgemeinschaften.
Das Nebeneinander unterschiedlichster Lebensräume auf kleinster Fläche und das Überlappen zweier Großklimazonen hat eine außergewöhnliche Vielfalt an Tieren und Pflanzen hervorgebracht. Ein Gipskarstgebiet dieser Ausdehnung und unter den speziellen Klimabedingungen im Übergangsbereich zwischen atlantisch-feucht und kontinental-trocken findet weltweit keine Entsprechung. Die enge Verzahnung der unterschiedlichen Landschaftselemente ermöglicht es einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten in einem relativ eng begrenzten Gebiet zu leben. So wurden allein in den Orchideen-reichen Magerrasen der thüringischen Anteile am Gipskarst 419 Pflanzenarten nachgewiesen, von denen 106 Arten auf der Roten Listen stehen. So kommen z.B. in einem Teilbereich dieser Magerrasen (Rüdigsdorfer Schweiz bei Nordhausen) 438 Großschmetterlings-Arten vor. Auch pflanzengeographisch stellt der Südharz eine "Übergangslandschaft" dar. Hier treffen die Verbreitungsgebiete kontinentaler, mediterraner und eurasiatisch-subatlantischer Arten aufeinander. Für den Färber-Meier, den Dänischen Tragant und das Grauscheidige Federgras liegt im Südharz der Westrand ihres Verbreitungsgebietes. Mediterrane Pflanzenarten besiedeln vor allem extrem flachgründige, sonnenexponierte Magerrasen. Beispiele sind das Nadelröschen, der Berg-Gamander oder der Hufeisenklee. Eine weitere Besonderheit der Region sind die dealpinen Reliktarten: Besonders in nordexponierten Blaugrasrasen kommen z.B. das Südharz-Brillenschötchen, Alpen-Gänsekresse und Felsen-Schaumkresse, und das Kriechende Gipskraut vor. Beeindruckend sind auch die Wälder im Gipskarst. Das Spektrum reicht von feucht-schattigen Schluchtwäldern über totholzreiche Buchenwälder hin zu lichtdurchfluteten Trockenwäldern. Durch den in den Wäldern vorkommenden kleinräumigen Wechsel der Karsterscheinungen sind die Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren überaus reichhaltig und miteinander vernetzt. Wildkatzen haben hier einen Schwerpunkt ihres Vorkommens in Deutschland (Koordinationszentrum Natur und Umwelt e.V. (Knu), 2001: Bedrohte Naturschätze. Einmaliges Naturerbe. auf: http://www.naturschatz.org/gips/ki-erbe.htm). Das Gebiet um den Nussteich ist gekennzeichnet durch einen Kalktrockenhangwald und mesophilen (Kalk-) Buchenwald sowie mesophiles Grünland (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 43f).
12.2.10 Nüxeier Wald Der verkarstungsfähige Gips ist im Nüxeier Wald überwiegend unter einer mächtigen Schicht Flußterrassenkies verborgen. Der Kies wird langsam von Grundwasser durchströmt, welches in die Richtung des Flüßchens Ichte fließt. Das Grundwasser löst in der Tiefe ständig Gipsgestein. Dadurch brechen trichterförmige Erdfälle bis an die Erdoberfläche. Sie sind oft mit Wasser gefüllt. Der Wasserstand ist vom Grundwasserstand abhängig. Ein Absinken des Grundwasserspiegels hat einige der Erdfälle ausgetrocknet. Eine Reihe von Erdfällen sind vermoort und später verlandet. Diese Stellen sind heute nur noch an ihrer Vegetation erkennbar. Der Nüxeier Wald hat wegen seiner Naturnähe und der zahlreichen durch die Erdfälle entstandenen Biotope für den Natur- und Artenschutz große Bedeutung. Auf thüringischer Seite ist er bereits als Naturschutzgebiet gesichert. Die Erdfallseen und -sümpfe stehen unter dem Schutz des Gesetzes (Tront, D. (Hrsg), 2002: Karstwanderweg. Nüxeier Wald. auf: http://www.karstwanderweg.de/kww142.htm). Am Grund der zahlreichen Erdfälle und Dolinen herrscht das ganze Jahr über ein kühles, schattiges und feuchtes Kleinklima. Hier gedeihen auf dem nacktem Gipsgestein üppige Moospolster, Flechten und seltene Farne, wie z.B. der Hirschzungenfarn. Wassergefüllte Erdfälle, Bachauenwälder, Erlenbrüche und Quellsümpfe sind wichtige Lebensräume für Amphibien. Neben Fadenmolch und Geburtshelferkröte fühlen sich besonders Feuersalamander hier sehr wohl (Koordinationszentrum Natur und Umwelt e.V. (Knu), 2001: Bedrohte Naturschätze. Einmaliges Naturerbe. auf: http://www.naturschatz.org/gips/ki-erbe.htm).
12.2.11 Nutzung Die Landnutzung im Projektgebiet gliedert sich hauptsächlich in Waldflächen, Ackerflächen sowie Grünlandflächen. Überwiegend befinden sich diese Waldgebiete südlich von Nüxei, im Nüxeier Wald, im Steinatal und in dem Gebiet um den Fitzmühlenbach. Hauptsächlich sind hier die Laubwälder vertreten neben kleinflächig vorkommendem Misch- und Bruchwald sowie Nadelwald. Ackerflächen befinden sich fast ausschließlich nördlich von Nüxei, das Steinatal ausgenommen. Hier kommen hauptsächlich Ackerflächen mit Vegetation, Flächen ohne Vegetation (Brache) hingegen nur sehr vereinzelt vor. Weiterhin gibt es im Projektgebiet trocken-frische Grünlandflächen, die sich an einzelnen Stellen im NSG „Weißensee / Steinatal“ befinden sowie in den Quellbereichen der Ichte. Nördlich, direkt an das NSG „Weißensee / Steinatal“ anschließend, befindet sich eine genehmigte, derzeit oder in Kürze im Abbau befindliche Bodenabbaustätte (u.a.Gipsabbau). Diese Fläche ist zum NSG hin begrenzt, d.h. dort ist keine Erweiterung der Abbaustätte über die dargestellte Grenze (vgl. Abb. Maßnahmen- und Entwicklungsplan) erlaubt. Ebenso wurde einem Teil der früher genehmigten Fläche aus naturschutzfachlicher Sicht diese Genehmigung wieder entzogen. Ein großes Problem stellt hierbei die Konkurrenz von solchen Bodenabbau- und Bergbauflächen und als FFH- Gebiete benannte Flächen dar. Große Flächenanteile der Gipskarstlandschaft am Harzrand wurden 1999 dem Bundesumweltministerium als FFH-Gebiete (gemäß Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU) benannt. Ein Abbau der Gipslagerstätten, die teilweise sogar als Vorranggebiete für die Rohstoffgewinnung im Landes-Raumordnungsprogramm 1994 gesichert sind, ist in diesen potentiellen Schutzgebieten praktisch ausgeschlossen. Zwei abgegrenzte FFH-Gebiete (Gipskarstgebiet Osterode und Gipskarstgebiet Bad Sachsa) umfassen insgesamt 2 822 ha. Derzeit ist ein EU-Beschwerdeverfahren von Umweltverbänden für mehrere Teilflächen (insgesamt weniger als 40 ha) außerhalb der gemeldeten Gebiete anhängig, die nicht in die FFH-Gebietskulisse einbezogen wurden. Falls die Beschwerde im Sinne der Umweltverbände Erfolg hat, müssten bereits erteilte Genehmigungen für die Rohstoffgewinnung ggf. wieder aufgehoben und derzeit im Verfahren befindliche Abbauanträge abgelehnt werden. (Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung 2001, 51)
12.2.12 Bundesstrasse B 243n Nach Vorgaben des Bundesverkehrswegeplans soll zwischen Herzberg und Nordhausen die Bundesstrasse 243n als vierstreifige Schnellstrasse mit einem Regelquerschnitt von 26m kreuzungsfrei (mit gesonderten Auf- und Abfahrtsrampen) gebaut werden (Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz 1998, 179). Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie zur B 243n, die von 1991 bis 1996 erarbeitet worden ist, wurde das Untersuchungsgebiet wie folgt beschrieben. Durch u.a. die jahrzehntelange relative Ungestörtheit des Gebietes aufgrund der Grenzlage konnten sich z.T. sehr seltene, naturräumliche Ausprägungen der Landschaft, eine artenreiche Fauna (bundesweit gefährdete Tierarten) sowie bedeutende Landschaftselemente eines Fließgewässersystems entwickeln (Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz 1998, 181). Des Weiteren wurden betroffene Schutzgebiete aufgeführt. Dies sind zum einen Naturschutzgebiete und Flächendenkmale, z.B. der Biotopkomplex „Ichteaue, Nußteich, Weißensee“ bei Nüxei und die Hangbereiche am Trogstein und zum anderen Wasserschutzgebiete wie die Ichteaue westlich von Mackenrode (ebd., 182). Das Raumordnungsverfahren ist abgeschlossen, womit der grobe Trassenverlauf festgelegt ist, nämlich südlich von Nüxei auf der Route nach Tettenborn. Die Feinplanung ist Sache des Planfeststellungsverfahrens, daß noch durchgeführt werden muß (frdl. mdl. Mitt. Herr Vladi). Für das Projektgebiet ist die Entscheidung, die Trasse südlich von Nüxei zu verwirklichen, ein enormer Eingriff mit besonders schweren Folgen für Natur und Landschaft. (vgl. Kapitel 12.16 Zusätzliche Datenerfassung, Abb. 94 Trassenverlauf B 243n bei Nüxei) Gegenwärtiger Zustand im Harzvorland laut Landschaftsrahmenplan (LRP) und Regionalem Raumordnungsprogramm (RROP) des Landkreises Osterode am Harz Im Landkreis Osterode gibt es mit nur einer Ausnahme (Hainholz / Beierstein) keine größeren zusammenhängenden Gipskarstgebiete ohne Bodenabbau. Weiterhin sind die Kalkmagerrasen nur noch kleinflächig, weit verstreut und voneinander entfernt vorhanden, so dass der Fortbestand dieser Biotope und ihrer Tier- und Pflanzenpopulationen nicht mehr gesichert ist. Ebenso ist vielfältiges, artenreiches Grünland auf unterschiedlichen Standorten (trocken bis naß, kalkreich bis kalkarm) fast nicht mehr zu finden. Es besteht die Tendenz, jede vom Relief her geeignete Fläche in Äcker umzuwandeln (Landkreis Osterode am Harz 1998, 259ff).
12.2.13 Natürliche Stillgewässer Die natürlichen Stillgewässer sind im Landkreis Osterode nur kleinflächig anzutreffen und zudem gefährdet. Vor allem in Erdfällen, in denen sich je nach den hydrologischen Bedingungen Wasseransammlungen befinden, sind sie gefährdet und somit auch verschiedene Amphibienarten, für die die natürlichen Stillgewässer in den Erdfällen einen unersetzlichen Bestandteil ihres Lebensraums darstellen (Landkreis Osterode am Harz 1998, 260).
12.2.14 Künstliche Stillgewässer Die künstlichen Stillgewässer im Landkreis Osterode sind einerseits durch Aufstauung (Talsperren, Fischteiche) oder im Laufe der Rohstoffgewinnung (u.a. Kiesabbau, Gipsabbau) entstanden. Die Oder- und Sösetalsperre bilden die größten zusammenhängenden Wasserflächen im Landkreis. Die aufgestauten Fischteiche sind durch ihre intensive Bewirtschaftung ökologisch bedeutungslos. Im Gegensatz dazu können sich extensiv genutzte oder aufgegebene Stillgewässer sowie einzelne Grubenseen zu ökologisch wertvollen Biotopen entwickeln, einige sind es heute schon (Landkreis Osterode am Harz 1998, 260). Die Fischteiche des Landkreises Osterode sind überwiegend durch den Aufstau von Bächen entstanden, in den meisten Fällen ist eine Kette hintereinanderliegender Teiche angelegt worden (Ichte). Für die betroffenen Fließgewässer ergeben sich aus den Aufstauungen grundsätzliche Probleme. Zu einen werden obere und untere Abschnitte des Baches voneinander getrennt, so dass ein Austausch innerhalb der Tierpopulationen nur bei flugfähigen Arten möglich ist. Zu anderen verhindern die Fischteiche die natürliche Abflußdynamik und führen im Unterlauf zu unnatürlichen, gleichmäßigeren Verhältnissen. Zudem belastet das erwärmte und durch Nährstoffe angereicherte Wasser der Fischteiche die unterhalb gelegenen Bachabschnitte (Landkreis Osterode am Harz 1998, 243) Talsperren sind als besonders schwerer Eingriff in die Fließgewässerdynamik anzusehen. Die völlige Umwandlung des Gewässermittellaufs in ein stehendes Gewässer, die Trennung von Unterlauf und Oberlauf sowie die dadurch bedingte Behinderung des natürlichen Wasserabflusses bewirken eine drastische Verarmung des Artengefüges innerhalb und unterhalb der Talsperre. Die Fließgewässerfauna verschwindet zugunsten einer sehr artenarmen Gemeinschaft von Ubiquisten (überall vorkommende Arten). Durch die Grundwasserabsenkung und das Ausbleiben der Hochwasserdynamik verlieren charakteristische Strukturen wie Auwälder an wert. (Landkreis Osterode am Harz 1998, 55) Die Talsperre der Steina beeinträchtigt die Steina in dieser Weise. Abgesehen davon ist die Qualität des Wassers hier als gut anzusehen, bedingt durch die Ausweisung des Gebietes als Wasserschutzgebiet (vorerst bis 31.07.2005). Von einer bewilligten Fördermenge von 567.000 m3 pro Jahr werden an der Steinatalsperre 42.000 m3 pro Jahr gefördert (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 175)
12.2.15 Fließgewässer Allgemein gelten als wichtige Funktionen der Fließgewässer für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild die Regulation des Wasserhaushaltes aufgrund der Entwässerungsfunktion der Fließgewässer und damit eng verknüpft der Einfluß auf den Wasserhaushalt der Böden und auf die Bodenbildung. Daneben beeinflussen sie das örtliche Kleinklima und bieten wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die auf ihre mehr oder minder unmittelbare Nähe angewiesen sind oder für die ein Fließgewässer einen Teil ihres Lebensraumes darstellt. Im Landschaftsbild bilden Fließgewässer ganze naturräumliche Regionen und Einheiten, deren Erscheinungsbild wesentlich durch sie geprägt ist. Gefährdungen der Fließgewässer und ihrer Funktionen bilden u.a. die Regulierung des natürlichen Wasserregimes durch Anstau, die Gewässerbegradigung und Einengung des natürlichen Hochwasserabflussprofils (z.B. Dämme), der Verbau der Ufer und /oder der Gewässersohle, die Unterbrechung des ökologischen Gefüges durch u.a. Staustufen oder Sohlschwellen sowie die Beseitigung der natürlichen oder naturnahen Ufervegetation. Diese Gefährdungen gilt es zu unterbinden (Landkreis Osterode am Harz 1998, 229). Viele Fließgewässerabschnitte einschließlich der dazugehörigen Auenbereiche sind im Harzvorland aufgrund von Gewässerausbau und –unterhaltung, Kiesabbau, Verschmutzung, intensiver landwirtschaftlicher Nutzung der Aue in weiten Teilen als naturfern bzw. bestenfalls als bedingt naturnah zu bezeichnen (Landkreis Osterode am Harz 1998, 259). Das Harzvorland wird durch die Auen der Söse, Markom, Oder, Sieber, Ella, Steina und Wieda insbesondere durch die naturraumtypischen und naturnahen Gehölzgalerien und Uferwälder gegliedert. Das Hügelland des Vorlandes wird dagegen von wenigen, meist begradigten und nur teilweise mit Gehölzen bestandenen Bächen durchflossen, bedingt durch die Klüftigkeit des Zechsteingebietes, wo das Niederschlagswasser unterirdisch versickert und erst in entfernten Karstquellen wieder austritt (Landkreis Osterode am Harz 1998, 182). Die Natürlichkeit der Wasserläufe einschließlich der begleitenden Vegetation wurde in den letzten Jahrzehnten durch wasserbauliche Eingriffe und Siedlungstätigkeit stark vermindert, die Wassergüte verschlechterte sich (Landkreis Osterode am Harz 1998, 182). Daher sind die heute noch naturnahen Fließgewässer im hohen Maße schutzbedürftig (ebd., 183). Naturnahe Fließgewässer im Siedlungsbereich sind noch seltener, zu ihnen zählen Abschnitte der Steina. 11% des Landkreises Osterode bilden Fluß- und Bachauen, von denen 38% in die Kategorie „Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft“ aufgenommen wurden. (ebd., 185). Ein Bach ist naturfern, wenn er begradigt ist, die Sohle ausgeräumt ist, die Ufer verbaut sind und der natürliche, bachbegleitende Baumbewuchs entfernt worden ist. Als naturnah bezeichnet man einen Bach, der dem natürlichen Gefälle folgend und mäandrierend verläuft, dessen Sohle das natürliche Substrat aufweist und bei dem der begleitende Gehölzbewuchs dem natürlichen Standort entspricht. Zwischen diesen beiden Zuständen können alle Übergänge vorkommen, auch im Verlauf eines einzelnen Gewässers (Landkreis Osterode am Harz 1998, 232). Die Gewässergüte ist ein Maß für die Qualität des Wassers und wird in den Stufen I (unbelastet bis gering belastet) bis V (verödet) angegeben (ebd., 234). Die Steina liegt im Elbe-Einzugsgebiet. In ihrem Oberlauf, bis zur Ortschaft Steina hat sie die Güteklasse I. Oberhalb des Ortes Steina ist die Steina aufgestaut (Trinkwassertalsperre) und fällt außerhalb der Hochwasserperiode von der Grundgebirgsgrenze in Steina an bis zur Kreisgrenze regelmäßig über lange Zeit trocken. Daher ist in diesem Abschnitt keine Klassifizierung der Wassergüte zulässig. Die Steina ist in ihrem gesamten Verlauf naturnah bis natürlich, wobei einige Sohlschwellen oberhalb der Ortschaft Steina eine Ausnahme bilden. Die ursprüngliche Vorflut in die Nussteichschwinde ist durch Wasserbaumaßnahmen verbaut. Dort mündet die Steina, wenn sie fließt, nur noch in die Ichte (Landkreis Osterode am Harz 1998, 241). Aus Sicht des Unterhaltungsverbandes Bode /Zorge ist die Steina ein kritisches Gewässer. Zum einen, da die Steinatalsperre die Sedimente zurückhält und damit die natürliche Dynamik des Sedimenttransportes im Unterlauf verhindert wird. Zum anderen wurde deshalb der Versuch unternommen, diese negativen Wirkungen der Talsperre auszugleichen. Hierfür wurde Fremdmaterial in Form von schwarzem Granitstein in die Steina eingebracht, um somit Verlandungsprozesse erneut zu initiieren. Diese einmalige Maßnahme ist jedoch ökologisch bedenklich, da sie einen Eingriff darstellt, der das natürliche Gefüge der Gewässersohle verfälscht (frdl. mdl. Mitt. Herr Schlegel). Dies ist zu beachten bei nachfolgenden Untersuchungen z.B. der Gewässergüte mittels Saprobienindex, welcher sich auf die in der Gewässersohle lebenden Organismen bezieht.
12.2.16 Schutzwürdige Bereiche im Landkreis Osterode Zu den landesweit schutzwürdigen Bereichen des Landkreises Osterode gehören u.a. das Steinatal, die Karstquelle (Fitzmühlenquelle) und die Nussteichschwinde (s. Tab. 2 Landesweit schutzwürdige Bereiche) FB= naturnaher Bach SE= naturnahes nährstoffreiches Kleingewässer SY= sonstige Stillgewässer / Artenschutz WE= Erlen- und Eschenwald der Auen und 70% Quellbereiche WM= mesophiler Buchenwald WT= Wald trockenwarmer Standorte WA= Erlen- Bruchwald NU= Uferstaudenfluren NS= Seggen, Binsen- und Staudensumpf GB = besonders geschützter Biotop XS= natürlicher Erdfall/ Karstformen XP= Bachschwinden Gebiet, Lage, ggf. vorhandener Schutzstatus, Nr. | Code, ggf. Flächenanteil in % | Größe, Beschreibung | Beeinträchtigungen und Gefährdungen | Steinatal, 2km S Steina, NSG, GB LS 82 | WE 70 NU 30 FB | 12 ha, oft trockenfallender Bach mit Schotterbett, Ufer mit artenreichen Staudenfluren und naturnahem Auwald | Fichtenpflanzungen, angrenzend intensiv genutzte Äcker, Siedlung, B 243 | Karstquelle und Nussteichschwinde als Teil des größten Blindtals Nieders.; Weißensee, 1,5 km NW Tettenborn, NSG, GB LS 86 | XS 60 WM 20 SE 12 NS 4 WT 4 WA | 25 ha, artenreicher Perlgras-Buchenwald, kleinflächig aus Seggen-Buchenwald, Gipsfelswand, am Fuß Karstquelle, Schwinde mit natürlich temporärem Teich, stellenweise Großseggenried und Röhricht | hoher Anteil des Waldes mit Nadelholzforsten, Schwinde durch Damm abgeriegelt, natürlicher Vorfluter der Steina in Nussteichschwinde verbaut |
Tab.: 2 Landesweit schutzwürdige Bereiche nach Landkreis Osterode am Harz 1998, 123f Zu den regional schutzwürdigen Bereichen zählen u.a. der Steinaer Bach südlich der Ortschaft Steina als auch innerhalb der Ortschaft Steina sowie einige in der Umgebung Nüxei und Steina gelegene Gebiete (vgl. Landkreis Osterode am Harz 1998, 149). Gebiet, Lage, ggf. vorhandener Schutzstatus, Nr. | Code, ggf. Flächenanteil in % | Größe, Beschreibung | Beeinträchtigungen und Gefährdungen | Steinaer Bach, S Steina, GB, RS 94 | FB | 1 ha, etwas begradigter 2-3m breiter Bach mit Schotter und Geröll; im Sommer fallen weite Teile des Bettes trocken; angrenzend wertvolle Gehölze | Müll- und Bauschuttablagerungen, Gartenabfälle, Wehre, Sohlschwellen | 1 km NNO Nüxei, z.T. NSG, LSG, GB, RS 96 | XS | 1 ha, Gipskarstgebiet mit zahlreichen Erdfällen; das Gebiet wird überwiegend landwirtschaftlich genutzt | Verfüllung von Erdfällen; intensive Landbewirtschaftung (u.a. Fichtenforste) | 0,8 km SW Nüxei, GB, RS 98 | SY NS | z.T. extensiv bewirtschaftete Fischteichkette mit Verlandungszonen | Teichkette unterbricht aber das Fließgewässer vollständig | NO und SO Nüxei, teilweise NSG, GB, RS 101 | XS | Einziges echtes Blindtal (Quelle und Mündung: s. LS 86) Nieders.; im SO-Teil: Karsterscheinungen (gut ausgeprägte Erdfälle) auf überwiegend forstlich genutzten Flächen | Blindtal (ohne Schwinde) wiederhergestellt; Steina floss ursprünglich in Nussteichschwinde und zur Ichte; Zerschneidung durch L 603; kleinflächig intensive landwirtschaftliche Nutzung | Steina in der Ortslage Steina, GB, RS 195 | FB XP | 1,8 ha, begradigter Bach mit Schotterbetten, Hangabbrüchen, z.T. Unterspülungen; überwiegend naturnahe Ufergehölze; Bach versiegt im Sommer | Wehre, Sohlschwellen, z.t. Uferverbau (Mauern, Wasserbausteine); Müll- und Bauschuttablagerungen; Gartenabfälle | | | | |
Tab.: 3 Regional schutzwürdige Bereiche nach Landkreis Osterode am Harz 1998, 149, 159 Das 47 ha große Steina – Naturschutzgebiet wird als wichtiger Bereich für Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landkreises Osterode im Gebietskataster III aufgeführt (G 61 VF) (vgl. Landkreis Osterode am Harz 1998, 194ff).
12.3 Karstdynamik Eine naturnahe Karstdynamik ist an mehrere Faktoren gebunden. Karstphänomene konzentrieren sich u.a. auf den Raum Nüxei. Hier sind die landschaftsprägenden Formen Geländesteilstufen, Erdfälle, Karrenfelder, Bachschwinden, Karstquellen und zahlreiche Höhlensysteme. In dem Projektgebiet ist die Karstdynamik, die diese Formen hervorbringt, erheblich eingeschränkt worden. Zum einen wurde die Steina aufgestaut und umgeleitet und somit ihr Abfluß bei Hochwasser in das Nussteichbecken unterbunden, zum anderen wird das Wasser des Einzugsgebietes des Nussteichbeckens durch einen Damm künstlich aufgestaut. Die ursprüngliche Karstdynamik im Projektgebiet gilt daher als erheblich eingeschränkt.
12.4 Leitbilder für das Harzvorland
12.4.1 Landschaftsrahmenplan des Landkreises Osterode am Harz Die Leitbilder für die einzelnen Naturräume und –einheiten werden im folgenden beschrieben, d.h. wie soll das Harzvorland nach Umsetzung des Handlungskonzeptes einmal aussehen. Abb.: 77 Fließgewässerprogramm Landschaftsrahmenplan Landkreis Osterode am Harz 1998 Die Fließgewässer im Harzvorland lassen sich zwei Typen zuordnen. Zum einen gibt es Fließgewässer, die im Inneren des Harzes entspringen und im Harzvorland größere Bäche oder Flüsse mit Wildflußcharakter bilden. Zum anderen sind dies Fließgewässer, die am Harzrand oder Vorland selbst entspringen und deutlich kleiner dimensioniert sind. Dem naturnahen Zustand der Fließgewässer entspricht eine hohe Gewässerdynamik (starke jahreszeitliche Schwankungen in der Wasserführung, Gewässerbettverlagerungen, Bildung mehrerer Gewässerarme), sehr gute Wasserqualität und eine breite Schotterniederung. Für die wechseltrockenen Schotterflächen in den Niederungen sind großflächige Uferstaudenfluren kennzeichnend, auf Schotterbänken im Gewässerlauf und im amphibischen Uferbereich sind es von einjährigen Pflanzen geprägte Gesellschaften (Landkreis Osterode am Harz 1998, 252). Typische Harzvorlandbäche haben eine ausgeglichene Wasserführung, daher auch schmale Überschwemmungszonen, eingesäumt von Erlen-Eschen-Wäldern. Sie besitzen eine gute bis sehr gute Wasserqualität. Bedingt durch die hohen Fließgeschwindigkeiten und die starke Beschattung entwickelt sich die Wasservegetation nur spärlich. Das Gewässerbett ist strukturreich (vorwiegend Kiesbänke, Kolke, kleinflächige Uferabbrüche etc.), der Gewässerlauf ist schwach mäandrierend. Die Teillebensräume der Fließgewässer und ihrer Auen sind weitgehend unbeeinflußt von Menschen (Landkreis Osterode am Harz 1998, 253). Herausragende Bedeutung für die Landschaftsgestalt des südwestlichen Harzvorlandes haben die in Mitteleuropa einzigartigen Karsterscheinungen der Zechsteingebiete. Landschaftsprägende Formen sind die Geländesteilstufen, Erdfälle, Karrenfelder, Bachschwinden, Karstquellen und zahlreiche Höhlensysteme. Karstphänomene konzentrieren sich u.a. auf die Räume Osterode Kalkberge, Nüxei und Walkenried. Quellbereiche, häufig Karstquellen sind im Harzvorland in einem naturnahen Zustand, d.h. ohne anthropogene Beeinträchtigungen. Erdfälle zählen zu den wichtigsten „ökologischen Zellen“ als Standorte von Feldgehölzen oder als Stillgewässer mit Sumpfvegetation. Zur Bewahrung dieser Landschaften sind die meisten Karsterscheinungen dauerhaft gesichert. Neu entstehende Formen, hauptsächlich Erdfälle sind von Anfang an gesichert (Landkreis Osterode am Harz 1998, 253f). Die erhaltenen steilwandigen Gipsfelsen und Schutthänge gehören zu den natürlicherweise waldfreien Standorten, die von einer spezifischen Felsvegetation eingenommen werden. Die Baumartenzusammensetzung der Wälder im Landkreis Osterode entspricht der heutigen potentiellen natürlichen Vegetation, d.h. Laubmischwälder unterschiedlicher Ausprägung. Die mesophilen, artenreichen Buchenwälder auf basenreichen Gesteinen (am besten ausgeprägt auf Dolomit- und Gipsstandorten) bilden hierbei den größten Flächenanteil im Landkreis (Landkreis Osterode am Harz 1998, 252). Die derzeitigen Abweichungen vom Landschaftsbild und die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des Soll-Zustands werden im Handlungskonzept dargestellt. Grundsätzlich soll das Leitbild im Sinne des NNatG durch die Instrumente der Landschaftsplanung, des Flächenschutzes, des Artenschutzes, der Eingriffsregelung sowie der Landschaftspflege umgesetzt werden. Nach § 56 NNatG müssen die Zielsetzungen von allen Behörden und öffentlichen Stellen unterstützt werden (Landkreis Osterode am Harz 1998, 258).
12.4.2 Fließgewässerprogramm Niedersachsen Das Fließgewässerprogramm Niedersachsen besteht seit 1987. Ursprünglich als Programm der Wasserwirtschaft initiiert, wird es heute gemeinschaftlich von der Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung durchgeführt. Renaturierungsmaßnahmen in der Talaue (vor allem Flächenerwerb) werden mit Haushaltsmitteln des Naturschutzes, Vorhaben im und am Gewässerbett und der Ankauf von Gewässerrandstreifen durch die Wasserwirtschaftsverwaltung gefördert. Das Fließgewässerschutzsystem (Rasper et al. 1991) dient als fachliche Grundlage für das niedersächsische Fließgewässerprogramm (Niedersächsisches Landesamt für Ökologie 1996, 170). Im Rahmen der Arbeit des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie wurden der Charakter naturnaher Fließgewässerlandschaften und die typischen Merkmale einzelner naturräumlicher Regionen in Niedersachsen erarbeitet. Diese Zusammenstellungen sollen als Arbeitshilfe sowie als Leitbild zur Rekonstruktion des naturnahen Zustandes von Fließgewässern und ihrer Auen dienen (Niedersächsisches Landesamt für Ökologie 1996, 177). Im folgenden wird der naturnahe Zustand der Fließgewässer der naturräumlichen Region „Weser- und Leinebergland“ tabellarisch dargestellt. | Krenal (Quellregion) | Rhitral (Bäche und kleinere Flüsse) | Potamal (größere Flüsse) | Morphologie | | | | Gefälle | Gering bis sehr hoch | Mittel bis hoch | Mittel | Substrat | Lockergestein und Sand verschiedener Größe, Holz, versumpfter Boden, vereinzelt Torf | Geröll, Kies und Grobsand vorherrschend, Holz, in Stillwasserbereichen Ablagerung von Feinmaterial | Im Stromstrich Grob- bis Feinkies, Holz, in strömungsarmen Randbereichen Sand und Feinmaterial | Strukturen | Sicker- und Sturzquellen, Quelltöpfe, Kalktuffbildungen, vereinzelt Hochmoorabflüsse | Je nach Gefälle wenig bis stark mäandrierend, meist niedrige Ufer mit Unterspülungen und Abbrüchen, flache Gleithänge, tw. Hohe Steilufer am Talrand, kleine Geröll- und Kiesbänke, vereinzelt Karstgewässer, Bachschwinden, Bachläufe mit Versickerungsstrecken | Stromspaltungen, Inseln, Flutrinnen und –mulden, Mäander mit Altgewässern; kiesig-sandige Flußbänke, meist breites, flaches Gewässerbett mit Kolken, vereinzelt hohe Steilwände | Physikalisch- chemische Faktoren | | | | Wasser- führung | Gering bis hoch (Karstquellen) | Schwankend, in Kalkgebieten meist stärker (bis hin zu sommerlichem Trockenfallen) als in Gegenden mit weniger klüftigem Gestein, permanent wasserführende größere Karstquellen oft mit sehr ausgeglichener Wasserführung, Hochwasser nur von kurzer Dauer | Länger anhaltende, ausgedehnte Überflutungen der Aue, ansonsten ausgeglichene Wasserführung | Fließge- schwindig- keit | Gering bis hoch | Meist hoch, aber stark wechselnd | Mittel bis hoch, wechselnd im Querschnitt | Temperatur | Ganzjährig zwischen 7° und 10° C, in Hochmoorgebieten höher | Niedrig, jährliche Schwankungen <20°C | Mittel, jährliche Schwankungen>20°C | Sauerstoff- sättigung | Meist bis ca. 80%, in Hochmoorgebieten höher | Um 100% | In der Regel gut, aber mit deutlicher Schwankungsbreite (v.a. im Sommer/ Herbst) | Primär- eutrophier- ung | Keine | Gering | mäßig | Güteklasse | I (außer in Hochmoorgebieten) | I – II | II | Vegetation (Auswahl typischer Einheiten) | | | | Wasservegetation (weitestgehend ohne anthropogenen Einfluß) | Erlen-Eschen-Quellwälder mit Übergängen zu Bruchwäldern; Kalkquellmoosge-sellschaten; in Quelltöpfen Gesellschaften von Armleuchteralgen und Hartwasservegetation kalkreich-oligotropher Bäche; Bachröhrichte; Quellfluren kalkarmer Standorte | Kalkreiche Bäche: Hahnenfuß-Berle-Gesellschaft, Algenbestände; kalkarme Bäche: Vegetation hauptsächlich aus batrachiden Arten, Lebermossgesellschaften, vereinzelt Bachröhrichte | Großlaichkrautreiche-Gesellschaft, in langsam fließenden Bereichen mit potamalen Elementen; Röhrichte häufig mit Dominanz von Rohrglanzgras | Wasservegetation (mäßiger anthropogener Einfluß) | Bei höherem Lichteinfall durch Beseitgung von Gehölzen Zunahme der krautigen Vegetation; bei extensiver Mahd oder Beweidung auf Kalk Davallseggen-Gesellschaften, auf basenarmen Standorten Braunseggen-Sümpfe; bei Brache Hochstaudenfluren und Seggenrieder | Zunahme der Wasservegetation bei höherem Lichteinfall; in stärker eutrophierten kalkreichen Bächen häufig Dominanz von Zannichellia palustris; in kalkarmen Bächen bei Störungseinflüssen zuerst Ausfall von Callitriche hamulata | Großlaichkräuter verschwinden zugunsten von Kleinlaichkräutern; Zunahme von Röhricht und Wasserpflanzen bei höherem Lichteinfall | Auenvegetation (weitestgehend ohne anthropogenen Einfluß) | (wegen enger Verzahnung von Wasser-[Quell-]Vegetation und Auenvegetation unter Wasservegetation mit beschrieben, s.o.) | Bach-Erlen-Eschenwald, Hainmieren-Erlenwald; Waldhainsimsen-Erlenuferwald; z.T. Rotbuchengaleriewald in Kerbtälern | Hartholzaue: Eichenmischwälder, Eichen-Eschen(Ulmen)Auwälder bis feuchte Eichen-Hainbuchenwälder; Weichholzaue: Weidengebüsch und Weidenwald, Röhrichte, Hoch- bzw. Uferstaudenfluren, Pionierfluren auf Sand- und Kiesbänken sowie Ablagerungen von Feinmaterial | Auenvegetation (mäßiger anthropogener Einfluß) | (wegen enger Verzahnung von Wasser-[Quell-]Vegetation und Auenvegetation unter Wasservegetation mit beschrieben, s.o.) | Bei leichter Minderung des Wassereinflusses Eichen-Hainbuchenwälder und Rotbuchenmischwälder anstelle der Erlenwälder; bei extensiver landwirtschaftlicher Nutzung oder Brache Feuchtwiesen, Hochstaudenfluren, Großseggenrieder, Röhricht, Feuchtgebüsche | Bei Minderung des Wassereinflusses Zunahme auch mesophiler Eichen-Hainbuchenwälder bis Rotbuchenwälder anstelle des Hartholz-Auwaldes; bei extensiver landwirtschaftlicher Nutzung oder Brache Feuchtwiesen, Flutrasen sowie Glatthaferwiesen und mesophile Auenwiesen, Zunahme von Röhricht, Hoch- und Uferstaudenfluren, Pionierfluren auf Sand, Kies und Schlammablagerungen | Fauna (Auswahl typischer Arten/ -gemeinschaften) | | | | Fließgewässerfauna (weitestgehend ohne anthropogenen Einfluß) | Feuersalamander; artenarme z.T. hochspezialisierte, kaltstenotherme Wirbellosenfauna oligotropher, kalkarmer und kalkreicher, z.T. dystropher Quellbereiche: u.a. Libellen (Gestreifte Quelljungfer), Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen, Strudelwürmer | Biber, Fischotter, Wasserspitzmaus; Eisvogel, Wasseramsel; Äsche, Bachforelle, Bachneunauge, Bachschmerle, Elritze, Groppe; Feuersalamander; Wirbellosenfauna kalkreicher und kalkarmer Bäche und kleinerer Flüsse: u.a. Libellen (z.B. Zweigestreifte Quelljungfer), Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen, Flußmuscheln, Strudelwürmer, Flohkrebse, Edelkrebs | Biber, Fischotter; Eisvogel, Flußregenpfeiffer, Flußuferläufer; Barbe, Flußneunauge, Lachs, Stör, Ukelei, Zährte; Wirbellosenfauna mäßig nährstoffreicher größerer Flüsse: u.a. Libellen (z.B. Gemeine Keiljungfer), Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen, Flußmuscheln, Flohkrebse, Edelkrebs | Fließgewässerfauna (mäßiger anthropogener Einfluß) | Ausfall empfindlicher Arten | Ausfall empfindlicher Arten | Ausfall empfindlicher Arten | Auenfauna (weitestgehend ohne anthropogenen Einfluß) | Biber, Fischotter, Wasserspitzmaus; Graureiher, Kleinspecht, Mittelspecht, Schwarzstorch, Feuersalamander | Biber, Fischotter, Wasserspitzmaus; Graureiher, Kleinspecht, Mittelspecht, Schwarzstorch, Feuersalamander | Biber, Fischotter, Iltis; Fischadler, Graureiher, Kleinspecht, Kormoran, Mittelspecht, Schwarzmilan, Schwarzstorch, Uferschwalbe, verschiedene Wasservogelarten; Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Seefrosch; Ringelnatter; Libellen (z.B. Federlibelle); Schmetterlinge (z.B. Großer Schillerfalter); Laufkäfer; Kleinkrebse (z.B. Kiemenfuß) | Auenfauna (mäßiger anthropogener Einfluß) | Bei Ausfall von für natürliche Auen typischen Arten treten örtlich neu bzw. vermehrt auf: z.B. Kiebitz, Weißstorch; Heuschrecken (z.B. Sumpf-Grashüpfer in Feuchtgrünland) | Bei Ausfall von für natürliche Auen typischen Arten treten örtlich neu bzw. vermehrt auf: z.B. Kiebitz, Weißstorch; Heuschrecken (z.B. Sumpf-Grashüpfer in Feuchtgrünland) | Bei Ausfall von für natürliche Auen typischen Arten treten örtlich neu bzw. vermehrt auf: z.B. Kiebitz, Wachtelkönig; Heuschrecken (z.B. Sumpfschrecke in Feuchtgrünland) |
Tab.: 4 nach Niedersächsisches Landesamt für Ökologie 1996, 194f
12.5 Der Bauerngraben Der Bauerngraben bietet eine ähnliche Karstdynamik wie das angestrebte Maximalkonzept (vgl. Kapitel 12.15 Umsetzungsvorschlag) und bietet daher einen anschaulichen Vergleich. Der Bauerngraben ist eine etwa 10 bis15 m tiefe Senke, welche nach Süden durch einen ca. 60 m hohen Steilhang begrenzt wird. Er liegt 3 km nördlich von Roßla. Das Becken ist 350 m lang und 100 m breit. In die Senke mündet ein Bach (der Glasebach). Dieser Bach verläuft am Grunde des Beckens und verschwindet im westlichen Teil des Beckens. Der Bauerngraben ist ein episodischer See, d. h. der Wasserspiegel unterliegt Schwankungen, die von 15 m Wasserhöhe bis zur völligen Trockenheit reichen. Jahrelang kann der See gefüllt sein, jahrelang kann er aber auch völlig trocken sein. Das Füllen und Entleeren wird durch das komplizierte geologische System dieses Karstgebietes begründet (Mathias, M. (Hrsg) 2001: Mathias Online. Bauerngraben. auf: http://www.mathias-online.de/ bauerngraben.htm). Abb.: 78 Bauerngraben im November 2001, trocken Abb.: 79 Bauerngraben, wassergefüllt 12.6 Ziele der Raumplanung
12.6.1 Ziele der Raumordnung des Landes Niedersachsen Das Projektgebiet ist im Naturraum ,,Weser- und Leinebergland" gelegen. Laut Raumordnungsprogramm des Landes Niedersachen sind hier die Sicherung und Entwicklung der naturraumtypischen Wälder ein vorrangiges Ziel. Weiterhin sind u.a. Quellen, Bäche und kleine Flüsse, insbesondere im Harzvorland und Felsfluren, vor allem auf Kalk und Gips vorrangig schützenswert und entwicklungsbedürftig. Als naturräumliche Besonderheit von übernationaler Bedeutung sind die Gipskarstgebiete des südlichen und südwestlichen Harzvorlandes mit Erdfällen, Höhlen, Felsen und anderen besonderen geomorphologischen Formen sowie den dazugehörigen Wäldern, Felsrasen, Still- und Fließgewässern vorrangig schützenswert (Bezirksregierung Hannover 1994, 42).Im Rahmen des Gewässerschutzes im Land Niedersachsen gelten folgende Ziele: Zur Erhaltung ihrer ökologischen Funktionen sind ober- und unterirdische Gewässer insbesondere als Lebensgrundlage für den Menschen und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, als klimatischer Ausgleichsfaktor und als prägender Landschaftsbestandteil nachhaltig zu schützen. Die weitgehend natürlichen oder naturnahen Gewässer sind so zu schützen, daß ihre Gewässergüte sich nicht verschlechtert. In den übrigen Gewässern ist die Gewässergüte so zu verbessern, daß eine Annäherung an die ursprünglich vorhandenen Gegebenheiten, wie sie vor nachhaltiger menschlicher Beeinflussung herrschten, stattfindet. Das entspricht überwiegend der Gewässergüteklasse II (gering belastet). Die biologischen, speziell die ökologischen Funktionen der Gewässer mit ihren Wechselbeziehungen zum terrestrischen Bereich der Aue sind wiederherzustellen. Dazu sind als Pufferzone gegen die angrenzenden Nutzungen und als gewässerabhängiger Lebensraum nicht bewirtschaftete Gewässerrandstreifen mit standortgerechtem Bewuchs anzulegen; vorhandene naturnahe Gewässerrandstreifen sind zu erhalten. Natürliche Rückstau- und Überschwemmungsbereiche sind zu erhalten oder wiederherzustellen und zu entwickeln. Auf eine Rücknahme der Ackernutzung in diesen Bereichen ist hinzuwirken (Bezirksregierung Hannover 1994, 48).
12.6.2 Regionales Raumordnungsprogramm Landkreis Osterode 1998 Im Folgenden werden die für das Projektgebiet ausschlaggebenden allgemeinen Entwicklungsziele für den Landkreis Osterode beschrieben. Ein Instrument der Bestands- und Funktionssicherung vorhandener Strukturen und Nutzungen ist die Ausweisung von Vorranggebieten. Die Festlegung von Vorranggebieten ist eine über die reine Flächenreservierung hinausgehende Planung der Offenhaltung von Nutzungsmöglichkeiten und der Sicherung der Bedingungen für die Realisierung solcher Nutzungsansprüche. Ein Gebiet für einen vorrangigen Nutzungsanspruch zu sichern, bedeutet dieses Gebiet von entgegenstehenden Nutzungen freizuhalten und dort künftig nur solche Nutzungen zuzulassen, die mit dem vorrangig bestimmten Nutzungszweck vereinbar sind. Bestehen in diesem Gebiet gegenwärtig nicht verträgliche Nutzungen, so sind diese so zu entwickeln, dass sie den vorrangig bestimmten Nutzungszweck künftig nicht mehr beeinträchtigen. Falls dies nicht möglich ist, sind diese entgegenstehenden Nutzungen aufzugeben, wenn die bestehenden Nutzungsrechte ausgeschöpft sind bzw. zeitlich auslaufen. Letzteres trifft vor allem für die Bereiche zu, die zum Vorranggebiet für Natur- und Landschaft bestimmt sind, obwohl in diesen noch Bodenabbaumaßnahmen betrieben werden bzw. Abbaurechte bestehen (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 35). Vorranggebiete für Natur und Landschaft bestehen aus vorhandenen und geplanten Naturschutzgebieten und Flächen, die deren Kriterien erfüllen sowie besonders geschützten Biotopen, Naturdenkmalen, dem Nationalpark, und enthaltenen und an den Bund gemeldeten und „meldefähigen“ FFH-Gebieten, soweit sie nicht von der Genehmigung ausgenommen sind. Zu den Vorranggebieten gehört ein regionales Fließgewässerschutzsystem auf der Grundlage des niedersächsischen Fließgewässerschutzsystems. Hierzu gehören auch Große Söse, Zorge, Uffe, Wieda, Steina und das Nixseepolje (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 20). „Die Gewässer sind umweltverträglich so zu nutzen und zu bewirtschaften, dass das Wasser seine vielfältige Funktion nachhaltig erfüllen kann. Maßgeblich für die Art und Intensität der Bewirtschaftung ist der jeweils empfindlichste Teil der Gewässersysteme“ (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 74). Hauptsächlich sollen folgende Fließgewässer renaturiert werden Beber, Branke, Ichte (westlich Nüxei), Uffe (im Bereich Bad Sachsa). Bei der Renaturierung von Fließgewässern im Landkreis Osterode sind Maßnahmen zum Schutz des Fließgewässersystems der Ichte im Bereich westlich von Nüxei bis zur Landesgrenze vorrangig. Daneben sind alle übrigen Gewässer des Fließgewässerschutzsystems und nach Möglichkeit weitere Gewässer zu renaturieren (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 25). Zudem wird die Aufstellung von Gewässerrandstreifenkonzepten und deren Umsetzung vorrangig gefordert, da „unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen die Gewässerunterhaltung die Einhaltung bzw. Wiederherstellung eines naturnahen Zustandes des Fließgewässersystems zu fördern hat. Dem soll auch die Angliederung von Randstreifen an die Gewässergrundfläche dienen“ (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 74). Die Basis des Biotopverbundsystems der Fließgewässer bildet das niedersächsische Fließgewässerschutzsystem, bei dem ein die Hauptgewässer und die entsprechenden Nebengewässer betreffendes regionales Fließgewässerschutzsystem entworfen wurde. Ausschlaggebend war die regionale Raumbedeutung der Fließgewässer und deren System – Funktionsfähigkeit. Hier sollen vorrangig biotopverbessernde Maßnahmen durchgeführt werden (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 52). Ein Ziel der regionalen Raumplanung bezüglich der Fließgewässer im Landkreis Osterode ist, dass der Abfluß dem natürlichen Abflußgeschehen einschließlich der natürlichen Geschiebeführung möglichst nahe kommen muß. Weiterhin sind die Überschwemmungsgebiete zu reaktivieren. Jedes Gewässer 2. Ordnung soll einen mindestens 5 m breiten Gewässerrandstreifen erhalten. Die als naturnah bestimmten Gewässer sind durch den § 28 NNatG direkt geschützt (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 32). Ebenso ist die Sicherung der Wasserförderung und ihrer Umweltverträglichkeit ein Ziel der regionalen Raumordnung. So ist die Unterwasserabgabe der Talsperren auf die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der gewässerökologischen Funktionsfähigkeit des Unterlaufs auszurichten. Durch Trinkwassertalsperren ist die Wasserführung der Fließgewässer im Unterlauf stark gemindert und verstetigt. Durch entsprechende Festsetzungen in Bewilligungen soll die natürliche Abflußdynamik dieser Gewässer annähernd aufrecht erhalten werden (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 75). Die Maßnahmen zur Sicherung des Hochwasserabflusses beinhalten, dass eine natürliche Hochwasserrückhaltung zu fördern ist und diese Vorrang vor der Errichtung von zentralen Bauwerken und Sperranlagen zur Hochwasserrückhaltung hat. Hierbei sollen die Talsperren im Landkreis Osterode in ihrem Abflußgebiet den überwiegenden Teil der Hochwasserrückhaltung gewährleisten, wobei eine weitere Einengung der natürlichen Überschwemmungsgebiete und Retentionsräume zu unterlassen ist und auf die Rückgewinnung natürlicher Retentionsräume hinzuwirken ist (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 79). Die Überschwemmungsgebiete sind durch Erhaltung und Wiederherstellung von Grünland oder standortheimischem Auwald als natürliche Retentionsräume zu sichern. Die Retention in der Fläche soll durch die Renaturierung der Fließgewässer und durch den Rückbau von Bauwerken im und am Gewässer gefördert werden. Überschwemmungsgebiete sind gemäß § 93 Abs. 1 NWG in ihrer Funktion zu erhalten. Früher überschwemmte Gebiete, die als Rückhalteflächen dienen, sollen soweit wie möglich wiederhergestellt werden. (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 182). In dem Gebiet um den Nussteich sollen möglichst viele Grenzertragsflächen (auch Kleinflächen) aus intensiven Nutzungen entlassen oder von Fehlbestockungen befreit werden, um sie in Kalkmagerbiotope, welche den jeweiligen Standortbedingungen entsprechen zu überführen (z.B. Halbtrockenrasen, mesophile Buchenwälder). Das Ziel ist die Stabilisierung und die langfristige Überlebenssicherung entsprechender Arten- und Lebensgemeinschaften (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 44). Die bisherigen Anstrengungen zur Erfassung und Erforschung der kulturellen Sachgüter im Landkreis Osterode sollen abgesichert und fortgesetzt werden, wobei ein kulturräumliches Hauptgewicht v.a. auf die Bezüge des frühgeschichtlichen Menschen zur Karstlandschaft und auf historische Anlagen der Wasserwirtschaft fällt. Kulturlandschaftsteile sollen für die Öffentlichkeit erforscht und zugänglich gemacht werden. Sie sollen als Zielpunkte in die Konzepte des Fremdenverkehrs und der Naherholungserschließung eingebunden und an das Netz von Wander- und Radwegen angeschlossen werden (Landkreis Osterode am Harz 1999b, 32). Weiterhin sind im RROP zukünftige Nutzungen und erforderliche Pflege-, und Entwicklungsmaßnahmen dargestellt, die im Folgenden beschrieben werden. Die Renaturierung von Gewässern erfordert die Gesamtbetrachtung des Gewässerverlaufs und des gesamten Auenbereichs. Dabei sind die hydrologischen, hydraulischen, morphologischen und bio-ökologischen Merkmale herauszustellen und zu entwickeln. Dies beinhaltet die Reaktivierung des natürlichen Hochwasserrückhaltevermögens der Bäche und Bachauen, die Verbesserung des Niedrigwasserrückhaltevermögens der Auen, die Reaktivierung des natürlichen Stoffrückhaltevermögens der Auen und Bäche, die Wiederherstellung des natürlichen Biotopbildevermögens sowie den Wiederaufbau einer unterschiedlich strukturierten Auenlandschaft. Das vorrangige Ziel dieser Maßnahmen sollte die Erreichung eines Gewässerzustandes sein, der die hydrologischen, hydraulischen und bio-ökologischen Komponenten am besten miteinander verbindet. Das bedeutet eine Initiierung der natürlichen Wassergestaltungskraft und eine Teilrekonstruktion von karstspezifischen Elementen der Gewässer. Bei der Anlage von Gewässerrandstreifen sollten folgende Aspekte grundsätzlich umgesetzt werden. Dazu gehören die Errichtung besonders breiter Randstreifen und die Entfernung der Böschungssicherung bei nicht notwendigen Wirtschaftswegen. Das allgemeine Oberziel bezüglich der Fließgewässer ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines weitgehend naturnah ausgebildeten Fließgewässersystems durch verschiedene Renaturierungsmaßnahmen. Im Einzelnen sind dies: Die Anlage von ungestörten Gewässerrandstreifen mit Hochstaudensäumen und gewässertypischem Gehölzbestand. Hierzu soll entlang der Fließgewässer die Regeneration von ungenutzten Bachauen ermöglicht werden. Durch die Anlage ungestörter Gewässerrandstreifen sollen sich diese Bereiche zu Lebensräumen verschiedener spezialisierter Tierarten entwickeln. Die Sicherung und Neuschaffung von Lebensräumen gefährdeter hygrophiler (feuchtigkeitsliebender) Arten. Erhaltung und Entwicklung temporärer Überflutungsbereiche entlang der Fließgewässer, da nutzungsfreie Randstreifen als wertvolle Rückzugslebensräume spezialisierter, auentypischer Laufkäfer- und Spinnenarten, einzelner hygrophiler Heuschreckenarten, sowie als wichtiger Teil des Sommerlebensraumes verschiedener Amphibienarten und der Ringelnatter gelten. Bei der Anlage von Streichwehren ist zu beachten, dass sie gleichlaufend zur Fließrichtung angeordnet sind. In den Wasserlauf eingebaut, leiten sie einen teil des Wassers in den Nebenlauf ab. Im Landkreis Osterode liegen FFH- Gebiete in Vorranggebieten für die Rohstoffgewinnung. FFH- Gebiete sind nach europäischem Naturschutzrecht als Vorranggebiete für Natur- und Landschaft auszuweisen. Dieser Konflikt enthält raumordnerisch keine eindeutige Festlegung, so dass die Entflechtung der konkurrierenden Nutzungsansprüche durch eine Ergänzung des RROP erfolgen muß, wenn die Abgrenzung der FFH- Gebiete festgelegt worden ist (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 36). Abb.: 80 FFH-Gebiete im Landkreis Osterode am Harz Im Landkreis Osterode gibt es 773 ha Rohstoffsicherungsgebiete, von denen 389 ha (50,4 %) zum Abbau genehmigt wurden, 274 ha dieser Gebiete (35,4%) besitzen abbauwürdigen Gips und Anhydrit wobei 110 ha (14,2%) Fläche ohne förmliche Nutzungsentscheidung existieren (Landkreis Osterode am Harz 1999a, 41).
12.6.3 Zielkonzepte des Landschaftsrahmenplans Osterode
12.6.3.1 Schutz, Pflege und Entwicklung von Landschafts (-bestand) teilen Die Gipskarstlandschaften des Zechsteingürtels müssen geschützt und erhalten werden. Zudem ist das gesamte Zechsteingebiet des Südharzes in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen geeignet, die Anforderungen an ein Biosphärenreservat zu erfüllen. Die folgenden Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen des Landschaftsrahmenplans Osterode beziehen sich auf das Harzvorland, in dem sich das Projektgebiet befindet. Die im Harzvorland vorrangig schutz- und entwicklungsbedürftigen Ökosystemtypen sind naturnahe Quellbereiche und naturnahe Flüsse (besonders schutz- und entwicklungsbedürftige Ökosystemtypen) sowie naturnahe Bäche (sonstige schutzbedürftige, z.T. auch entwicklungsbedürftige Ökosystemtypen) (Landkreis Osterode am Harz 1998, Tab. 18, 266). Unter den Wäldern kommt den Auwäldern entlang der Fließgewässer eine besondere Bedeutung zu. Sie stellen die Waldbiotop-Verbindungslinien zwischen dem Harz und den Wäldern des Harzvorlandes dar. Wo sie fehlen, sollen sie neu begründet werden. Im Rahmen von Renaturierungen sollen Flußauen in aueähnlichen Wald umgewandelt werden. Wo sie vorhanden sind, ist die Bekämpfung von stark ausgebreiteten Neophyten (Springkraut, Gelbweiderich, insbesondere der japanische Knöterich) erforderlich (Landkreis Osterode am Harz 1998, 268). Der Schutz, die Pflege und Entwicklung der Gewässer ist mit den Instrumenten des Wasserrechts umzusetzen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen soll durch die obere und untere Wasserbehörde gewährleistet werden. Bei größeren Maßnahmen ist zu prüfen, ob und in welchem Maße anderweitige Programme ausgeschöpft werden können (Bund, Länder, eventuell auch Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 12 NNatG). Im Landkreis Osterode koordiniert die Wasserwirtschaftsabteilung u.a. die Gewässeraufsicht, Ausbau und Unterhaltung, Anlagen an Gewässern, Überschwemmungsgebiete sowie Gewässerrandstreifen. Dabei stellt die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer nach dem NWG einen Gewässerausbau dar und bedarf der vorherigen Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens. Wenn es sich um einen naturnahen Ausbau bei Teichen oder ähnlichen Ausbaumaßnahmen, die Beseitigung von Bach- und Grabenverrohrungen oder ähnlichen kleinräumigen naturnahen Umgestaltungen handelt, kann anstelle des aufwendigen Planfeststellungsverfahrens mit dazugehöriger Umweltverträglichkeitsprüfung das einfachere Verfahren für eine Plangenehmigung durchgeführt werden. Die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung (Gewässer mit überörtlicher Bedeutung) fällt in den Zuständigkeitsbereich der zu diesem Zweck gegründeten Unterhaltungsverbände; die Unterhaltung der Gewässer III. Ordnung obliegt den Eigentümern oder Anliegern. Maßnahmen in und an Gewässern bedürfen grundsätzlich der Genehmigung durch die Wasserbehörde. Zum Schutz der Gewässer sowie zum Hochwasserschutz sind umfangreiche Gesetzesbestimmungen z. B. für die Errichtung von Anlagen in und an Gewässern und die Freihaltung von Überschwemmungsgebieten oder von Gewässerrandstreifen zu beachten. Fließgewässer mit ihren Quell-, Ufer- und Auenbereichen sind durch naturgemäße Unterhaltung in einem naturnahen Zustand zu erhalten, bzw. auch durch Ausbau dahin zu entwickeln. Auf der gesamten Fließstrecke muß die Wassergüte der natürlichen Wassergüte nahekommen und es dürfen keine unüberwindbaren Wanderungshindernisse für Wassertiere vorhanden sein. Der Abfluß der Gewässer muß dem natürlichen Abflußgeschehen in bezug auf Hoch-, Mittel- und Niedrigwasser entsprechen und der natürlichen Geschiebeführung möglichst nahekommen. Das Gewässerprofil muß auf der gesamten Fließstrecke dem natürlichen Profil möglichst ähneln, lediglich kurze Teilstrecken, die aber für Tiere passierbar sein müssen, können ein naturfernes Profil aufweisen. Gewässer, die diese Kriterien erfüllen, sind durch § 28a NNatG direkt, d.h. ohne besondere Verordnung geschützt. Das gilt auch für einzelne Gewässerabschnitte. Ergänzend zu den Hauptgewässern treten Nebengewässer hinzu. Dies sind die wichtigsten, z.T. noch naturnah erhaltenen Seitengewässer. Ebenso ist ein genereller Schutz der Quellbiotope in § 28a NNatG verankert (Landkreis Osterode am Harz 1998, 270f). Überschwemmungsgebiete sollen in möglichst großem Umfang reaktiviert werden. Sie sollen nach § 93 NWG von einer Bebauung freigehalten werden. Der Uferbewuchs muß auf möglichst langer, überwiegender Strecke dem natürlichen Bewuchs entsprechen. Uferrandstreifen sollen nach § 91a NWG umfangreich entwickelt und gesichert werden. Gesetzliche Überschwemmungsgebiete dienen neben dem Schutz des Menschen auch dem Schutz der Natur bzw. der Aue. Sie sollen durch die obere Wasserbehörde gemäß § 92 NWG neu gesichert oder aktualisiert werden. Hochwasserschutz muß in erster Linie durch Rückstau (Retention) im gesamten Einzugsgebiet eines Gewässers geschehen. Das bedeutet u.a. die Renaturierung begradigter Gewässer oder verrohrter Gewässer, um damit zu längeren Fließstrecken und mehr Volumen zu kommen (Landkreis Osterode am Harz 1998, 272). Nicht befristete Wasserrechte sind so zu beschränken, dass dem Gewässer mindestens soviel seines natürlichen Abflusses verbleibt, dass die Fließgewässerbiozönose erhalten bleibt; aus Talsperren sollen kontrollierte Hochwasserabflüsse ein- bis zweimal jährlich zur Reinhaltung des Gewässers und zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines natürlichen Abflußregimes simuliert werden. Einleitungen müssen so bemessen und überwacht werden, dass in allen Fließgewässern mindestens die Güteklasse I-II (unbelastet bis gering belastet/ gering belastet) dauerhaft, also auch bei Niedrigwasser, erreicht wird. Hierbei darf sich nicht an Mittelwerten orientiert werden, da Lebensgemeinschaften auf die jeweils schlechtesten Werte reagieren. Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung sind u.a. die intensive Klärung von Siedlungs- und Industrieabwässern, keine Genehmigung von Fischzuchtanlagen ohne entsprechende Klär- und Nährstoffentzugseinrichtungen, entsprechende Auflagen für bereits bestehende Fischteiche und keine Förderung von Veredelungslandwirtschaft auf filterschwachen Standorten im Bereich von Flußniederungen oder im Karst (Landkreis Osterode am Harz 1998, 272). Künstliche Störelemente wie Wehre, Sohlabstürze usw. müssen soweit wie möglich entfernt werden. Wo das nicht möglich ist oder zu erheblicher Erosion und Sedimentation führen würde, müssen sie mit Sohlrampen durchlässig gemacht werden. Jedes Gewässer zweiter Ordnung soll gemäß dem Niedersächsischen Wassergesetz (§ 91a NWG) einen 5 m breiten Uferrandstreifen erhalten. Das ist als absolutes Mindestmaß anzusehen, besser wären 10 oder 20 m unter zusätzlicher Einbeziehung der Gewässer dritter Ordnung. Auf diesem Streifen sollte beidseitig ein naturnaher Auwald bzw. Saumwald stocken, soweit nicht bereits ein anderer wertvoller Feucht- oder Naßbereich vorhanden ist. Unterhaltungsmaßnahmen der zuständigen Verbände und der anliegenden Unterhaltungspflichtigen sollten sich auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränken. Für die Umsetzung der Maßnahmen sollte ein Gewässerprogramm aufgestellt und mit Mitteln Dritter in Zusammenarbeit zwischen oberer und unterer Naturschutz- und Wasserbehörde umgesetzt werden.
12.6.3.2 Umsetzung des Zielkonzeptes Für die Umsetzung des Zielkonzeptes durch Schutz, Pflege und Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft stellt das NNatG Instrumente bereit. Die Ausweisung von Schutzgebieten verschiedener Kategorien (u.a. Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, geschützte Landschaftsbestandteile oder besonders geschützte Biotope) obliegt den Naturschutzbehörden. Das bereits bestehende Naturschutzgebiet Weißensee / Steinatal (NSG BR 046) ist ein Gipskarstgebiet mit z.T. wassergefüllten Erdfällen, einem artenreichen Perlgras-Buchenwald, Seggenrieden und Röhrichten. Es ist das einzige echte Blindtal Niedersachsens mit einer Karstquelle, die aus einer Gipswand entspringt. Des weiteren sind die Bachschwinde, der weitgehend naturnahe Bachlauf des Fitzmühlenbachs und das überwiegend naturnahe, häufig trockenfallende Schotterbachbett der Steina mit Auwald kennzeichnend. Die Ziele der Schutzgebietsausweisung sind die Schaffung eines naturnahen kaum genutzten Waldes, eines naturnahe Karstblindtals mit Extensiv – Wiesen und Weiden, eines natürlichen Flußtals und einer Gipssteilkante mit naturnahem Wald und Bachschwinde. Abb.: 81 Schutzgebiete und Schutzgebietskategorien (Landkreis 1 Osterode am Harz 1998, Schutzgebietskarte) Die Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen bzw. die dazu notwendigen Regelungen sind die weitere Zurücknahme der forstlichen Nutzung, der Umbau eingestreuter Fichtenbestände, der Ankauf und Rückbau des Nussteiches zu natürlichem Bachlauf mit Bachschwinde, die Umwandlung der Äcker in Extensivgrünland ohne Düngung, das Fernhalten aller Nutzungen aus dem Steinatal sowie die Rückverlegung der Steina in das Nussteich-Polje (Landkreis Osterode am Harz 1998, 308). Das Landschaftsschutzgebiet Harz mit Erweiterungen bei Nüxei und Tettenborn umfasst den Oberharz sowie den Harzrand mit ihren Hochflächen, Bergen und Talräumen, landwirtschaftlich genutzten Übergangsflächen am Harzrand, Berg- und Talwiesen in der freien Landschaft und um die Ortslagen, naturnahen Fließgewässern, Quellbereichen und Stillgewässern und kulturhistorischen Bergbauelementen. Ziel der Schutzgebietsausweisung ist die Erhaltung und/oder Wiederherstellung der bewaldeten Gebirgslandschaft, von naturnahen Wiesentäler und Bergwiesen, der naturnahen Fließgewässer, Talräume und Quellbereiche, der sonstigen Biotope und Lebensräume der heimischen Flora und Fauna sowie der kulturhistorischen Bergbauelemente als Naturraum und zur ruhigen Erholung. Ein weiteres Ziel ist das Freihalten der Landschaft von Bebauung. Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sind hierbei die extensive Beweidung oder Mahd der Tal- und Bergwiesen, ggf. eine Entbuschung, das Erhalten bzw. Wiederherstellen von Waldrändern, das Verhindern standortfremder Waldbestockung bzw. ein Umwandeln nach Umtrieb, das Verhindern von Bebauung außerhalb der Ortschaften, das Erhalten geomorphologischer oder historischer Besonderheiten, ggf. durch Maßnahmen zur Besucherlenkung sowie eine intensive Zusammenarbeit mit der Forstwirtschaft zur Erhaltung und Entwicklung der verschiedenen Biotoptypen innerhalb und außerhalb des Waldes (Landkreis Osterode am Harz 1998, 311). Kataster VIII gibt eine Übersicht über die im Landkreis Osterode besonders geschützten Biotope (GB) gemäß § 28a NNatG. Zu diesen Biotopen gehören u.a. Quellbereiche, naturnahe Bach- und Flußabschnitte, naturnahe Kleingewässer und Auwälder. Sie werden genauer beschrieben, ihr hauptsächliches Vorkommen im Landkreis und Gefährdungen der Biotope werden dargestellt (vgl. Landkreis Osterode am Harz 1998, 329ff). Eine Maßnahme zum Schutz dieser Biotoptypen ist u.a. die Anlage von mindestens 5m, besser 10 m und mehr breiten Gewässerrandstreifen entlang aller Fließgewässer. Des weiteren sollen keine Ufersicherung mehr durch Wasserbausteine, Sohlschwellen o.ä. im Rahmen der ordnungsgemäßen Gewässerunterhaltung vorgenommen werden, sondern vorausschauende Pflanzmaßnahmen zur langfristigen Ufersicherung mit Erlen (ergänzend auch Weiden). In Einzelfällen ist auch ein Ankauf von Randflächen angezeigt, in denen sich Fließgewässer natürlich entwickeln können. Dadurch wird Lebensraum geschaffen und kleinere Uferabbrüche und Kolke können u.a. als Lebensraum für Uferschwalben gefahrlos entstehen (Landkreis Osterode am Harz 1998, 339). Maßnahmen zum Biotopschutz wirken sich auch positiv auf zu schützende Tierarten (Flußkrebs, Bachneunauge, Bachforelle, Groppe) aus (vgl. ebd., 347f).
12.7 Wasserwirtschaft Die Wasserwirtschaft hat grundsätzlich u.a. dafür zu sorgen, dass die Nutzbarkeit des Naturgutes Wasser nachhaltig gesichert ist (§ 2 NWG und §§ 1 und 56 NNatG). Alle Maßnahmen an Gewässern sind am natürlichen Zustand zu orientieren und nicht an künstlichen Veränderungen der Vergangenheit. Folgende Maßnahmen zur Sicherung der Grundwasserneubildung sind erforderlich. Die Erhöhung des Retentionsvermögens durch Schaffung von Feuchtgebieten, die Wiedervernässung von Flächen sowie die Renaturierung von Bächen, um den Wasserfluß zu verlangsamen und die Speicherfähigkeit des Bodens besser auszunutzen. Wichtig ist hierbei die besondere Berücksichtigung der schwierigen hydrogeologischen Verhältnisse im Zechstein. Bei Maßnahmen an Fließgewässern wird Bezug auf das regionale Biotopverbundsystem Fließgewässer genommen. Die darin enthaltenen Fließgewässer sind bei jeglicher Art von Fördermaßnahmen vorrangig zu berücksichtigen. Die Entwicklung eines Biotopverbundsystems beinhaltet die Renaturierung der Fließgewässer im Landkreis Osterode. Die Anforderungen an die Wasserwirtschaft diesbezüglich sind, dass Gewässerausbauten im Landkreis Osterode generell nicht mehr vorgenommen werden dürfen, wenn sie den Zustand verschlechtern. Gewässerausbauten, die ein Verschlechterung der Natürlichkeitsstufe bewirken sind grundsätzlich zurückzubauen, bzw. in naturnahen Zustand zu versetzen. Vorrang haben dabei Maßnahmen zum Rückbau oder zur Überwindung ökologischer Gewässersperren. Insbesondere Wehre, Sohlschwellen, Uferbefestigungen und Steinschüttungen. Erlen und Weiden sollten als natürliche Ufersicherung gepflanzt werden. Furten sind für Kfz-Verkehr zu sperren. Begradigte Gewässer sind mindestens außerhalb der Ortslagen zu renaturieren, so dass sie innerhalb des Gewässerrandstreifens frei mäandrieren können (§ 91 NWG). Fischteiche sind zu beseitigen, um ökologisch durchgängige Fließgewässer wiederherzustellen. Als Beispiel für eine gelungene Teichrenaturierung gilt das Fitzmühlenbachtal bei Nüxei, wo lediglich der Nussteich als Fischteich noch renaturiert werden soll. Die Wasserregulierung insbesondere an den zwei großen Talsperren Söse und Oder muß einen Abfluß gewährleisten, der bei Hochwasser die typische Dynamik des Flusses zulässt. Die Entnahme von Wasser aus einem Fließgewässer ist generell auf maximal 1/3 des Zuflusses zu beschränken und es muß eine Mindestwasserführung gewährleistet sein (vgl. Kapitel Begründung für die Notwendigkeit einer Gewährleistung der Mindestwasserführung für Fließgewässer). Zur Verbesserung der Wasserrückhaltefähigkeit sind Auwälder, Bäume und Gebüsche gemäß § 93 NWG anzulegen (Landkreis Osterode am Harz 1998, 356). Abb.: 82 Maßnahmen- und Entwicklungsplan (Landkreis Osterode am Harz 1998, Maßnahmen- und Entwicklungsplan, Südostteil)
12.8 Planungsbezogene Leitbilder und Ziele Die Beschreibung der Leitbilder und Ziele für das Harzvorland im vorherigen Abschnitt verdeutlicht bereits die Ziele der Raumordnung des Landes Niedersachsen und des Landschaftsrahmenplanes (LRP) des Landkreises Osterode. Aufbauend auf den Forderungen des LRP und des RROP wird für die Steina das Leitbild eines naturnahen Fliessgewässers formuliert, das die besonderen Gegebenheiten des Karstes und seiner landschaftsprägenden Formen (vgl. Kapitel Beschreibung des Planungsgebietes zwischen Nüxei und Mackenrode) berücksichtigt. Kennzeichnend dafür ist eine hohe Gewässerdynamik, d.h. die Wasserführung des Baches unterliegt den starken jahreszeitlichen Schwankungen, die durch das pluvio-nivale hydrologische Regime herbeigeführt wird. Die Biotope des Fließgewässers und ihrer Auen sind anthropogen weitgehend unbeeinflusst. Karstspezifische Landschaftselemente (u.a. Erdfälle, Schwinden und Dolinen) können sich ungehindert und ihren geologischen Ausgangsmaterialien entsprechend entwickeln. Die Funktionsfähigkeit des Landschaftshaushaltes wird durch ein Gewässer, das diesem Leitbild entspricht, gewährleistet. Vor dem Hintergrund dieses Leitbildes und in Anlehnung an die Zielsetzung des LRP und RROP wird für die Arbeit des Projektes die Wiederherstellung der typischen Karstdynamik als oberstes Ziel gesetzt, was durch die Renaturierung der Steina erreicht werden soll. Maßnahmen für die Umsetzung dieses Zieles sind die Umleitung des Baches in sein altes Bett und damit die Gewährleistung der natürlichen Auendynamik, die Freilegung der Nussteichschwinde sowie die Verbreiterung des Gewässerrandstreifens gemäß den Vorgaben des LRP. Mit der Regulierung eines Fließgewässers ist stets eine ungünstige Veränderung seiner Eigenschaften als Lebensraum zahlreicher Pflanzen und Tiere verbunden. Die Regulierung der Steina in der Vergangenheit verursachte erhebliche landschaftsökologische Schäden, wie zum Beispiel der ökologisch bedenkliche Eingriff in das natürliche Gefüge der Gewässersohle und damit die Vernichtung bedeutsamer Lebensräume für bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Mit der Umverlagerung des Bachlaufes in sein altes Gewässerbett soll die periodische Überflutung der Retentionsfläche westlich des Nussteiches gewährleistet werden. Dem Hochwasserschutzgedanken wird durch diese Maßnahme Rechnung getragen, da die hydrologische Funktion der Steina als Vorfluter erfüllt wird. Die temporäre Überflutung bewirkt außerdem eine positive Entwicklung der Flora und Fauna auf dieser Fläche in Richtung einer artenreichen Aue. Wenn einem Fließgewässer Raum in seiner Aue zugestanden wird, renaturiert es sich quasi von selbst (Steubing et al. 1995, 53). Die Gewährung der Eigendynamik des Fließgewässers entspricht dem konsequentesten Naturschutzgedanken, der Natur ihre Eigenständigkeit zu belassen. Durch die Freilegung der Nussteichschwinde werden weitreichende karsthydrologische Prozesse in der Umgebung wieder mobilisiert. Der Eintritt des Wassers, das derzeit größtenteils durch einen Damm zurückgehalten wird, kann in das verkarstete Gestein wieder erfolgen. Jedes Gewässer zweiter Ordnung soll gemäß dem Niedersächsischen Wassergesetz einen mindestens 5 m breiten Uferrandstreifen erhalten, besser wären 10 oder 20 m. Da die Steina ein Gewässer zweiter Ordnung ist, muss der derzeit zu geringe Gewässerrandstreifen erweitert werden. Auf diesem Streifen sollte beidseitig ein naturnaher Auwald bzw. Saumwald stocken, sofern nicht ein anderer wertvoller Feucht- oder Nassbereich geschaffen wird. Durch diese Maßnahme wird neben der Schaffung wertvoller Lebensräume für Flora und Fauna auch das Stoffrückhaltevermögen reaktiviert, was maßgeblich zur Verbesserung der Wassergüte beiträgt. Die Renaturierung ist in ihren Auswirkungen auf die umliegenden Biotope positiv zu bewerten, gestaltet dieses nicht nur den Lebensraum der Aue, sondern auch eine ökologisch faszinierende und artenreiche Landschaft neu und erhöht deren biologische Bedeutung. Bezüglich der Planung einer Renaturierung der Steina mit angrenzender Aue kann beispielsweise das Phänomen „Bauerngraben“ herangezogen werden (siehe Kapitel Leitbilder für das Harzvorland). Eine Annäherung an dieses Phänomen scheint im Hinblick auf die karstdynamischen Prozesse der Steina und des Nussteiches infolge einer Renaturierung denkbar. Laut LRP sind naturnahe Quellbereiche und Flüsse vorrangig schutz- und entwicklungsbedürftige Ökosystemtypen. Das Bundesnaturschutzgesetz und das Niedersächsische Naturschutzgesetz ordnen für diese Beeinträchtigungen der Biotope Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an. Denkbar ist, dieses Instrument für die Beeinträchtigungen, die durch den Gipsabbau sowie den geplanten Ausbau der B 243n hervorgerufen würden, bezüglich einer Renaturierung der Steina geltend zu machen. Um jedoch einen adäquaten Ausgleich und Ersatz für diese großflächige Boden- und Biotopzerstörung zu gewährleisten, kann eine Renaturierung der Steina nicht als alleinige Maßnahme begriffen werden.
12.9 Planungsrelevante Untersuchungen und Datenerfassung Im folgenden Abschnitt werden einige der für die Planung und Umsetzung notwendigen Untersuchungen dargestellt. Der erste Teil beruht auf der Grundlage des Gewässerunterhaltungsplans des Unterhaltungsverbandes Bode/ Zorge, der bereits 1988 erstellt wurde und einen hilfreichen Beitrag zu der Zustandsbeschreibung der entsprechenden Steinaabschnitte leistet. Ergänzend werden einige Abflussmessungen dargestellt, die jedoch keine repräsentativen Aussagen liefern, da sie nur punktuell durchgeführt wurden, um zumindest einen Annäherungswert für die Abflussmenge im Dezember zu erhalten. Anschließend wird die Notwendigkeit einer Mindestwasserführung in der Steina begründet sowie dessen Ermittlungsmethode erklärt. Im Hinblick auf die Wiederherstellung einer erneuten Hochwasser- und Überschwemmungsdynamik wurde die Speicherkapazität, gestützt auf eine überschlägige Reliefmodellierung des Nussteichgeländes, berechnet. Weiterhin wird auf mögliche Auswirkungen der Steinatalsperre eingegangen, vordergründig auf eine Veränderung der natürlichen Hochwasserdynamik der Steina. Abschließend werden die möglichen Auswirkungen einer Planungsumsetzung auf die weiterführenden Fließgewässer Ichte und Helme beschrieben.
12.9.1 Gewässerunterhaltungsplan Steina Eine Bestandsaufnahme des gesamten Steinaverlaufs wurde 1988 im Rahmen der Erstellung eines Gewässerunterhaltungsplans vom Unterhaltungsverband Bode/Zorge durchgeführt. Im Folgenden wird der Zustand der für die geplante Renaturierungsmaßnahme relevanten Abschnitte des Steinaverlaufs gemäß der Kartierung des Unterhaltungsverbandes Bode/Zorge dargestellt. Streckenabschnitt | 7: Eisenbahnbrücke bis Nüxei (NSG) | 8: Brücke Nüxei (B243) bis zur Furt über die Forststr. im Mackenroder Forst | 9: Furt Mackenroder Forst bis Durchlass unter der Forststr. (Fischteiche) | 10: Druchlass unter der Forststr. Bis Grenze nach Thüringen. Die Steina mündet hier in die Ichte, die die oberhalb liegenden Fischteiche versorgt. | Länge in m | 1820 | 640 | 300 | 810 | Hydraulische Aspekte | Sohlenbreite 3-25m, Böschungshöhe 0.3-2.5m, im oberen Bereich Steilufer nach unten flacher werdend, im mittleren Bereich stark mäandrieren und Bildung großer Kiesbänke, während der Vegetationsperiode fällt die Steina trocken | Sohlenbreite ca. 3m, re. + li. Steilufer (Höhe 1-2m), Sohlenmaterial Geröll mit abgelagerten Lehmbänken, im unteren Teil geht das Profil in eine feuchte Niederung über (kein Profil mehr vorhanden), und fließt kurz vor der Furt wieder in ein Profil zusammen | Sohlenbreite 3-5m, stark wechselndes Profil, abwechselnd re. + li. Steilufer, Sohlenmaterial: Geröll und Lehmbänke, während der Vegetationsperiode fällt die Steina in diesem Abschnitt trocken | Sohlenbreite 3-5m, durch abwechselnd tiefe Kolke und flache Bänke stark wechselnde Fließgeschwindigkeiten, re. + li. überwiegend Steilufer, nach unten zum Teil einseitig abwechselnd flacher werdend. Dieser Abschnitt führt ganzjährig Wasser | Fließgeschwindigkeit | 0.4-0.0 m/sec bei MW | 0 | 0 | 0.8-0.080 m/sec bei MW | Linienführung | Gerade bis bogig | Bogig bis stark bogig | Stark bogig bis geschlängelt | Bogig bis stark bogig | Zustand | Nicht ausgebaut, im unteren Streckenabschnitt mäandernd, Vorkommen größerer Kiesbänke. In den Brückenbereichen (Eisenbahnbrücke, Brücke B243) ist die Sohle befestigt | Nicht ausgebaut | Nicht ausgebaut | Nicht ausgebaut | Vegetationstyp | Bacheschenwald der frischen Ausprägung mit Übergängen zum Hainmieren- Schwarzerlen- Auwald der feuchten Ausprägung. An der Böschung Stieleichen- Ulmen Hartholzaue, sonst wie oben. Artenreicher Hainmieren- Schwarzerlen- Auewald | Waldziest- Hainbuchen- Stieleichenwald, mit Übergängen zu einer feuchten Ausprägung des Bacheschenwaldes. Im unteren Abschnitt geht das Profil in eine sumpfige Niederung über, in der Pestwurz und Binsenarten dominieren | Fichtenreinbestand mit angeflogener Eiche, Buche, Esche und Weichholzarten. Potentiell wäre hier eine feuchte Ausprägung des Bacheschenwaldes bzw. Hainmieren- Schwarzerlen- Auewald vertreten | Im oberen Abschnitt Rückgang der Fichte und Übergang zum Hainmieren- Schwarzerlen- Auewald. Nach 600m grenzt rechts und links Grünland ohne jeglichen Gehölzsaum an | Ökologie Aquatischer Bereich | Ab Abschnitt 5 ist die Steina in den Monaten Mai bis Oktober in der Regel trockenge-fallen, und mündet unterhalb der Fischteiche im Mackenroder Forst in die Ichte, die von da an wieder ganzjährig Wasser führt | Siehe Abschnitt 7 | Siehe Abschnitt 7 | Siehe Abschnitt 7 | Gewässergüte | Der Sauerstoffgehalt beträgt 101% Sättigung, was 14,5 mg/l O2 bei einer Wassertemperatur von 14,2 °C entspricht. Der pH-Wert liegt mit 8,2 im Idealbereich für Fische. Gewässergüte: I,1 (Bereich I,0-I,4 entspricht der Güteklasse 1, unbelastet bis sehr gering belastet) | Siehe Abschnitt 7 | Siehe Abschnitt 7 | Der Sauerstoffgehalt beträgt 91% Sättigung, was 8,8 mg/l O2 bei einer Wassertemperatur von 17,4 °C entspricht. Der pH-Wert liegt mit 7,46 im Neutralbereich. Gewässergüte; I,6 (Bereich I,5-I,9 entspricht der Güteklasse 1-2, gering belastet) | Nutzung | Gehölzstreifen beidseitig von 20-30m Breite, daran direkt angrenzend landwirtschaftliche Nutzflächen. Im unteren Bereich wird das NSG rechts durch die Straße (B243) und dann durch die Ortschaft Nüxei begrenzt, z.T. re.+ li. größere Brachflächen | Links angrenzende Weideflächen, rechts forstwirtschaftliche Nutzung | Rechts und Links forstwirtschaftliche Nutzung | Rechts forstwirtschaftliche Nutzung, links Brache, im unteren Streckenabschnitt grenzt rechts und links Grünland an | Besonderheiten | Im Bereich Eisenbahnbrücke gemauerte Gewässerstufe (Höhe 1.1m), kein Fischaufstieg möglich, am Ortseingang Nüxei befindet sich eine betonierte Furt, der Streckenabschnitt wird unten durch die Brücke der B243 begrenzt | Den unteren Streckenabschnitt begrenzt eine Furt | Im unteren Streckenabschnitt befindet sich ein Durchlass unter einer Forststraße | Ca. 50m hinter dem Durchlass befindet sich eine stark unterspülte Gewässerstufe aus Beton | Schäden | Direkt hinter der Eisenbahnbrücke re. Uferabbruch wegen fehlendem Bewuchs. Im oberen Bereich re. + li. mehre Unterspülungen und Uferabbrüche einige geworfene Bäume liegen quer im Profil, sonst keine Schäden. Häufiges Unterspülen der rechtsseitig verlegten Trink- wasserleitung bei Hochwasser | Entlang des links angrenzenden Grünlandes teilweise starke Ufererosion durch Hochwasser und fehlenden Bewuchs. Mehrere quer über das Profil geworfene Bäume behindern den Abfluss und tragen so zur weiteren Ufererosion bei | Teilweise Unterspülung der Prallufer, da die Fichte streckenweise direkt an der Böschungskante stockt | Vereinzelt Erosionschäden am Ufer durch fehlenden Bewuchs und Unterspülung der Fichte, die z.T. direkt am Böschungsrand stockt. Mehrere geworfene Bäume quer im Profil, die den Abfluss stark behindern und so die Erosion verstärken | Pflege in periodischen Abständen | Nach den §§ 7,8 und 24 Nds. NatSchGes. Sind Eingriffe Handlungen, die das NSG oder einzelne seiner Bestandteile verändern, zerstören oder beschädigen verboten. Pflegemaßnahmen sind hier nicht erforderlich. Die Steina bildet im oberen Abschnitt eine natürliche. Bachaue mit einer üppigen Artenvielfalt, in einem ausgeprägten Profil in dem sie frei mäandert. Hier müssen jegliche Pflege- und Ausbaumaßnahmen unterbleiben | Bepflanzung des Grünlandstreifens mit standort-gerechten Baumarten (Weide, Erle, Esche), um einer weiteren Ufererosion vorzubeugen. Zerschneiden und Entfernen der geworfenen Bäume, um einen Abfluss im Profil zu gewährleisten | Im Zuge einer durchzuführenden Läuterung der re. + li. angrenzenden Fichtendickung sollte die Ficht vom Gewässerrand zurückgenommen werden, um dort eine standortgerechte Flora ansiedeln zu lassen | Die links angrenzenden trockengefallenen Fischteiche sollten als Feuchtbiotope für Amphibienarten erhalten bleiben. Die erodierten Prallufer müssen mit entsprechendem Bewuchs (Erlen, Weiden) gesichert werden | Pflege Einzelmaßnahmen | Direkt hinter der Eisenbahnbrücke sollte, um eine Hinterspülung des Fundamentes zu vermeiden, das Ufer rechts mit Erlenstecklingen oder einer Weidenspreitlage gesichert werden. An der 2. Meßstelle sollte die Wildfütterung und die Anlage eines Wildackers untersagt werden, da hier eine Ausbreitung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen befürchtet werden muss, was langfristig zu einer Veränderung der natürlichen Vegetation führt | Die feuchte Senke, in der sich die Steina streckenweise verliert, bildet zur Zeit ein wertvolles Feuchtbiotop hauptsächlich für Amphibienarten, mit einer interessanten Schilf- u. Sauergras- vegetation. Eine weitere Grünlandnutzung sollte vermieden werden | Zurückdrängen der Fichte zu Gunsten der Laubholzarten | Im oberen Streckenbereich befinden sich zwei trockengefallene Fischteiche die mit Schwertlilie, Rohrkolben, Wolfstrapp, Rohrglanzgras, Sumpfdotterblume und verschiedenen Winkelseggen- u. Binsenarten flächendeckend bewachsen sind. Keine Pflege vorsehen! | Stellungnahme | In diesem Abschnitt (ab Römerstein abwärts), ist im Überschwemmungsgebiet, rechts neben dem Flusslauf etwa 1980 eine Trinkwasserleitung zur Versorgung der Gehöfte in Nüxei durch die Stadtwerke Bad Sachsa verlegt worden. Dies wurde ohne Planfeststellungsverfahren und ohne Genehmigung im NSG Nüxei durchgeführt. Bei Hochwasser im Winter wird diese Leitung häufig freigespült und unterbrochen. Die Stadtwerke Bad Sachsa haben bereits mehrmals nach solchen Schäden durch Aufbringen von Kies die Leitung neu geschützt. Das bedingt jedoch eine Änderung des Abflusses; verbunden mit starker Erosion der aus Grobkies bestehenden Gewässer- Sohle und der seitlichen Uferböschungen. Das ausgeschwemmte Kiesmaterial wird auf dem Streckenabschnitt Straßenbrücke (B243) bis etwa 300m oberhalb der Brücke wieder abgelegt, und muß dort zur Herstellung des Abflussprofils immer wieder neu ausgebaggert werden | | | Durch die oberhalb gelegenen Fischteiche tritt in diesem Abschnitt eine Eutrophierung und Erwärmung des Gewässers ein. Auf der anderen Seite ist durch die Erwärmung ein geringeres Gaslösungsvermögen des Wassers gegeben, wodurch der Sauerstoffgehalt auch auf Grund der fehlenden Turbulenzen absinkt. Dies führt zu einer geringfügigen Artenverarmung in diesem Teilabschnitt. Dennoch sind die Sauerstoffwerte für die hier vorkommenden Fischarten im guten bis sehr guten Bereich | Gewässerprofil | | | | |
Tab.: 5 Maßnahmen (Unterhaltungsverband Bode/Zorge 1988)
12.10 Abflussmessungen Abflussmessung im Fließgewässer Fitzmühlenbach Messstelle: ca. 20 m von Fitzmühlenquelle entfernt Datum: 02.12.2001 Uhrzeit: 13:30 – 15:00 Uhr Wetter: Nieselregen Wassertemperatur: 6°C Elektrische Leitfähigkeit: 1275 µS/ cm (Stufe 2) Sauerstoff: 11,6 mg PH-Wert: 7,5 Uferbewuchs: Bäume, Gras (wenig) Gewässerboden: sandige Sohle
Fließgewässer: Fitzmühlenbach Messstelle: an der Fitzmühlenwand Messpunkt; Durchgeführte Messungen | Abstand vom linken Ufer in Fließrichtung | Messtiefe in 60 % | Umdrehungen der Flügelsonde | Sekunden für die Umdrehungen | Nummer der Flügelsonde | n (Schaufel-umdrehungen pro Sekunde | Mittlere n je Messpunkt | Errechnung der Geschwindigkeit in m pro s | M1 I | 35,5 | 15,6 | 62 | 60 | 3 | 1,033 | 1,050 | 0,2832 | M1 II | | | 65 | | | 1,083 | | | M1 III | | | 62 | | | 1,033 | | | M2 I | 71 | 13,8 | 42 | 60 | 3 | 0,700 | 0,694 | 0,197 | M2 II | | | 40 | | | 0,666 | | | M2 III | | | 43 | | | 0,716 | | | M3 I | 106,5 | 8,2 | 25 | 60 | 3 | 0,416 | 0,406 | 0,136 | M3 II | | | 22 | | | 0,366 | | | M3 III | | | 26 | | | 0,433 | | |
Abflussmessung im Fließgewässer Fitzmühlenbach Messstelle: ca. 15m vor der Mündung in den Nussteich Datum: 02.12.2001 Uhrzeit: 11:00 – 13:00 Uhr Wetter: trocken Wassertemperatur: nicht notiert Elektrische Leitfähigkeit: 1238 µS/ cm (Stufe 2) Sauerstoff: 19,6 mg PH-Wert: 7,5 Uferbewuchs: viel Bewuchs direkt am Rand, Grasartig Gewässerboden: schlammige Sohle Fließgewässer: Fitzmühlenbach Messstelle: Mündung in den Nussteich Messpunkt; Durchgeführte Messungen | Abstand vom linken Ufer in Fließrichtung | Messtiefe in 60 % | Umdrehungen der Flügelsonde | Sekunden für die Umdrehungen | Nummer der Flügelsonde | n (Schaufel-umdrehungen pro Sekunde | Mittlere n je Messpunkt | Errechnung der Geschwindigkeit in m pro s | M1 I | 20,5 | 22,8 | 66 | 60 | 3 | 1,1 | 1,0766 | 0,2899 | M1 II | | | 65 | | | 1,08 | | | M1 III | | | 63 | | | 1,05 | | | M2 I | 41 | 23,4 | 68 | 60 | 3 | 1,133 | 1,1222 | 0,3013 | M2 II | | | 68 | | | 1,133 | | | M2 III | | | 66 | | | 1,1 | | | M3 I | 61,5 | 24 | 95 | 60 | 3 | 1,5833 | 1,5555 | 0,4099 | M3 II | | | 95 | | | 1,5833 | | | M3 III | | | 90 | | | 1,5 | | |
Abflussmessung im Fließgewässer Steina Datum: 01.12.2001 Uhrzeit: 12:00 – 13:30 Uhr Wetter: Nieselregen Wassertemperatur: 5°C Elektrische Leitfähigkeit: 130,5 (Stufe 1) Sauerstoff: gemessen am 02.12.2001: 12,0 mg Gewässerboden: Schotter, Steine; in der Vertiefung an einigen Stellen Sand Fließgewässer: Steina Messstelle: Höhe Nussteich Messpunkt; Durchgeführte Messungen | Abstand vom linken Ufer in Fließrichtung | Messtiefe in 60 % | Umdrehungen der Flügelsonde | Sekunden für die Umdrehungen | Nummer der Flügelsonde | n (Schaufel-umdrehungen pro Sekunde | Mittlere n je Messpunkt | Errechnung der Geschwindigkeit in m pro s | M1 I | 1,02 | 22,8 | 135 | 60 | 3 | 2,25 | 2,26 | 0,5866 | M1 II | | | 134 | | | 2,23 | | | M1 III | | | 138 | | | 2,30 | | | M2 I | 2,03 | 15,6 | 174 | 60 | 3 | 2,9 | 2,95 | 0,7595 | M2 II | | | 182 | | | 3,03 | | | M2 III | | | 175 | | | 2,92 | | | M3 I | 3,05 | 14,3 | 100 | 60 | 3 | 1,66 | 1,724 | 0,4522 | M3 II | | | 104 | | | 1,73 | | | M3 III | | | 107 | | | 1,78 | | | 12.10.1 Begründung für die Notwendigkeit einer Gewährleistung der Mindestwasserführung für Fließgewässer § 1 (1) WHG 1996: „die Gewässer sind als Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Sie sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen einzelner dienen und vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktionen unterbleiben.“ Wird oder soll aus einem Fließwässer dauerhaft Wasser entnommen werden, ist die Ermittlung einer ökologisch begründeten Mindestwasserführung (MWF) nötig, denn diese dient der Sicherung der ökologischen Funktionen des Gewässers wie in §1 WHG gefordert. Wichtige, qualitativ zu berücksichtigende Aspekte bei der Festlegung einer MWF sind die Einflüsse auf die Fischfauna, die Ufervegetation sowie auf den semiaquatischen Bereich und die Aue. Zunächst sollen hier die Auswirkungen des Trockenfallens eines Fließgewässers durch dauerhafte Wasserentnahme dargestellt werden. Des weiteren wird auf die notwendigen Daten für die Ermittlung einer MWF eingegangen. Zuletzt wird in Ansätzen das Habitat- Prognose- Modell, das der Ermittlung der MWF für kleine und mittlere Gewässer dient, vorgestellt und auf die Notwendigkeit der Erfassung einer ökologisch begründeten Mindestwasserführung eingegangen.
12.10.2 Auswirkungen einer dauerhaften Wasserentnahme oder des Trockenfallens auf Gewässerabschnitte „Eine dauerhafte Wasserentnahme an einer Gewässerstrecke verursacht nicht nur innerhalb dieses Abschnittes Veränderungen, sondern wirkt sich auf das gesamte Gewässer aus“ (DVWK, 1999). Zunächst soll hier auf die Vorgänge innerhalb des beeinflussten Gewässerabschnittes eingegangen werden und im folgenden auf die Auswirkungen auf das gesamte Fließgewässer.
Durch die Wasserentnahme verringern sich im Gewässerabschnitt die Wassertiefen und -breiten und somit auch die gesamte benetzte Fläche des aquatischen Volumens. Der Grundwasserspiegel in angrenzenden Auen senkt sich ebenfalls. Es kommt außerdem zu räumlichen und zeitlichen Veränderungen der Strömungsverhältnisse und somit auch zu einer verstärkten Ablagerung von Feinsedimenten und einer Verfüllung des Lückensystems. Durch Veränderungen der physikalischen Eigenschaften des Wassers, wie der Temperatur und des Sauerstoffgehaltes verändern sich die Zusammensetzungen der in diesem Gewässerabschnitt lebenden Tier- und Pflanzenlebensgemeinschaften. Folgende Abbildung zeigt die möglichen Folgen einer dauerhaften Wasserentnahme für die Lebensgemeinschaften eines Fließgewässers auf. Abb.: 83 Auswirkungen und Wechselwirkungen der abiotischen und biotischen Faktoren bei dauerhafter Wasserentnahme (DVWK, 1999)Mögliche Auswirkungen des Trockenfalles eines Abschnittes für das gesamte Gewässer beinhalten die Erwärmung des Wassers und eine schlechtere physikalische Belüftung, die Verschiebung der Zusammensetzung der Fauna hin zu ubiquitär verbreiteten Arten und eine verstärkte organische Belastung unterhalb der Ausleitungsstrecke durch das eingeschwemmte, sauerstoffzehrende Feinsediment. Ein Aufstau oberhalb der Ausleitungsstrecke kann zahlreiche Auswirkungen haben; wie Erwärmung, Veränderung der Zusammensetzung der Biozönose, Rückhalt von Geschiebe oder Feinsedimenten und Zusetzen des Lückensystems. Auch die Lebensgemeinschaften der Ufersäume (Vegetation und Fauna) werden wesentlich vom Abflussgeschehen des Fließgewässers geprägt. Bestimmende Faktoren sind Häufigkeit, Dauer und Zeitpunkt der Überschwemmung sowie die Stärke des Durchflusses und die damit einhergehenden Prozesse von Sedimentation oder Erosion. Werden die Ufersäume nicht mehr regelmäßig überflutet, verlieren sie ihren fließgewässerspezifischen Charakter. Ähnliche Effekte hat die Änderung des Grundwasserabstandes mit der Abflussänderung. Vegetationsfreie Flächen können durch den Rückgang der Wasserführung mit krautiger Pioniervegetation überwachsen und fixiert werden. Sie fallen dann beispielsweise als Brutsubstrat für kiesbrütende Vögel aus (DVWK, 1999) Die Stärke der Auswirkungen der Abflussminderung ist von mehreren Faktoren abhängig, wobei hier die gewässerspezifischen Eigenschaften ausschlaggebend sind. Daher muss eine Mindestwasserführung für jedes einzelne Gewässer bestimmt werden; zudem müssen die jeweiligen Randbedingungen in Betracht gezogen werden. Um die Stärke der Beeinträchtigung bestimmen zu können müssen Informationen bezüglich des Gewässers erhoben werden, die für die Ermittlung der Mindestwasserführung unabdingbar sind. Laut DVWK sind folgende Faktoren von der Stärke der Beeinträchtigung abhängig und müssen daher für die Bestimmung der Mindestwasserführung in Betracht gezogen werden (ebd.): Größenordnung und Art der Wasserentnahme (Dauer, Periodizität, etc.) Wasserbauliche Anlagen, die die Durchgängigkeit beeinträchtigen Faktoren, die im Gewässertyp zugrunde liegen: Natürliche hydrologische Verhältnisse (Zahl und Intensität von Hochwasserereignissen, Dauer der Niedrigwasserperioden) Hydrogeologie Gefälle und Sedimenttransport Substratverhältnisse und Morphologie Empfindlichkeit und Ansprüche der betroffenen Lebensgemeinschaften Faktoren, die sich aus dem aktuellem Zustand des Gewässers ergeben: Strukturvielfalt und Ausbauzustand des Gewässers Existenz und Zustand von Ufergehölzen Veränderungen der natürlichen Substrat- und Transportverhältnisse Andere Nutzungen bzw. Störungen des Gewässers, die die schädigenden Effekte verstärken, bspw. organische Belastungen, Temperaturerhöhung durch Einleitung o.a. Existenz und Eigenschaften von Zuflüssen In erster Linie ruft die Abflussminderung eine geringere Strömung oder ein Trockenfallen hervor und führt zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen für bestimmte Organismen. Daher stellen insbesondere die sohlennahen Strömungsverhältnisse bei der Festlegung der MWF eine Schlüsselrolle zwischen der Abflussänderung und der sich ändernden Besiedlung durch sohlenbewohnende Organismen dar (ebd.). Ableitend daraus sind folgende Arbeitsschritte für die Festlegung der Mindestwasserführung nötig (ebd.): 1.Charakterisierung des Gewässers anhand von Grunddaten (Hydrologie, Geologie, Gewässergüte etc.) 2.Ermittlung der Auswirkung der Abflussänderung auf die Strömungsbedingungen (hydraulisch- morphologischer Teil) 3.Ermittlung des Einflusses der Strömungsbedingungen auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften (biologischer Teil) 4.Prognose der Populationsentwicklung, d.h. der Auswirkung der Abflussänderung auf die Lebensgemeinschaften 5.Bewertung der Entwicklung unter Berücksichtigung von Randbedingungen mit Hilfe ökologischer Kriterien 6.Festlegung der Mindestwasserführung Außerdem sollten die spezifischen Charakteristika des Gewässers ermittelt werden und bei der Auswertung der Ergebnisse mitberücksichtigt werden (ebd.). Hierfür ist eine detaillierte Beschreibung des Gewässerzustandes, anhand einer Fotodokumentation von verschiedenen Abflüssen, sowie eine morphologische Kartierung und die Erhebung von Gewässergütedaten erforderlich. Die Kartierung von Flora und Fauna und die Aufnahme einfacher chemisch- physikalischer Parameter und gewässertypische Besonderheiten sollten ebenfalls vorgenommen werden. Erforderliche Informationen über die bisherige sowie ökologisch begründete MWF an vergleichbaren Gewässern, Gewässerentwicklungskonzepte und-pläne, eine Ermittlung der Abflussganglinie, aus der sich die natürliche Dynamik des Gewässers ergibt, kommen hinzu. Folgendes Ablaufschema stellt nochmals die Arbeitsschritte zur Bestimmung einer MWF auf hydraulisch- morphologischer und biologischer Ebene dar. Abb.: 84 Ablaufschema zur Bestimmung einer Mindestwasserführung auf der Grundlage der Makrozoobenthosfauna (DVWK, 1999) 12.11 Modellansatz: Das Habitat- Prognose- Modell auf der Basis der Halbkugelmethode
Dieses Modell dient der Vorhersage der potentiellen Lebensräume für die Organismen in Abhängigkeit von äußeren Umweltfaktoren. Es wird das Fließgewässerkompartiment „Gewässersohle“ und der Umweltfaktor „sohlennahe Strömung“ betrachtet (ebd.). Über die Kenntnis der sohlennahen Strömung in einem Gewässerabschnitt werden für die an der Sohle lebenden Organismen potentielle Lebensräume prognostiziert. Bei dieser Methode wird das sohlennahe Strömungsfeld ausschließlich über eine Halbkugelverteilung bestimmt. Bei der Anwendung dieser Methode werden Halbkugeln sowohl in einem beeinträchtigten als auch in einem naturnahen Bereich des Gewässers auf der Sohle platziert. Durch die angreifende Strömung erfolgt eine Ausrichtung der Halbkugeln, die auf die Strömungseigenschaften des Gewässers in diesem Bereich schließen lässt. Diese Halbkugelverteilungen können dann mit Präferenzkurven von Organismen, deren Habitatansprüche wesentlich durch die Strömung bestimmt sind, gekoppelt werden und so zur Vorhersage der Individuenhäufigkeiten verwendet werden (DVWK 1999). In diesem Vorhaben wurde eine direkte und auf einfachen Parametern basierende Vorgehensweise gewählt. Da die Halbkugelverteilungen Ausdruck der Wechselwirkungen zwischen abflussabhängiger Strömung und Morphologie einer Gewässerstrecke sind, können morphologische Größen verwendet werden, um auf die Variabilität der sohlennahen Strömungskräfte zu schließen. Gewässer mit ähnlichen morphologischen Eigenschaften weisen eine ähnliche Entwicklung der Halbkugelverteilungen mit dem Abfluss auf (ebd.). Bei der Entwicklung des Modells wurden genau diejenigen morphologischen Parameter erarbeitet, die eine Definition verschiedener Gewässertypen und deren Abgrenzung gegeneinander ermöglichen. Die für die Modellierung erforderlichen morphologischen Parameter werden in der unten aufgeführten Tabelle dargestellt. Tab: 6 Für die Modellierung der Halbkugelverteilungen herangezogene morphologische Parameter (DVWK, 1999) Im Zuge der Entwicklung des Verfahrens konnten nach Erhebung der Daten durch Messung an ca. 30 Ausleitungsstrecken vier Haupttypen von Ausleitungsstrecken unterschieden werden. Hierbei weisen die einzelnen Ausleitungsstrecken innerhalb eines Typs eine ähnliche Entwicklung der Halbkugelverteilungen mit steigendem Abfluss und ähnliche morphologische Eigenschaften auf (ebd.). Die Ausleitungsstrecke ist der Abschnitt des Flussbettes zwischen dem Entnahmebauwerk oder Wehr und der Wiedereinleitung des Triebwassers, also der Abschnitt des Mutterbettes, in dem nur der Restwasserabfluss vorhanden ist. Die vier Haupttypen sind wie folgt charakterisiert (nach DVWK, 1999): Typ I Gewässer mit feinkörnigem Alluvium, die ständig an Geschiebe untersättigt sind und deshalb zu Tiefenerosion tendieren. Kiesig- steiniges Substrat ist auf die wenigen Furtbereiche begrenzt. Furten sind wenige vorhanden, es dominieren die Kolke mit sandiger oder alluvialer Sohle. Typ II Die Anordnungen von Furten und Kolken dominieren in Längsrichtung die Halbkugelverteilungen, jedoch nicht in so ausgeprägter Form wie beim Gewässertypen I. Es handelt sich hierbei um Gewässer, bei denen die Tiefenerosion durch die Ausbildung einer stabilen Deckschicht oder Fels unterbunden wird und deshalb große und tiefe Kolke nicht überrepräsentiert sind. Das Korngrößenspektrum der Deckschicht der Sohle ist einheitlich und kann kiesig oder steinig- blockig beschaffen sein. Typ III Bei den Gewässern dieses Typs handelt es sich um Gebirgsbäche, die durch ein weites Korngrößenspektrum gekennzeichnet sind. Dies führt zu einer hohen Strukturvielfalt, die sich in weiten Halbkugelverteilungen ausdrückt. Bei Gebirgsbächen kann zwischen zwei Typen unterschieden werden. Typ III a sind Bäche mit über einen weiten Abflussbereich stabilen Absturz- Becken-/Kaskaden- systemen. Typ III b hingegen ist gekennzeichnet durch eine relativ bewegliche Sohle bzw. befindet sich im Aufbaustadium der Absturz- Becken- Bildung. Typ IV Hier handelt es sich zum einen um Sandbäche vom Typen IV a, die anhand der Kornverteilungskurve leicht von anderen Gewässern zu unterscheiden sind. Das Korngrößenspektrum ist sehr eng. Rückstaubereiche sind in dieser Art Gewässer nicht vorhanden. Typ IV b bezeichnet Schotterflüsse, die ebenfalls durch ein enges Korgrößenspektrum gekennzeichnet sind. Bei diesen Gewässern ist die Ausbildung von alternierenden Kiesbänken möglich.
12.11.1 Anwendungsbereich des Verfahrens Je nach Zusammensetzung der Biozönose in einem zu untersuchenden Gewässer ist zu entscheiden, ob ein Modell der verschiedenen Ausleitungstypen angewendet werden kann oder ob direkte Messungen der Strömungsverhältnisse vorzuziehen sind. Das Habitat- Prognose- Modell ist entsprechend den zugrundeliegenden Daten auf Gewässer mit den, in der Tabelle aufbereiteten morphologischen Eigenschaften anwendbar (ebd.). Liegen die Daten eines zu untersuchenden Gewässers nicht innerhalb der angegebenen Werte so ist die Anwendung dieses Verfahrens problematisch, da Verfälschungen im Ergebnis auftreten können. Sind die Parameter erarbeitet, so werden sie in ein Ablaufschema eingesetzt, dass nach dem Ausschlussprinzip arbeitet; d.h. je nach Wert eines oder mehrerer Parameter werden unterschiedliche Wege im Schema weiterverfolgt, bis hin zu einer Endaussage, die edv- gestützt weiterverarbeitet wird. Das Programm ordnet dann das Gewässer einem bestimmten Typen zu. Abb: 85 Anwendungsbereich des Habitat- Prognose- Modells (ebd.) Abschließend ist zu erwähnen, dass das Habitat- Prognose- Modell aus mehreren Teilmodellen für die einzelnen Typen von Ausleitungsstrecken besteht. Ein eigens hierfür entwickeltes EDV- Programm führt dann die Zuordnung des zu untersuchenden Gewässers selbst durch. Ein intensive Beschäftigung mit diesem Programm ist daher zur Durchführung der Anwendung unerlässlich. Eine ausführliche Darstellung dessen würde hier jedoch den Rahmen sprengen und sei daher lediglich erwähnt.
12.11.2 Fazit: Bedeutung für die Fließgewässer des Untersuchungsgebietes Die Gewährleistung einer Mindestwasserzufuhr für die Steina scheint unerlässlich, um die aufgeführten negativen Folgen für das Gewässer, sowie für die daran angrenzende Ichte zu vermeiden. Da die Wasserführung der Steina wesentlich die der Ichte bestimmt, ist es hier sehr wichtig ein Trockenfallen der Steina außerhalb ihrer natürlichen Dynamik zu verhindern, da sich dies unmittelbar auf die Ichte und somit auch auf das weitere Gewässernetz (Helme) auswirken würde. Die Festlegung einer Mindestwasserführung für die Steina ist daher unerlässlich und muss unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und der ökologischen Anforderungen von der Ichte geschehen.
12.11.3 Notwendigkeit der Ermittlung einer ökologisch begründeten Mindestwasserführung Ziel ist es, eine Mindestwasserführung zu erhalten, bei der die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers sichergestellt ist. Mit der Halbkugelmethode werden jedoch nur relative und nicht absolute Populationsveränderungen prognostiziert. Über eine Ermittlung der Individuenhäufigkeit für einzelne Arten ist eine Prognose der gesamtbiozönotischen Situation möglich (ebd.). Vor allem für Gewässer der Güteklassen II – III und besser ist eine Ermittlung der ökologisch begründeten Mindestwasserführung durchzuführen. Diese ist demnach auch für die Fließgewässer im Untersuchungsgebiet nach Anwendung des Habitat-Prognose-Modells gefordert. Für die Ermittlung der ökologisch begründeten Mindestwasserführung werden vier Ansätze vorgeschlagen, die unterschiedliche Niveaus in der Auswertung beinhalten. Die Entscheidung, welcher dieser Ansätze verwendet werden soll, ist anhand von ökologischen Kriterien zu treffen (ebd.). Vor allem sollte sich bei der Auswahl der Ansätze an Kriterien wie Gewässergüte und morphologische und biologische Charakteristika des gesamten Gewässers orientiert werden. Für die Gewässer Steina und Ichte liegen folgende Charakteristika vor: Sie sind in ihrer Gewässermorphologie als naturnah oder natürlich, teilweise auch als beeinträchtigt einzustufen und weisen Vorkommen von besonders geschützten Arten und Rote- Liste- Arten auf. Für Gewässer dieser Art werden folgende Ansätze zur Ermittlung der ökologisch begründeten Mindestwasserführung empfohlen (ebd.):
12.11 .4 Gewässerspezifische Ansatz Hierbei erfolgt im einfachsten Fall die Bewertung der Biologie nach Abschätzen der Verhältnisse in einem unbeeinflussten Referenzwasser durch den Vergleich mit der Ausleitungsstrecke bzw. der Strecke mit vermindertem Abfluss. Hierfür werden gefundene Taxa aufgrund ihrer Strömungspräferenz, Ernährungstypen, Habitatpräferenzen, biozönotische Regionen etc. eingestuft und auf Defizite untersucht. Dadurch lassen sich Veränderungen in der Zusammensetzung der Biozönose ermitteln (ebd.). Die Verhältnisse der Parameter in der Ausleitungsstrecke sollten bei ähnlicher Gewässerstruktur dem der Referenzstrecke gleichen. Dann sollte der Mindestabfluss gewählt werden, bei dem die hydraulischen Verhältnisse für alle Strömungspräferenztypen gleichermaßen optimal sind (ebd.).
12.11.5 Artspezifischer Ansatz Ein anderes Bewertungskriterium ist die Gefährdung von im Gewässersystem vorkommenden Arten. In besonderen Fällen kann die Ermittlung aufgrund einer einzelnen besonders schützenswerten Art im Gewässer erfolgen. Unter Umständen sind hier suboptimale Bedingungen für die dominanten standorttypischen Arten in Kauf zu nehmen, um das Vorkommen der bedrohten Art zu fördern (ebd.).
12.11.6 Biozönotischer Ansatz Hier erfolgt die Bewertung der MWF mit Strömungspräferenzen von Arten, die als Repräsentanten für die standorttypische Lebensgemeinschaft und damit für die Sicherung der ökologischen Funktion dienen. Dafür können Leitarten oder auch Charakterarten des untersuchten Gewässertyps herangezogen werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf gewässertypischen und strömungsliebenden stenöken Arten, deren Vorkommen durch die Abflussreduktion gefährdet ist. Der Abfluss, bei dem die hydraulischen Vorraussetzungen zur Sicherung bzw. Wiederherstellung der ökologischen Funktionen noch hinreichend erfüllt sind, ist der ökologisch begründete Abfluss. Oberhalb des Schwellenwertes kommt es durch Veränderung der Lebensräume noch zu einer Zunahmen der Individuenzahlen strömungsliebender Arten und einer Verschiebung der Dominanzverhältnisse (ebd.).
12.11.7 Dynamischer Anteil an der Mindestwasserführung Neben dem nach den bereits beschriebenen Ansätzen festgelegten Abflusswert ist bei der Festlegung der Mindestwasserführung auch über einen zusätzlichen dynamischen Abflussanteil zu entscheiden, der dann in eine Mindestwasserführung für den Jahresverlauf mündet. Im Fließgewässer hat die Abflussdynamik zwei wichtige Faktoren: Bedeutung der ständigen kleinräumigen zeitlichen und räumlichen Dynamik für die Lebensgemeinschaft Bedeutung der Hochwasserdynamik für das Freihalten des Lückensystems und die Bettbildung So richtet sich der dynamische Anteil nach den natürlichen hydrologischen Verhältnissen, im Besonderen nach dem Zeitpunkt von Hochwasser und der Dauer von Niedrigwasserperioden. Im Wesentlichen sollen sich in der Mindestwasserführung die natürlichen jahreszeitlichen Schwankungen der Abflussverhältnisse im verkleinertem Maßstab wiederspiegeln. Sie sind ökologisch nur wirksam, wenn sie zu einer Veränderung der benetzten Fläche und der lokalen Strömungsgeschwindigkeiten führen. (DVWK ,1999)
12.11.8 Zusammenfassung Durch die Ergebnisse des Habitat- Prognose- Modells und der Ermittlung der ökologisch begründeten MWF für Steina und Ichte können optimale Bedingungen für die in den Gewässern lebende Flora und Fauna ermittelt werden. Für die Planung der Renaturierung des Fließgewässers Steina und seiner Aue sind diese Daten zu erstellen und mit einzubeziehen.
12.12 Erfassung der Speicherkapazität der Überschwemmungsfläche des Nussteichgeländes Im Zuge der Renaturierung der Steina soll auch das alte Flussbett wiederhergestellt werden. Dieses mündete in die Fläche westlich des Nussteiches, die ursprünglich die Funktion einer Überschwemmungsfläche besaß. Diese Funktion soll ebenfalls wiederhergestellt werden. Daher muss festgestellt werden, ob die Überschwemmungsfläche genügend Speichervolumen besitzt, um die jährlich anstehenden Hochwässer der Steina aufnehmen zu können. Der Schutz der B 243 vor Überflutung muss hier ebenfalls gewährleistet werden. Um eine Berechnung durchführen zu können, war es nötig, die Fläche zu vermessen, um sowohl deren Größe sowie die Höhe des Dammes an der B243 als auch den tiefsten Bereich der Fläche ermitteln zu können, der in der Berechnung als Nullpunkt dient. Bei der Berechnung wurde schematisch vorgegangen und die komplette Fläche westlich des Nussteiches isoliert betrachtet. Das Volumen des Nussteiches, sowie das des tieferliegenden Bereiches um den Fitzmühlengraben wurden nicht miteinbezogen. Daher wird davon ausgegangen, dass bei erheblichem Hochwasser der Nussteich, sowie die Fläche um den Fitzmühlengraben den gleichen Wasserstand aufweisen werden wie die restliche Überschwemmungsfläche. Diese Möglichkeit ist gegeben, da das gesamte Gebiet von Hängen (Hangwäldern) umgeben ist. Für geringe Hochwasserstände ist der Damm vor dem Nussteich als Begrenzung für die Aufstaukapazität anzusehen. Die Versickerungsleistung des Bodens wurde außer acht gelassen, wodurch die reelle gesamte Speicherleistung der Fläche etwas höher liegen wird als in den Berechnungen erfasst. Die Berechnungen ergaben, dass die Fläche des Überschwemmungsgebietes 40 000 m² beträgt. Bei kleinen Hochwassern beträgt die mittlere Höhe (MH) der Fläche ca. 19 cm, was auf eine Speicherkapazität bis zur Höhe des Nussteichdammes von 7600 m³ schließen lässt (siehe Skizze). Dabei ist nicht die vollständige Fläche des Überschwemmungsgebietes ausgeschöpft, sondern lediglich ca. 1/5 dessen; aus diesem Grund kann dies als minimales Volumen (Volumen Min) bezeichnet werden. Betrachtet man nun die Höhe des Dammes an der B 243 (2,05 Meter) als höchste Begrenzung für starke Hochwässer, so liegt die mittlere Höhe bei 1,025 m und die Wasserspeicherkapazität, Volumen max, der Fläche beträgt 41 000 m³. Hier ist das minimale Volumen miteingeschlossen. Die Fläche ist also in der Lage mindestens 41000 m³ Wasser aufzunehmen. Diese Information ist mit mehrjährigen Abflussdaten der Steina bei Hochwasser zu vergleichen und es ist festzustellen, ob der Abfluss der Steina ein Volumen dieser Größe übersteigen könnte. Ist dies nicht der Fall, so ist gewährleistet, dass die Überschwemmungsfläche ihre Funktion erfüllt. Übersteigt der Abfluss der Steina dieses Volumen, so sollte die Retentionsmulde mit einem Überlauf versehen werden, der es ermöglicht, dass das überschüssige Wasser aus der überstauten Fläche wieder in das Flussbett gelangen kann. Somit ist auch eine Hochwassersicherheit der B243 gewährleistet. In der folgenden Abbildung ist das Fassungsvermögen der Retentionsmulde nochmals zur Verdeutlichung dargestellt.
Abb.: 86 Schnitt durch die Retentionsfläche mit Nussteich und Darstellung der Aufnahmekapazitäten, Volumen Max und Min, der Überschwemmungsfläche 12.13 Die Auswirkung der Steinatalsperre auf Steina, Ichte und HelmeTalsperren sind künstliche oberirdische Gewässer, die durch den Bau von Staudämmen oder Staumauern in Bach- oder Flußläufen entstehen. Sie haben vielfach eine Mehrfachfunktion. Sie vermeiden Hochwässer, erhöhen die Mindestwasserführung und stellen Rohwasser für Trinkwasser zur Verfügung. Welcher Entnahmeanteil für Versorgungszwecke möglich ist, wird in einem Bewirtschaftungsplan festgelegt. Während für die Trinkwasserversorgung und die Gewährleistung eines stetigen Abflusses die Talsperren möglichst gut gefüllt sein sollten, ist für den Hochwasserschutz eine geringere Füllung günstig. Die Errichtung und der Betrieb einer Talsperre bedeuten einen starken Eingriff in den Wasserhaushalt eines Gebietes. In Abhängigkeit von dem Zweck einer Talsperre wird das in einem Tal abfließende Wasser über Tage, Wochen, Monate oder Jahre hinweg gespeichert und entsprechend den Anforderungen kontinuierlich oder zu bestimmten Zeiten in das Unterwasser abgegeben. Nach dem Niedersächsischen Wassergesetz sind Wasserspeicher mit einer Dammhöhe >5m und einem Speicherinhalt > 100000 m³ als Talsperren definiert. Die Talsperren in LK Osterode sollen in ihrem Abflussgebiet den überwiegenden Teil der Hochwasserrückhaltung gewährleisten. Die bewilligte Fördermenge für die Steinatalsperre beträgt 567000m³/a, gefördert werden jedoch nur 42000 m³/a. Das gespeicherte Wasser dient der Verwendung als Trinkwasser. Talsperren sind als besonders schwerer Eingriff in die Fließgewässerdynamik anzusehen. Sie lassen periodische Überflutungen nicht mehr in ihrem ursprünglichen Maße zu. Durch die Trinkwassertalsperre ist die Wasserführung im Unterlauf der Steina stark gemindert und verstetigt. Folge ist die völlige Umwandlung des Gewässermittellaufs der Steina in ein stehendes Gewässer, die Trennung von Unterlauf und Oberlauf. Die dadurch bedingte Behinderung des natürlichen Wasserabflusses bewirkt eine drastische Verarmung des Artengefüges innerhalb und unterhalb der Talsperre. Die Fließgewässerfauna verschwindet zugunsten einer sehr artenarmen Gemeinschaft von Ubiquisten. Auch die Einschränkung von flächigen Ausuferungen des Gewässers trägt zur Veränderung der an feuchte bis nasse Standorte angepasste Pflanzengesellschaften sowie zum Rückgang spezialisierter Tierarten bei. Durch die Grundwasserabsenkung und das Ausbleiben der Hochwasserdynamik verlieren charakteristische Strukturen wie Auwälder an wert. (Landkreis Osterode am Harz 1998, 55). Aus Sicht des Unterhaltungsverbandes Bode /Zorge ist die Steina als ein kritisches Gewässer zu betrachten, da die Steinatalsperre die Sedimente zurückhält und damit die natürliche Dynamik des Sedimenttransportes im Unterlauf verhindert wird. Durch den mangelnden Geschiebetransport durch die Staumauer ist die Steina im Oberlauf stark V- förmig eingeschnitten, was dort zu einer Erosion im Bachprofil führt (Unterhaltungsverband Bode/Zorge 1988). Durch die Talsperre kommt es auch zu einer Reduzierung der Mindestwasserführung, wodurch die Steina sowohl in ihren hydrologischen Eigenschaften als auch in ihrer gewässermorphologischen Entwicklung beeinflusst wird. Diese Verringerung des Abflusses führt bspw. im Gewässer zu geringerer absoluter Nährstoff- und Sauerstofffracht. Hinzu kommen geringere Wassertiefen und/oder –breiten sowie eine Verringerung der Strömung. Außerdem wird die Durchgängigkeit des Gewässers beeinträchtigt (DVWK 1999). Auf weitere möglichen Folgen der reduzierten Mindestwasserführung auf Gewässer und deren ökologische, biologische, morphologische und hydrologische Eigenschaften wird nochmals im Kapitel „Begründung für die Notwendigkeit einer Gewährleistung der Mindestwasserführung für Fließgewässer“ explizit eingegangen. Die Reduzierung des Abflusses der Steina hat auch eine geringere Wasserzufuhr in die Ichte zur Folge und beeinflusst somit auch das Abflussgeschehen dieser. Vermutlich werden vor allem während der Hochwasserperioden die Abflüsse drastisch vermindert sein, so dass eine Hochwasserdynamik weder in der Steina noch in der Ichte gewährleistet ist. Es scheint als würde dadurch auch die Mindestwasserführung der Ichte beeinträchtigt. Wie stark die Auswirkungen der Talsperre auf die Gewässerfunktionen sind, kann aufgrund nicht ausreichender Untersuchungen nicht genau abgeschätzt werden; solche Untersuchungen sind jedoch von erheblicher Wichtigkeit.
12.14 Auswirkung der Umsetzung auf Ichte und Helme Im Hinblick auf eine Renaturierung der Steina hin zu ihrem ursprünglichen Verlauf bedarf es einer weitergehenden Untersuchung des mit ihr verbundenen Fließgewässernetzes im Unterlauf. In diesem Fall wären von einer Umsetzungsmaßnahme direkt die Ichte und Helme betroffen. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit ein Abzweig von Wasser aus der Steina für eine Wiedervernässung des Nussteichgeländes Auswirkungen auf die Gewässermorphologie und andere ökologisch wertvolle Kriterien eines naturnahen Fließgewässers nach sich zieht. Ein besonders wichtiger Aspekt ist der Erhalt einer Mindestwasserführung der Steina (vgl. Kapitel Begründung für die Notwendigkeit einer Gewährleistung der Mindestwasserführung für Fließgewässer) und somit ein Vermeiden des periodischen Trockenfallens einiger Gewässerabschnitte. Die weiterführenden Gewässer der Steina (Ichte und Helme) müssen auch zukünftig in ihrem naturnahen Abflussverhalten unter Gewährleistung einer Mindestwasserzufuhr unterstützt werden. Gewässeraufnahmen des Helmeverlaufes im Januar 2002 lassen darauf schließen, dass die Gewässer Ichte und Helme schwankende Wasserstände aufweisen. Es handelt sich demnach hier um ein natürliches, dynamisches Abflussverhalten, welches durch eine Renaturierungsmaßnahme der Steina im Bereich Nüxei nicht beeinträchtigt werden sollte. Die derzeitige Fischteichkette der Ichte liegt oberhalb des Mündungsbereiches der Steina und bleibt somit unberührt. Ergänzend und im Rahmen einer konsequenten Renaturierung sollte jedoch auch ein Rückbau dieser künstlich angelegten Teiche erfolgen, da sie derzeit die Ichte in ihrem durchgängigen Abflußverhalten stark beeinträchtigt und kein natürliches, ursprüngliches Fließverhalten zulassen. Die bisher beschriebenen Aspekte und Untersuchungen decken lediglich einen Teil des Untersuchungsrahmens ab. Sie sollten bei der Umsetzung dringlichst berücksichtigt und durch umfassende weiterführende Untersuchungen ergänzt werden, um so die Vollständigkeit der Planung zu gewährleisten (vgl. Kapitel Zusätzliche Datenerfassung).
12.15 Umsetzungsvorschlag
12.15.1 Allgemeine Darstellung des Vorhabens Im Rahmen einer Wiederherstellung der ursprünglichen Karstdynamik im Bereich Nussteich ist es unabdingbar, in Form von Renaturierungsmaßnahmen eine Initialzündung für die Umlenkung der Steina in das alte Flussbett durchzuführen. Nach eingehender Betrachtung des derzeitigen Steinaverlaufes und des umliegenden Geländes bietet sich ein Teilbereich des Gewässers aufgrund der Gewässerführung, der Uferbeschaffenheit und der relativ geringen Distanz zum alten Flußbett besonders für die Umlenkung bzw. den Abzweig von Wasser in den ursprünglichen Verlauf an. Abb.: 87 Ausgangslage Abb.: 88 Steinabett mit Wehrbereich An dieser Stelle kann unter Berücksichtigung der ingenieurbiologisch möglichen Bauweisen ein Streichwehr eingesetzt werden, wobei der Eingriff in Natur und Landschaft so gering wie möglich gehalten werden muss. Das Streichwehr sollte so eingebaut und konstruiert werden, dass eine ökologisch notwendige Niedrigwasserzufuhr in die Ichte und demnach auch in die Helme weiterhin gewährleistet wird. Ziel der Umleitung ist es unter anderem, gemäß § 93 NWG, eine Überschwemmung der gesamten Fläche westlich des Nussteiches wieder zu ermöglichen. Nur so können sich die urspünglich karstdynamischen Prozesse sowie eine entsprechende Vegetation wieder neu entwickeln. Die Gewährleistung eines Überlaufes vom alten Steinaflussbett auf die restliche Retentionsfläche muss in diesem Zusammenhang auch in Betracht gezogen werden. Das Abflußverhalten der Steina wird derzeit durch die Talsperre im Oberlauf beeinträchtigt, was sich vor allem auf die Zusammensetzung des Artengefüges auswirkt. Daher ist es notwendig, eine Mindestwasserzufuhr bezüglich Häufigkeit und Intensität der Hochwässer für den Unterlauf zu gewährleisten. Die Talsperre muss in ihrer Hochwasserrückhaltefunktion gemindert werden, d.h. sie muss eine notwendige Mindestmenge an Hochwasser weiterhin in die Steina leiten, um das natürliche Abflußregime so naturnah wie möglich zu simulieren. Grundsätzlich sollte die Talsperre auch keine Beeinträchtigungen auf die Mittel- und Niedrigwasserabflussgeschehen ausüben. Eine Größenordnung der notwendigen Wassermengen für die Überschwemmung des Nussteichgeländes geht aus den überschlägigen Berechnungen der Staukapazität des Geländes hervor (vgl. Kapitel Erfassung der Speicherkapazität der Überschwemmungsfläche des Nussteichgeländes). Sie sind grundsätzlich als grobe Schätzungen anzusehen, die in erster Linie für den Erhalt des Hochwasserschutzes für die anliegende B243 erstellt wurden. Sollte ein Hochwasser über diese Mengen hinaus die Steina beliefern, so sollte ein Rücklauf in den jetzigen Steinaverlauf die überschüssigen Wassermengen in die Ichte weiter transportieren. Abb.: 89 Renaturierungsbereich Steinaaltarm 12.15.2 Minimal- und Maximal-Varianten Im folgenden sollen zwei konkretere Umsetzungsvorschläge geliefert werden. Beide Varianten haben grundsätzlich zum Ziel, die ursprünglichen Verhältnisse der Karstdynamik durch den Einbau eines Streichwehres im jetzigen Steinaverlauf neu zu initiieren. Sie unterscheiden sich jedoch in den Ausmaßen des Eingriffes und den zu erwartenden Auswirkungen.Die Minimalvariante beschränkt sich auf den notwendigsten Eingriff zugunsten einer Renaturierung. Um dem alten Steinabett wieder Wasser zuzuführen, kann ein Streichwehr an der Biegung des Baches eingebaut werden (siehe Abb. 89 Renaturierungsbereich Steinalatarm). Das Streichwehr sollte gleichlaufend zur Fließrichtung angeordnet werden. In den Wasserlauf eingebaut, leitet es einen Teil des Wassers in den noch auszuhebenden Nebenlauf ab. Eine Mindestwasserführung durch die Steina muss für die Ichte jedoch immer durch das Wehr gewährleistet sein, d.h. nur überschüssige Wassermengen werden in den Nebenlauf abgeleitet. Der jetzige linke Uferverlauf der Steina deutet ein Prallufer an, was den Einbau des Wehrs in seitlicher Böschung und das Umleiten in den Nebenlauf an dieser Stelle aus strömungsbedingten Gründen begünstigt. Für den Einbau eines Streichwehres stehen hier eingegrenzt durch jeweils ein zu erhaltenes Gehölz entlang des Steinaufers ca. 8,5m zur Verfügung. Für eine genauere Beschreibung der "Baumaßnahme Streichwehr", inklusive Baumaterial, Erdaushub und technischen Angaben bedarf es weitgehender Informationen bezüglich der repräsentativen Steinaabflüsse, da das Wehr in erster Linie danach dimensioniert werden muss. Der Gewässerrandstreifen erfüllt mit einer Breite von ca. 2-4m auf beiden Seiten nicht die Forderungen des LRP. Im Zuge einer Renaturierung sollte der Gewässerrandstreifen auf eine Breite von 10m ausgeweitet und gemäß §91a NWG umfangreich gesichert und entwickelt werden. Im Bereich des Wehrs muss die aufgeschüttete Böschungssicherung entfernt werden. Ein naturnaher Auwald, sowie die Anpflanzung von Erlen und Weiden als natürliche Ufersicherung sind gemäß § 93 NWG hier anzustreben. Weiterhin bietet ein ausreichend breiter Uferrandstreifen wertvollen Lebensraum für spezifische Flora und Fauna. Die Ansiedlung hygrophiler (feuchtigkeitsliebender) Laufkäfer, verschiedener Schnecken-, Heuschrecken-, Schmetterlings- und Spinnenarten wird somit gefördert. Durch eine Regeneration von Bachauen werden die Entwicklung und Erhaltung ungestörter Hochstaudenfluren mit angrenzenden blütenreichen Feuchtbrachen gefördert sowie die Lebensräume sämtlicher hygrophiler Arten gesichert. Darüber hinaus stellen ungestörte Gewässerrandstreifen und ihre Auen grundsätzlich ein bedeutendes Element des Landschaftsbildes dar. Der parallel zum Fließgewässer angelegte Land- und Fußweg muss für die Etablierung des Uferrandstreifens zur Verfügung gestellt werden und aus jeglicher Nutzung ausgenommen werden. Die Umlenkungsstrecke hin zum alten Steinabett beträgt ca.10m. Sie würde den bisher angelegten Fußweg kreuzen und auch den Landweg in Richtung nördlicher Anhöhe unzugänglich machen (siehe Abb.89 Renaturierungsbereich Steinalatarm). Der Höhenunterschied zwischen jetziger Steinaflußsohle und der Mulde des alten Steinaflußbettes beträgt an der voraussichtlichen Schnittstelle nur wenige Zentimeter, nimmt jedoch im Verlauf des alten Flußbettes zu. Folgende Maßnahmen sind bei der Wiederherstellung des alten Flussbettes durchzuführen (vgl. Busch 1965). Nach einer Wasserfüllung der alten Steinamulde sollte die Überschwemmung durch einen Überlauf im östlichen Teil der Mulde auf die große Fläche westlich des Nussteiches ausgeweitet werden. Es ist zu erwarten, dass bei Hochwasserereignissen der Fitzmühlenbach auch entsprechende Wassermengen in Richtung Nussteich transportiert. Demnach wäre eine Überschwemmung des Nussteichgeländes aus zwei gegenläufigen Richtungen gewährleistet, wobei sich die Aufstaurichtung nach Westen hin beläuft. Aufgrund des Geländereliefs würde das Wasser jedoch lediglich bis ca. 2/3 der Fläche gen Westen ansteigen, denn eine Anhöhe auf der Fläche parallel zur B243 erfüllt hier die Funktion eines Damms. Durch die Überschwemmung der Fläche westlich des Nussteiches wird eine große Retentionsfläche wiederhergestellt. Die Randbereiche dieser temporären Überflutungsfläche würden wertvolle Rückzugslebensräume für spezialisierte hygrophile Arten sowie bedeutsame Sommerlebensräume für verschiedene Amphibienarten und die Ringelnatter darstellen. Der Nussteich, als eigenständiges Biotop, bleibt bei der Minimalvariante unberührt. Im Rahmen einer ganzheitlichen Renaturierung sollte das komplette Gelände um den Nussteich aus jeglicher Nutzung (Grünland, Fischerei) ausgenommen werden, denn dies entspricht dessen ursprünglichem Zustand. Die Maximalvariante beinhaltet alle Maßnahmen und Planungen der Minimalvariante, wird jedoch durch einige weiterführende Eingriffe ergänzt. Diese haben zum Ziel, konsequent den ursprünglichen Zustand auf dem Nussteichgelände wiederherzustellen. Das bedeutet, dass über die Umlenkung der Steina inkl. Einbau der Überläufe hinaus, die Nussteichschwinde wieder freigelegt und die natürliche Vorflut der Steina in die Nussteichschwinde wiederhergestellt werden soll. Der derzeit künstlich aufgeschüttete Damm am Fuß der Gipsfelswand sollte rückgebaut werden. Nur so kann ein Verschwinden des Wassers in den ober- und unterirdischen Karstgängen des Gipsgesteins erneut in vollem Ausmaße gewährleistet werden. Es können jedoch derzeit keine Aussagen über die Auswirkungen der Herstellung dieser ursprünglichen Verhältnisse getroffen werden. Die Anzahl sowie die Größe der Schwinden in der Gipsfelswand sind nicht eindeutig nachzuvollziehen und werden sich voraussichtlich im Laufe der Zeit in ihrem Zustand und Verhalten ändern. Dennoch ist die Wiederfreilegung der Nussteichschwinde ein erstrebenswertes Ziel im Hinblick auf eine komplette Rückführung hin zu den damaligen karsthydrologischen Verhältnissen. Weiterhin ist es anzustreben, die gesamte Fläche des Nussteichgeländes, d.h. bis hin zur westlichen Begrenzung durch den Damm an der B243 zu überschwemmen. Um in diesem Falle den Hochwasserschutz für die Bundesstraße weiterhin zu gewährleisten, wäre eine Erweiterung des Erdwalls für das Teilstück im Bereich der derzeitigen Geländeauffahrt bis hin zur Brücke der Steina notwendig. Das Geländerelief gewährleistet in diesem Fall ein Zurückfließen des überschüssigen Wassers in die Steina und somit eine weitere Speisung der Ichte. Abb.: 90 Fotomontage der renaturierten Steina im Bereich des Streichwehrs Abb.: 91 Grobskizze zu der Minimal- und Maximalvariante 12.16 Zusätzliche DatenerfassungSowohl für die Minimalvariante als auch die Maximalvariante wird die Erhebung verschiedener Daten benötigt, die im Rahmen dieses Projektes nicht im erforderlichen Umfang erfolgen konnte. Da die vorhandene Literatur z.T. veraltet ist, ist an vielen Punkten eine erneute Datenaufnahme nicht nur wünschenswert sondern gar notwendig. Generell wäre eine Orientierung an den bereits umgesetzten Renaturierungsmaßnahmen Springwiese (in unmittelbarer Nähe zum Nussteich) oder an der natürlichen Entwicklung des Bauerngrabens sinnvoll. Die Veränderungen, von denen das Gebiet betroffen sein wird, sind zudem in der Karte 95 „Darstellung der Auswirkungen auf das Gebiet und Umgebung“ dargestellt. Diese vermittelt einen Überblick der im Text dargestellten Renaturierungsmaßnahmen, die Veränderungen des Wasserhaushalts, geplante Baumaßnahmen, gebietsübergreifende Auswirkungen sowie noch fehlende Informationen.
12.16.1 Die Steina Für die Steina - wie auch für Ichte und Helme - empfiehlt sich eine genaue Strukturkartierung, um die Ökomorphologie, die ökologische Gestalt der Gewässer, aufzunehmen und zu bewerten. Das Gewässer wird dabei in Abständen von 100 m untersucht. Die Bewertung der Gewässerbettdynamik erfolgt durch die Erfassung der Linienführung, des Uferverbaus, der Querbauwerke sowie von Gehölzsaum und Ufergehölzen. Für die Charakteristik der Auendynamik sollten Hochwasserschutzbauwerke, Überschwemmungshäufigkeit, Auennutzung und Uferstreifen kartiert werden (Frimmel, 1999, 191). Ergänzt werden kann die Strukturkartierung durch die Erfassung der Ufer- und Flussvegetation (einschließlich der Biotoptypen) sowie der dort siedelnden bzw. dieses Gebiet nutzenden Fauna. Besonders hervorzuheben sind hierbei auch die Arten der sog. Roten Liste, welche den hohen Wert eines Biotops unterstreichen. Des Weiteren werden Informationen bezüglich des Abflussverhaltens benötigt, welche den jährlichen Zyklus der Hochwasserperiodik deutlich darstellen. Für die Steina liegen dem Unterhaltungsverband Bode/Zorge bereits Abflussdaten aus dem Jahr 1988 vor. Diese konnten jedoch nur begrenzt für die Planung des Projektes genutzt werden; es bedarf daher einer erneuten Datenerfassung. Da der ursprüngliche Steina-Abfluss durch das Trinkwasserreservoir beeinflusst wird, sollte die Aufstauung von Wasser in der Talsperre auf ein Minimum beschränkt werden, um so einen möglichst naturnahen Abfluss in der Steina zu gewährleisten. Die Erstellung eines Betriebsplans der Trinkwassertalsperre, welcher gleichzeitig Informationen zum Abfluss in die Steina beinhaltet, wäre wünschenswert. Vor der Umsetzung dieser Planung ist zu prüfen, inwieweit der derzeit durch die Steina gewährleistete Zufluss zur Ichte reduziert werden kann, ohne sein Ökosystem nachhaltig zu schädigen. Diese ökologisch notwendige Niedrigwasserzufuhr, die sog. Mindestwasserzufuhr, der Steina zur Ichte und weiterführend zur Helme hin sollte gewährleistet werden. Das die Mindestwassermenge übersteigende Wasser soll mittels eines Streichwehrs in die Nussteichsenke geleitet werden. Informationen über den Abfluss der Steina dienen somit sowohl zur Prognose von Entwicklungen des geplanten Projekts als auch zur Wahl und Dimensionierung der entsprechenden ingenieurbaulichen Maßnahmen (vgl. Punkt Ingenieurbiologische Baumaßnahmen).
12.16.2 Ingenieurbiologische Baumaßnahmen Zur Umsetzung der Planung wird die Möglichkeit eines Streichwehrs genauer erläutert. Es fehlen noch verschiedene Angaben, die Rückschlüsse auf die Dimension des Wehrs oder dessen Konstruktion zulassen. Des Weiteren fehlen Informationen über die mit der Renaturierung verbundenen Baumaßnahmen, wie bspw. Erdmassentransport oder Regulierbarkeit des Wehres. Ingenieurbiologische bzw. -technische Alternativen, durch die eine ähnliche Wirkung erzielt werden könnten, bedürfen genauerer Untersuchungen.
12.16.3 Die Ichte In einigen Monaten des Jahres wird der Unterlauf der Ichte durch den saisonalen Abfluss der Steina mit zusätzlichem Wasser gespeist. Wie bereits beschrieben wird diese Wassermenge als Mindestabfluss bezeichnet, dessen Einleitung in die Ichte ungeachtet der Veränderungen der Steina zu erfolgen hat. Hierzu werden umfangreiche Daten des Ichte-Abflusses benötigt. Möglicherweise lässt eine Datenerfassung vor und nach der Mündung der Steina Aufschlüsse über die tatsächlichen Auswirkungen des Steina-Abflusses auf die Ichte zu. Des Weiteren wird eine Strukturkartierung einschließlich einer Erfassung von Fauna und Flora der unmittelbaren Umgebung der Ichte - wie sie bereits für die Steina vorgeschlagen wurde - benötigt.
12.16.4 Der Fitzmühlenbach Der Fitzmühlenbach, der dem Karst nahe der dem Nussteich gelegenen Fitzmühlenquelle entspringt, wird hauptsächlich aus dem Zehngärtenbach gespeist, welcher in einer Bachschwinde der Trogsteinhöhle in den Karst eintritt (vgl. Kapitel Beschreibung des Planungsgebietes zwischen Nüxei und Mackenrode). Wie die untenstehenden Abbildungen 92 und 93 (Verrohrung am Zehngärtenbach, Aufstauung des Zehngärtenbachs) zeigen, weist auch der Zehngärtenbach in seinem Flusslauf unmittelbar vor seinem Eintritt in den Karst kaum noch seine natürliche Flussdynamik auf, durchfließt er doch mehrere, in dichtem Abstand aufeinander folgende Staubecken kleinerer Größe. Inwieweit diese das Abflussverhalten des Zehngärtenbachs und somit auch des Fitzmühlenbachs beeinflussen, ist unbekannt und würde eine genauere Betrachtung erfordern. Wie auch für Steina und Ichte empfiehlt es sich sowohl für den Zehngärten- als auch für den Fitzmühlenbach eine Messung des Abflusses im Jahresverlauf, um seine Auswirkungen auf den Nussteich zu erfassen. | | Abb.: 92 Verrohrung am Zehngärtenbach | Abb.: 93 Aufstauung des Zehngärtenbachs |
12.16.5 Der Nussteich Wie in Kapitel 12.15.2 Minimal- und Maximal-Varianten beschrieben, bezieht sich die Maximalvariante auch auf die Wiederherstellung der natürlichen Wasserdynamik am Nussteich. Dies beinhaltet einen Rückbau des Damms an der Nussteichschwinde. Dafür sind ebenfalls Daten zum Abfluss durch die Schwinde zu erfassen. Beispielsweise ist zu klären, wie viel Wasser ohne die künstliche Regulierung durch die Schwinde fließt und an welchen Stellen dieses wieder austritt. Derzeit ist - Angaben von Firouz Vladi zufolge - lediglich die Austrittsstelle Salza-Spring in Nordhausen näher untersucht; für die dort austretenden Wassermenge liegen keine Daten vor. Das Vorhandensein anderer Quellen ist zwar bekannt, jedoch ist dies weitestgehend unerforscht. Für die Wiederherstellung der eigentlichen Wasserdynamik ist auch zu untersuchen, wie viel Wasser bei einem Rückbau des Damms über welchen Zeitraum in der Fläche verbleiben würde. Möglicherweise entsteht kein gesteigerter Abfluss durch die Schwinde. Derzeit wird die Wasserdynamik des Nussteichs durch den Fitzmühlenbach beeinflusst. Welche Veränderungen ein veränderter Abfluss des Fitzmühlenbachs auf die Senke hat, ist ebenfalls zu untersuchen.
Flora und Fauna am Nussteich stehen in enger Wechselwirkung mit denen der Steina, der Ichte und des Fitzmühlenbachs. Von diesen Bächen kann die Verbreitung von und zum Nussteich erfolgen, der aufgrund seiner dann veränderten Struktur und seines veränderten Wasserhaushalts Lebensraum für spezialisierte Arten bietet. Es kann in der Nussteichsenke zu einem jahreszeitlichen Wechsel zwischen Überschwemmungsfläche und Trockenfläche kommen, was wiederum entsprechenden Arten als Lebens- und Nahrungsraum dient. Dieses Gebiet bietet somit einen wertvollen Lebensraum für spezialisierte Arten, die im näheren Umkreis des Nussteichs keinen vergleichbaren Raum finden. Eine Erhöhung der Artenzahl und der Artenvielfalt mit einer Wandlung des Artenspektrums von Ubiquisten zu Spezialisten wäre die Folge.
12.16.6 Der Ausbau der Bundesstrasse B 243 Aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Nussteich, Ichte und Steina hat Variante 4 der B 243n auf diese Gewässer die stärksten Auswirkungen, wie auch auf der folgenden Abbildung 94 zu sehen ist. Daher ist eine direkte Beeinträchtigung sowohl der beiden Flüsse als auch der Nussteichsenke zu erwarten. Die Auswirkungen entstehen u.a. durch Abgase, Abrieb und generell ein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Die genauen Auswirkungen sind zu prüfen und wenn möglich zu mindern. Abb.: 94 Möglicher Trassenverlauf der B 243n (Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz 1998, 37) Die hier beschriebenen Risikokategorien beziehen sich auf das Risiko von Erdfällen und haben keinen Bezug zu den verkehrsbedingten Auswirkungen auf die Nussteichsenke. Diese Trassenplanung - sowohl Variante 3 als auch Variante 4 - steht im Widerspruch zu den in Kapitel 12.6.3 „Zielkonzepte des Landschaftsrahmenplans Osterode“ beschriebenen Leitzielen des Landschaftsrahmenplans. Die Wahl des Trassenverlaufs sollte daher abermals überprüft werden.
12.16.7 Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Die mit dem Ausbau einher gehenden Zahlungen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen könnten eventuell genutzt werden, um das hier beschriebene Projekt zu fördern und umzusetzen. Im Rahmen der Renaturierung der Steina und der Wiederherstellung der natürlichen Karstdynamik empfiehlt es sich langfristig auch eine Renaturierung des Zehngärtenbachs durchzuführen, da dieser die Dynamik der Nussteichsenke mit beeinflusst. Diese Maßnahme wirkt unterstützend auf das Projekt und würde dessen Wirkung in vielen Aspekten der Karsthydrologie intensivieren. Eine Kopplung der verschiedenen Renaturierungsprojekte wäre daher wünschenswert; auch könnte die Finanzierung durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen des Bundesstraßenausbaus erfolgen. Eine Renaturierung der Fischteiche der Ichte, ähnlich wie sie bereits in der Springwiese erfolgten, wäre im Zuge dieser Maßnahmen wünschenswert und erforderlich. Möglich wäre hier ebenfalls eine Finanzierung aus Mitteln des Ausgleichs und Ersatzes.
12.16.8 Monitoring Das Projekt sollte ein gezieltes Monitoring beinhalten, dessen Finanzierung ebenfalls durch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgen könnte. Einerseits könnten dadurch gravierende negative Auswirkungen aufgezeigt werden, die trotz genauer Planung nicht vorhersehbar waren. Andererseits bestünde so die Möglichkeit, die im Rahmen dieses Projektes gemachten Erfahrungen bei anderen, ähnlichen Projekten zu nutzen, um die Herangehensweise zu verbessern bzw. Fehler zu vermeiden. Anwendbar wären diese Ergebnisse zum Einen für die Renaturierung von Bächen und Flüssen allgemein, wie hier bei der Steina. Zum Anderen können sie im Zuge der Wiederherstellung anderer karsthydrologischer Renaturierungsvorhaben von Nutzen sein. Die Auswirkungen des veränderten Abflussverhaltens der Steina auf das Ökosystem von Ichte und Helme sollten langfristig untersucht werden. Unklar sind weiterhin die Entwicklungen der Wasserführung am Salza-Spring. Auch müssen Untersuchungen bzgl. weiterer durch die Nussteichschwinde gespeisten Karstquellen durchgeführt werden. Bei allen Veränderungen des Wasserflusses besteht generell die Möglichkeit, dass Biotoptypen durch einen veränderten Abfluss positiv oder negativ beeinflusst werden oder aber Nutzungen durch den Menschen eingeschränkt bzw. Bauwerke beschädigt werden. Die bereits unter Punkt „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ genannten Renaturierungsvorschläge für die Ichte und den Zehngärtenbach sind als weiterführende Maßnahmen zu bezeichnen, die zwar Einfluss auf das Projekt hätten, zu dessen Umsetzung aber nicht unbedingt erforderlich sind. Abb.: 95 Maßnahmenplan 12.17 FazitBei der Wiederherstellung der natürlichen Prozesse muss die Komplexität der hydrologischen Karstdynamik genau beachtet werden. Die hier vorgestellten Konzepte sollten als Initialzündung verstanden werden, bei der sich der Mensch nach der Umsetzung der Maßnahmen zurückzieht. Eine freie Entwicklung der Natur wird so zugelassen, die nicht durch eventuelle Pflegemaßnahmen beeinflusst wird. Die hier beschriebenen Konzepte könnten in unterschiedlicher Ausprägung Beispielcharakter für ähnliche Projekte im Karst haben. |