9. Die Prägung der Kulturlandschaft Südharz durch die Zisterzienser
9.1 Entwicklung des ZisterzienserordensUrsprung und Basis der Ausbreitung des Zisterzienserordens finden sich im Kloster Citeaux (Frankreich), welches von Robert von Molesme gegründet wurde. Robert von Molesme trug sich nicht mit der Idee einen neuen Orden zu gründen, als er nach Citeaux ging. Er hatte 1075 in Molesme ein Kloster (Benediktinerklosters) eingerichtet, das rasch an Bedeutung zunahm und von den Mächtigen der Region durch Schenkungen gefördert wurde. Der damit einhergehende Wohlstand führte wohl zu einer Aufweichung des geregelten Lebens. Mehrere Mönche des Klosters, allen voran Abt Robert selbst, fassten daher den Entschluss ein neues Kloster zu errichten, in dem sie die Regel des hl. Benedikt in ihrer ganzen Strenge beachten wollten. Nachdem sie vom Papst die Erlaubnis erlangten, begannen sie 1098 mit dem Bau dieses neuen Klosters. Der Zisterzienserorden begann sich unter den Nachfolgern von Abt Robert, zunächst Alberich, dann Stephan Harding, zu entwickeln. Alberich setzte die Veränderung der Tracht durch: Man verzichtete auf die schwarze Einfärbung der Tunika und trug sie in naturbelassenem Wollweiß unter Beibehaltung des schwarzen Skapuliers (ein Überwurf über das eigentliche Ordensgewand, bestehend aus zwei, fast zum Boden reichenden Tüchern, auf Rücken und Brust getragen) mit Kapuze und weißer Flocke (mantelähnliches Überkleid über der Ordenstracht), was den Zisterziensern den Beinamen „weiße“ oder „graue Mönche“ einbrachte. Auch Harding, der 3. Abt, drang auf genaueste Befolgung der Benediktsregel, besonders auf das Gelübde der Armut. Kloster und Kirche sollten dem Anspruch größter Einfachheit genügen, daher beseitigte er jedweden Schmuck und schaffte, von Messkelchen abgesehen, alle goldenen und silbernen Geräte ab. In der Zeit seines 25jährigen Abbatiats entstand die „zisterziensische Verfassung“, die Charta Caritatis "Heiligen Regel". Sie stellte eine Regelung, der über das Einzelkloster hinausgehenden Angelegenheiten des sich entwickelnden Ordens (siehe auch Kapitel „Regelung und Organisation“), dar. Bernhard von Clairvaux kam 1113 als Novize in das Kloster Citeaux. 1115 wurde Clairvaux zum Vorsteher der Abtei von Clairvaux ernannt, die sich unter seiner Führung zur bedeutendsten Zisterzienserabtei entwickelte. Von hier aus gründete er weitere 68 Klöster. Bis zu seinem Tode wurden schon 343 neue Gründungen gezählt. Zum Ende des Mittelalters stieg die Zahl der Zisterzienserabteien auf mehr als 700 in ganz Europa an. Von Clairvaux wurde 1118 zum Leiter des gesamten Zisterzienserordens. Er überarbeitete die Ordensregeln, so dass er zu Recht als "zweiter Gründer" des Ordens gelten kann. Seine Ordensregeln stehen zum Teil im Gegensatz zu den Regeln der Benediktiner, aus denen die der Zisterziener entstanden: die Benediktiner gründeten ihre Niederlassungen auf Höhen, Bernhard dagegen ordnete die Standortgründung auf sumpfige Täler mit Wäldern an, die gerodet werden mussten. Er betonte den Wert der körperlichen gegenüber der geistigen Arbeit. Ganz besonders wandte er sich gegen jede figürliche Ausgestaltung der Portale, Kapitelle und Kreuzgänge, um den Betrachter nicht vom Gebet abzulenken. (http://www.multi-media-point.com/www-zister/einf2.htm)
9.2 Regelung und Organisation im Zisterzienserkloster Die wichtigste Ordensverfassung der Zisterzienser stellt die bereits erwähnte Charta Caritatis. Sie fordert die genaue Einhaltung der Regeln des hl. Benedikt und ist für alle Klöster des Ordens allgemeingültig. Der Rhythmus des täglichen Lebens im Kloster wurde von den Gebeten bestimmt. Dem gemeinsamen Essen im Refektorium ging die rituelle Waschung am Brunnen voraus. Zwischen den zwei Gebeten Terz und Sext fand eine gemeinsame Sitzung im Kapitelsaal unter Vorsitz von Abt oder Prior statt. Hier wurden Elemente der Regeln oder heiligen Schrift vorgelesen sowie Probleme besprochen. Die Zeiten zwischen den gemeinsamen Gebeten und besonders nach der Sitzung im Kapitelsaal waren im Sinne der benediktinischen Regel mit Arbeit auszufüllen. Dies war jedoch nicht mit der Zeit zu vereinbaren, die die Mönche zur Erfüllung der liturgischen Pflichten aufwenden sollten. So verfeinerten die Zisterzienser ein bereits in manchen Klöstern praktiziertes Laienbrüdersystem: Die Klostergemeinschaft wurde im wesentlichen in zwei hierarchisch deutlich geschiedene Teile gespalten. Einerseits gab es die Chormönche, die sich in erster Linie um die spirituellen Angelegenheiten des Klosters kümmerten, darüber hinaus aber auch um kleineren Tätigkeiten oder Einsätze zur Erntezeit. Andererseits existierten die sogenannten Konversen oder Laienbrüder, die die körperlichen Arbeiten für das Kloster erledigten, sowohl in dessen unmittelbarem Wirtschaftsbereich, wie auch auf seinen entfernten Grangien (Wirtschaftshöfe) oder in den Stadthöfen. Sie erschienen nur zu den wichtigsten Gebeten in der Hauptkirche. Sie hatten nicht überall Zugang, besaßen eigene Schlaf- und Speisesäle und waren durch einen undurchsichtigen Lettner in der Kirche von den Chormönchen getrennt. Im Vergleich zu letzteren stammten die Konversen in der Regel aus einfacheren Verhältnissen. Optisch wurden sie durch eine braune Kutte und die erlaubte Barttracht von den weißgewandeten Chormönchen unterschieden. Im späteren Mittelalter wurde dieses System jedoch mit dem zunehmenden Ausbleiben der Konversen hinfällig. Es wurden vermehrt Dörfer an Stelle der Grangien errichtet, und das Land an Bauern verpachtet (http://www.multi-media-point.com/www-zister/einf2.htm).
9.3 Frauenklöster Seit dem 12. Jahrhundert gab es Frauenklöster, die sich an die gleichen Regeln wie die Mönche hielten. Unterschiede zu den Männerklöstern finden sich vor allen Dingen in der Bewirtschaftung. Da Frauen keine schwere körperlichen Arbeiten verrichten konnten, waren hierfür Männer notwendig. Dies erforderte ein differenzierteres Laiensystem. Gröbere Arbeiten im unmittelbaren Klosterbereich, in Küche, Garten, Hospital und Gästehaus, wurden von den Laienschwestern erledigt. Ihr Schlaf- und Speisebereich entsprach (in Lage und Klausurabtrennung) dem der Konversen der Männerklöster. Doch gab es auch männliche Konversen in den Frauenklöstern. Ihr Arbeitsgebiet waren, ähnlich wie in den Mönchsklöstern, die Felder, Höfe und Werkstätten. Die Unterbringung erfolgte im Wirtschaftsbereich des Klosters. Rechtlich waren die Konversen der Nonnenklöster den Konversen der Mönchsklöster gleichgestellt. Die männlichen Laienbrüder des Nonnenklosters konnten wichtige Funktionen außerhalb des Klosters ausüben, da diese den Nonnen verwehrt blieben. Die männlichen Konversen im Nonnenkloster konnte eine höhere Stellung erreichen als im Mönchskloster, da zur Leitung der wirtschaftlichen Angelegenheiten und der rechtlichen Interessenvertretung nach außen ein Verwalter bestimmt werden musste, der häufig aus den Reihen der männlichen Konversen stammte (http://www.multi-media-point.com/www-zister/einf2.htm).
9.4 Kunst und Architektur Kein Kloster – keine Kirche – der Zisterzienser sieht aus wie ein anderes. Einige grundlegende Regeln gelten jedoch innerhalb des gesamten Ordens: Einfachheit und Verzicht auf Schmuck sind überall augenscheinlich; Baudetails jedoch konnten aufwendig gestaltet sein. Bei allen Bauten ist anhand der Kombination von Stil und Formen zu erkennen, dass sie aus Burgund, dem Ursprungsland des Ordens, stammen. Die weit über Europa verstreuten Klöster sind jedoch immer auch mehr oder minder stark durch den Stil der jeweiligen Landschaft geprägt. Typisch für Nordostdeutschland ist der Gebrauch des Materials Backstein. Entscheidend für die bauliche Gestaltung der Klosteranlagen ist darüber hinaus der Einfluss, den die örtlichen Stifter oder Gönner des Klosters genommen haben. Bei der Betrachtung der Lage der Klöster ist zwischen Männer- und Frauenzisterzen zu unterscheiden. Für Männerklöster gilt der Grundsatz, dass sie meist in abseitigen Tallagen an einem Wasserlauf, stets aber außerhalb von Ortschaften gegründet wurden. Die Gründung von Frauenklöstern war auch innerhalb einer Stadt denkbar. Der gesamte Klosterbereich ist bzw. war von einer Mauer umgeben, die neben dem Klausurbereich üblicherweise auch die Wirtschaftsgebäude einfasst. Die Gebäude des engeren Klausurbereichs sind nach einem oft als "bernhardinischen Idealplan" (siehe Abb. 42) bezeichneten Muster um den Kreuzgang gruppiert. Ihre Anordnung ergibt sich aus den klösterlichen Erfordernissen (http://www.multi-media-point.com/www-zister/einf3.htm). 1: Sanctuarium oder Prespyterium; 2: Totenpforte zum Friedhof; 3: Mönchschor; 4: Lettner; 5: Konversenchor; 6: Vorhalle (Narthex); 7: Sakristei; 8: Bücherkammer (Armarium); 9: Kapitelsaal; 10: Treppen zum Mönchsdormitorium; 11: Mönchssaal; 12: Wärmestube (Kalefaktorium); 13: Mönchsrefektorium; 14: Küche; 15: Konversen- oder Laienrefektorium; 16: Latrinen; 17: Vorratskeller; 18: Konversengasse; 19: Kreuzgang; 20: Kreuzgangflügel mit Bänken zum Lesen (Lesegang); 21: Brunnenhaus; 22: Mönchsdormitorium (über 7-11); 23: Laiendormitorium (über 15/17); A : Ostdurchgang/Sprechraum der Mönche (Auditorium/ Parlatorium) B : Sprechraum der Konversen | Abb. 42: „bernhardinischer Idealplan“ |
9.5 Wirtschaftsleben der Zisterzienser
Nach dem Grundsatz ihres Zusammenlebens "ora et labora" – „bete und arbeite“ – errichteten die Zisterzienser autarke Klosterwirtschaften. Agrarwirtschaft und Handwerk dominierten im Klosterbetrieb. In der „Carta caritatis“ war unter Punkt XV (Woher die Mönche ihren Lebensunterhalt nehmen) vorgeschrieben: "Die Mönche unseres Ordens müssen von ihrer Hände Arbeit, Ackerbau und Viehzucht leben. Daher dürfen wir zum eigenen Gebrauch besitzen: Gewässer, Wälder, Weinberge, Wiesen, Äcker (abseits von Siedlungen der Weltleute), sowie Tiere, ausgenommen solche, die mehr aus Kuriosität und Eitelkeit als des Nutzens wegen gehalten werden, wie Kraniche, Hirsche u. dgl. Zur Bewirtschaftung können wir nahe oder ferner beim Kloster Höfe haben, die von Konversen beaufsichtigt und verwaltet werden". Diese Vorschriften für zisterziensische Wirtschaftsformen entsprachen dem ursprünglichem Grundanliegen des neuen Ordens - nicht „vom Schweiße fremder Menschen", sondern von seiner eigenen Arbeit leben zu wollen. Erst später, mit zunehmendem Wohlstand, wandten sich die Klöster auch Geldgeschäften zu, lebten vom Handel und Grundstücksverkäufen und entfernten sich damit mehr und mehr vom ursprünglichen Ideal. Die Blütezeit des Zisterzienserordens lag im 12./13. Jahrhundert. Es erfolgte eine Ausdehnung über große Teile Westeuropas. Schon 1251 gab es 742 Zisterzienserklöster, die sich zu starken Eigenwirtschaften entwickelt hatten und den wirtschaftlichen Wandel in Europa beeinflussten. Die zisterziensische Wirtschaftunternehmen nutzten die Naturkräfte wohldurchdacht. Es wurde für den Eigenbedarf produziert. So gesehen ist es einleuchtend, weshalb sich Zisterzienser vor allem in malerischsten Landschaften niederließen. Sie nutzten Fließgewässer, Wälder, Täler, Hügel mit natürlichem Gefälle und fruchtbarem Boden, welcher in solchen Niederungen meist vorhanden war. In diesem Rahmen schufen sie inmitten alter slawischer Siedlungsgebiete Kulturlandschaften, deren Nachhaltigkeit häufig bis in die Gegenwart zu spüren ist. Je mehr sich der Orden mit materiellen und wirtschaftlichen Interessen beschäftigte, umso mehr entfernte man sich von dem Ideal der Begründer des Ordens. Der Unterordnung wirtschaftlicher Aspekte unter geistige und asketische. Häufig liest man von der Mustergültigkeit der Zisterzienser-Wirtschaften. Sie werden im Zusammenhang mit einer im Einklang mit der Umwelt stehenden Produktion in Garten- und Weinbau, in der Zeidlerei (Waldbienenhaltung), Fischwirtschaft, Schafhaltung und in vielen anderen Zweigen der Landwirtschaft genannt. Tatsache ist, dass die Zisterzienser sehr sorgfältig an die Auswahl ihrer Klosterstandorte herangingen und dementsprechende Produktionszweige einführten. Die von Fontane überlieferten Worte "Gebt den Mönchen ein ödes Moor oder einen wilden Wald; lasst ein paar Jahre vergehen, und ihr werdet nicht nur schöne Kirchen, sondern auch menschliche Siedlungen dort errichtet finden" sind zwar treffend, bedürfen aber der Relativierung. Es kam nicht selten vor, dass ein Zisterzienser-Standort aufgegeben wurde, um an anderer, günstiger gelegener Stelle ein Kloster zu errichten ( HYPERLINK "http://www.multi-media-point.com/www-zister/einf4.htm" http://www.multi-media-point.com/www-zister/einf4.htm).
9.6 Geschichte des Zisterzienserklosters Walkenried | Abb. 43: Walkenried. Ausschnitt aus dem Stich von Matthäus Merian, 1654. (Maier 2000, 1) |
Die Überreste eines der ältesten, teilweise reichsten Zisterzienserklöster befinden sich im Südharz in der Ortschaft Walkenried. Die Geschichte dieses Klosters kann bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgt werden. So gelangt im Jahre 1129 das Gründungskonvent dieses Klosters aus Altenkamp am Niederrhein auf die – durch Adelheid von Walkenried aus dem Hause Lohra – gestifteten Ländereien. Der Standort des künftigen Klosters wird hierbei, wie für die Zisterzienser üblich und am Namen Walkenried bereits erkennbar, in einer Sumpf- und Talniederung gewählt. In aller Einfachheit und Weltabgeschiedenheit soll der Weg zu Gott gesucht werden. Fischteiche als wichtige Nahrungsquelle wurden unter Ausnutzung des reichen Wasservorkommens sowie des natürlichen Reliefs dieser Sumpf- und Talniederungen angelegt. Bereits 1132 erfolgt die erste Tochtergründung eines weiteren Klosters von Walkenried aus, nahe dem Ort Naumburg. 1141 findet die zweite Tochtergründung bei Eisleben statt. Die von diesen beiden Klöster ausgehenden weiteren 19 Tochtergründungen erstrecken sich bis in das heutige Baltikum. 1137 wird die romanische Basilika Walkenrieds geweiht und die Stiftung durch Papst Innozenz II bestätigt. 1209 – das Kloster hat inzwischen durch zahlreiche Schenkungen und Privilegien einigen Wohlstand erlangt – wird der Umbau der romanischen Basilika in eine gotische Kirche begonnen. Die größte Klosterkirche Norddeutschlands und darüber hinaus die einzige mit doppelschiffigem Kreuzgang (siehe Abb. 44) soll hier entstehen; der Ostteil dieser Kirche kann bereits ab 1253 genutzt werden. 1290 wird die 92m lange und im Querhaus 35,6m breite Kirche geweiht. Der Umbau der übrigen Klausur erfolgt im 14. Jahrhundert. Zu dieser Zeit endet auch die Blütezeit des Zisterzienserklosters in Walkenried durch äußere Einflüsse und zunehmenden inneren Zerfall. Im Jahre 1506 besteht der Konvent nur noch aus dem kanonischen Minimum von 12 Mönchen, während um das Jahr 1300 im Kloster 80 Mönche und 180 Laienbrüder lebten. 1525 wird das Kloster im Rahmen der Bauernkriege von rund 800 Bauern besetzt und geplündert. Der Versuch den bronzenen Brunnen zu zerstören misslingt, wohl aber nicht der Abriss des Dachreiters, welcher den Zerfall der Kirche einleitet. | Abb. 44: Zweischiffiger nördlicher Kreuzgangflügel nach Osten. (Maier 2000, 25) | 1542 wird Walkenried von Kaiser Karl V zum Reichsstift erhoben; 1546 tritt der verbliebene Konvent zur Reformation – also zu den Lehren Luthers – über. Im Jahre 1557 wird in den Räumlichkeiten des Klosters eine Lateinschule gegründet, die 111 Jahre Bestand hat. 1570 ist der Verfall der Kirche bereits so weit fortgeschritten, dass die Gottesdienste in den Kapitelsaal verlegt werden, wo sie noch bis heute stattfinden. (Landkreis Osterode am Harz 2002) 1578 stirbt der letzte Abt von Walkenried; ein Prior übernimmt nun die geistliche und schulische Leitung. Die Verwaltung des Klosters fällt den Grafen von Hohenstein zu. (www.pcfutter.de/kd-kloster-walkenried/kloster/geschichte/zeittafel.html) 1648 wird der evangelische Konvent entgültig aufgehoben und das Stift säkularisiert. In der Folgezeit des 17./18. Jahrhunderts wird die Kirche als Steinbruch genutzt; nur die Klausur bleibt nahezu vollständig erhalten. 1817 tritt ein Verbot zur Nutzung der Kirche als Steinbruch in Kraft; ab 1870 wird darüber hinaus versucht die Bausubstanz zu erhalten. Aller Bemühungen zum Trotz stürzt 1902 ein Teil des Chorpolygons ein. Erste Sanierungsmaßnahmen beginnen etwa zur gleichen Zeit. 1972 wird in Folge der Abnahme eines weiteren Teils des Hohen Chors der Förderkreis Kloster Walkenried gegründet. Der Landkreis Osterode übernimmt die Trägerschaft für die, im Eigentum der Braunschweig-Stiftung stehende, Anlage. 1977 beginnen daraufhin umfangreiche Sanierungsmaßnahmen zur Sicherung der noch erhaltenen Teile der Kirche sowie der Klausur. Die neu verglaste, in Stand gesetzte Klausuranlage wird nun zu kulturellen Zwecken genutzt. 1984 erfolgt die offizielle Wiedereröffnung; Führungen durch die Anlage werden angeboten und die Walkenrieder Kreuzkonzerte abgehalten. 1989 wird der Hohe Chor in zwei Bögen wieder aufgebaut und somit der Zustand vor dem Einsturz im Jahre 1902 wieder hergestellt. 1993 ist der Grundriss der Kirche wieder erkennbar. (Landkreis Osterode am Harz 2002) Im Jahre 2000 beginnen die immer noch anhaltenden Ausbauten des Dormitoriums zum Museum sowie die Herrichtung weiterer Nutzungsräume über dem doppelschiffigen Nordflügel. Diese Arbeiten dauern bis heute an. (www.pcfutter.de/kd-kloster-walkenried/kloster/geschichte/zeittafel.html)Abb. 45: Grundriss Kloster Walkenried mit dazugehöriger Wasserleitung (Maier 2000, 11) Abbildung aus Bernd, Nicolai 1990: „Libido Aedificandi“ Walkenried und die monumentale Kirchenbaukunst der Zisterzienser um 1200. Band 20. Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins.
9.7 Die Wirtschaftsformen der Benediktinermönche im Kloster Walkenried Richtungsweisend für die wirtschaftliche Entwicklung Walkenrieds war die im Jahre 1134 durch die Mönche festgelegte Zisterzienser-Ordensregel. Mit der einer Reformbewegung eigenen Strenge erhoben die Zisterzienser die konsequente Durchführung der Regel des heiligen Benedikt in Kultus und Askese zum Prinzip. Man schuf in wirtschaftlicher Hinsicht eine für die damalige Zeit völlig neue Wirtschaftsform, die großbetriebliche Eigenwirtschaft. Die Zisterziensermönche kehrten sich bewusst ab von der bisher in den Benediktinerklöstern üblichen Zins-, und Rentenwirtschaft. Die Ablehnung der Einkünfte fremder Arbeit und das Bestehen auf dem Erwerb des Lebensunterhalt aus eigener Hände Arbeit führten zu dieser Abkehr und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung der zum Kloster zugehörigen Zisterzen in den nächsten Jahrhunderten. Die Wirtschaftsführung des Klosters und seiner dazugehörigen Zisterzen war zentral ausgerichtet, jede Grangie, jeder Stadthof und jedes Bergwerk hatte regelmäßig eine Rechnungslegung gegenüber dem Kloster abzugeben und auch das Kloster unterstand in wirtschaftlicher Hinsicht der Visitationspflicht durch das Mutterkloster. Binnen kürzester Zeit wuchsen die Zisterzen zu exakt geführten und rationell wirtschaftenden Großbetrieben und mit ihnen die Wirtschaftskraft des Klosters. Seine wirtschaftliche Blütezeit erlebte das Kloster Walkenried um 1300, denn hatte man in den sich damals schnell ausbreitenden Zisterzen erst einmal die Anfangsschwierigkeiten überwunden stellte sich in der Regel schnell ein Produktionsüberschuss ein. Spielte in der Gründungsphase des Benediktinerordens die Wirtschaft eine noch untergeordnete Rolle als Mittel der Selbstversorgung, schob sich so dieser Zweig im Laufe der Jahre immer mehr in den Vordergrund. Die entstehende Wirtschaftskraft stand jedoch im Gegensatz zur anspruchslosen asketischen Lebensweise der Mönche, die Überproduktion führte eben diese Prinzipien ad absurdum. Der erwirtschaftete Überschuss führte so zwangsweise zum Erwerb weiterer Produktionsmittel. Der so entstehende Wachstumszwang veranlasste das Generalkapitel daher zu immer größeren Zugeständnissen und Abweichungen von der Ordensregel. Diese Abkehr von den Ordensregeln der Benediktinermönche brachte das Kloster im Verlauf der Jahrhunderte in den Ruf der Habgier und Gewinnsucht. Bereits um 1350 ebbte die Expansion des Klosters plötzlich ab. Begründet wurde dies mit dem Rückgang der Konversen und der Umstellung auf teure Lohnarbeiter welche den Überschuss erheblich drosselten. Der Anteil der Eigenwirtschaft in den Grangien verringerte sich, jedoch war von Veräußerungen bis zur Reformation nie die Rede. Sie blieben als Gutswirtschaften mit weiterhin hoher Wirtschaftskraft bestehen. Im folgenden soll nun versucht werden die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftszweige und ihrer Hinterlassenschaften in der Kulturlandschaft des Südharzes aufzuzeigen.
9.7.1 Das Fundationsgut Ende des 13. Jahrhunderts hatte der Stiftsbezirk eine Größe von 96, 2 km². Er ist in seinem Abriss das Ergebnis einer 200jährigen Entwicklung und bildete noch bis 1924 den Amtsgerichtsbezirk Walkenried. Selbst bis zur Zonengrenzziehung 1945 blieb der historische Zusammenhang erhalten. Als König Lothar 1132 die durch Adelheid erfolgte Gründung des Klosters bestätigte, fügte er einige benachbarte Grundstücke hinzu und verlieh das Wildbannrecht. Durch Christian von Rothenburg und Reichsministeriale ließ er den Klosterbereich abgrenzen. Auf die genaue Grenzziehung soll hier nicht weiter eingegangen werden. Nach dieser ersten Grenzziehung erfolgte in den nächsten Jahrhunderten eine ständige Erweiterung des Klosters im Harzvorland. Immer wieder versuchte man durch Zukäufe und Tauschgeschäfte neue Ländereien zu erschließen. So geht zum Beispiel aus Aufzeichnungen hervor, dass der Graf Heinrich von Hohenstein zum Ankauf der Burgen Klettenberg, Spadenberg, Ehrich und Kirchberg erhebliche Geldmittel benötigte, die er dadurch aufbrachte, indem er dem Kloster große Teile der Harzgrafschaft verkauft. Im Jahre 1256 kaufte das Kloster für 150 Silbermark die Fischwasser Himmelreich von der Quelle bis zur Teichmühle vor Ellrich, den Wald „Kleine Aue“, den Wald „Breitenberg“ und Güter Norberts v. Gudersleben, die in den östlichen Höhenzügen der Lampertsberge zu vermuten sind. Im Jahr 1268, zahlte das Kloster 200 Silbermark für die Holzmark Overvalsvelde mit Hohgeis, Wolfsberg und Hellebach sowie den Wald Selenslufter zwischen den Oberläufen von Steina und Wieda. In den 200 Jahren der Expansion erwarb das Kloster so durch Schenkungen und Tausch- und Kaufgeschäfte eine Vielzahl an Ländereien im größeren Umkreis Walkenrieds. Heute lassen sich Spuren in der Goldenen Aue, an Elbe und Unstrut und in Pommern nachweisen. Abb. 46: Südharz um 1200
9.7.2 Die Grangien Sie waren das Herzstück einer jeden Zisterzienserwirtschaft. Da die Mönche aufgrund der Ordensregel im Kloster anwesend sein mussten oblag die Grangienwirtschaft ausschließlich den Konversen. Ein Privileg aus dem Jahre 1205 zählte neben dem Kloster selbst 11 Grangien und 3 Weingüter auf. In der Folgezeit wurde dieses Netz von Unterzentren noch durch Numburg, Immedeshausen, die Pommerschen Güter und Göttingen-Rosdorf ergänzt. Hauptinteresse des Klosters war es, die anfänglich kleinen Grangien auszubauen und möglichst lastenfrei zu führen. Den Konversen war ein Umgang mit Büchern verboten, ergänzt wurde ihre Arbeit durch die der „familia“, wobei es sich zumeist um Hörige und Familienangehörige handelte. Die Betriebsführung einer Grangie unterlag dem Hofmeister (Grangiarius, Rector oder Provisor Curiae).
9.7.2.1 Die Grangien unweit des Stiftungsgutes Rotterode lag westlich Nordhausens bei Herreden und gehörte zum Stiftungsgut Adelheids. Bereits 1137 bestätigte der Papst die Existenz dieser Grangie.Die Grangie Kinderode wurde als erste außerhalb des Stiftungsgutes gelegene errichtet, nachdem Bischof Udo v. Naumburg dem jungen Kloster 1133 die Villa Kinderoth an der oberen Wipper in der Grafschaft Lohra schenkte. Durch Zukäufe und Tauschgeschäfte versuchte Walkenried seit 1191 den Umfang der Grangie zu erweitern. Seit 1253 versuchte das Kloster systematisch das Dorf Nohra zu erwerben. Bis 1421 kommt es zu stetigen Zukäufen, die testamentarische Schenkung des Berthold v. Werther von fast 10 Hufen Land in Roldisleben schließt die Erwerbungen der Grangie Kinderode ab. Über ihre Nutzungen lassen sich nur Vermutungen anstellen, die Hufen wurden vermutlich in Eigenwirtschaft betrieben während man die Besitzungen in den erworbenen Außendörfern grundherrschaftlich nutzte. Noch im Jahre 1573 wird Kinderode als Walkenrieder Klostergut bezeichnet. Eine weitere zum Besitz der Stifterfamilie gehörende Grangie war die in Berbisleben. Das von Adelheid 1134 gekaufte Reichsgut Berbisleben diente dem Kloster ab 1188 als Grangie. Im oberen Helmeriet finden wir die Grangie Beringen. Hier bleiben einige Fragen nach Umfang, Kultivierungsarbeiten und dem Verhältnis zu den flämischen Kolonisten noch ungelöst. Man geht hier jedoch davon aus, dass eventuelle Kulturarbeiten Walkenrieds in diesem Bereich nicht sehr umfangreich gewesen sein können. Im Vergleich zu anderen Grangien setzen Erwerbungen hier erst später ein, besonders von Interesse neben dem Erwerb von Ländereien ist hier die intensive Nutzung der vorhanden wasserbaulichen Anlagen im Bereich Beringens. Bereits aus dem Jahr 1260 finden wir Bestätigungen über den Besitz von Kanälen, Gräben, Wegen und Dämmen. Bis 1361 hat sich die Grangie Beringen durch die Expansion zu einer der umfangreichsten des Klosters entwickelt. Die Ländereien der Grangie erstreckten sich einerseits im nordöstlichen Teil des Helmeriets, reichten andererseits auch weit in das altbesiedelte Kulturland der Grafschaft Hohenstein. Schadensaufstellungen nach Raubüberfällen der damaligen Zeit zeigen die Leistungsfähigkeit dieser Grangie auf. So spricht ein Bericht von 1379 von einem Verlust von 99 Pferden, 36 Kühen, 130 Schweinen und 600 Schafen. Wieweit die Eigenwirtschaft Beringens im Zuge der Reformation im 15. Jahrhundert reduziert wurde ist nicht bekannt. Die Grangie Riethof lag 2 km östlich von Heringen, am westlichen Rand des oberen Helmeriets. Ihre Entstehung ging aus einem Tauschgeschäft hervor. Man wollte sich an den Kultivierungsarbeiten im Riet beteiligen. Der Umfang dieser Arbeiten ist bis heute unbekannt, jedoch muss er so groß gewesen sein, das er die Anlegung der Grangie ermöglichte. In ihrer Größe und Expansionskraft ist sie jedoch von geringerer Bedeutung für das Kloster gewesen. Nach der Reformation verlor man die Grangie an das schwarzburgische Amt Heringen. Eine weitere Grangie ist auf das engste mit der Kultivierung des Helmeriets (Königsriets) verbunden. Noch heute nennt man den südlichen Teil dieses Riets „Mönchewiesen“. Als Dank für die Aufwendungen des Klosterbruders Johann bei der Kultivierung schenkte Kaiser Friedrich I. dem Kloster die curia Kaldenhausen. Walkenried macht sie zur Grangie und nutzt sie sogleich in Eigenwirtschaft. Ab 1231 richtet man ein besonderes Augenmerk auf die Erweiterung durch Erwerbungen im Bereich Pfiffel/Allstedt. Diese Ausweitung zog einen Interessenkonflikt mit dem Tochterkloster Sichem nach sich, das westlich Allstedt zwei Grangien errichtet hatte und so mindestens seit 1265 auch in Allstedt versuchte Güter zu erwerben. Doch Walkenried setzte sich durch, kaufte den gesamten Sichemer Besitz auf und Sichem zog sich aus dem Gebiet zurück. Dagegen kann Walkenried seinen Besitz noch erweitern, vermutlich zwischen 1235 und 1286 verlegt man die Grangie von Kaldenhausen ins benachbarte Pfiffel. Während Kaldenhausen zum Schluss nur noch als Mühle bestand errang Pfiffel, nunmehr Mönchspfiffel genannt, das Ansehen eines Musterbetriebes. Man besaß über 40 Hufen Ackerland und neben der Ackerwirtschaft betrieb man intensiv Viehwirtschaft um so die Rietwiesen sinnvoll zu nutzen. Eine weitere wirtschaftliche Besonderheit war ebenfalls festzustellen. Als im 15. Jahrhundert die Konversen ausblieben, betrieb Walkenried die Grangie Mönchspfiffel bei reduzierter Eigenwirtschaft in Teilbauverträgen mit Bauern weiter. Halbbauer und Grangie waren zu 50% an Aussaat und Ernte beteiligt, der Bauer übernahm die Arbeit während die Grangie das Land und die „Technik“ stellte. Bis auf die Schäferei ging die Viehwirtschaft in die Pflege der Bauern. Zur Eigennutzung erhielt jeder Bauer 1 Morgen Wald und 5 Morgen Grasland. Diese besonders für die Grangie rentierliche Wirtschaftsform ist bis ca. 1560 beibehalten worden.
9.7.3 Die Weingüter Ebenfalls zu den Besitzungen des Klosters gehörten die Weingüter Bodenrode und Steintaleben. Bereits 1193 wird eine vinea Bonroth erwähnt, 1205 spricht man von einem cellarium (Weingut) Dieses Weingut muss wenig ertragreich und von geringer Bedeutung für das Kloster gewesen sein, denn schon 1339 wird die curia Bodenrode desolat genannt. Anders stellte sich die Situation in Steintaleben dar. An den westlichen und südlichen Tallagen der Kyffhäuser mit seinem mehrfachen Regenschatten wurde schon früh Weinbau betrieben. Das Gebiet gehört zu den wärmsten in Mitteleuropa und wurde daher schon vor dem Auftreten der Zisterzienser in Nordthüringen für diesen genutzt. Heute ist es unbekannt wann und von wem Walkenried den Weinbaubetrieb in Thaleben in Eigenwirtschaft übernommen hat. Man betrieb das Gut wie eine Grangie unter Leitung eines Konversen. Es fanden immer wieder Erweiterungen der Weinbauflächen statt. Gleichzeitig verbunden mit dem Weingut war eine reguläre Landwirtschaft. Weiter bemerkenswert war das Interesse des Klosters an den angrenzenden Waldungen des Kyffhäuser. Man brachte erhebliche finanzielle Mittel auf um Flächen in Eigenerwerb zu bekommen. Die Frage der Nutzung des Holzes kann heute nicht endgültig geklärt werden. Man vermutet, das Walkenried das Salzwerk in Frankenhausen mit Holz belieferte und dadurch im Tausch den Salzbedarf der Grangien deckte, welcher wegen der Schaf- und Rindviehhaltung erheblich gewesen sein muss. Im Jahr 1534 wird das Gut verpfändet, von Weinbau war zu dieser Zeit keine Rede mehr.
9.7.4 Besitzungen an Unstrut und Elbe Im 12. und 13. Jahrhundert werden wiederholt Walkenrieder Besitzungen in diesem Gebiet erwähnt. So gelang es dem Kloster im Ort Schauen innerhalb von 120 Jahren ein eingeschlossenes Territorium von etwa 10km² Größe in seinen Besitz zu bringen. Man errichtete eine Grangie und erwarb in der Umgebung von Schauen noch einige Hufen, Hausstellen und eine Mühle. Um 1230 tritt eine weitere Grangie in diesem Gebiet, im Zusammenhang mit den Erwerbungen im Langenriet, in Erscheinung. Neben den Wirtschaftsflächen im Langenriet blieb der Grangie jedoch auf dem schmalen Saum zwischen Riet und angrenzendem Bergland nur wenig Platz zur Ausdehnung. So sind auch nur wenige Landerwerbungen in den Jahren 1260 bis 1350 erwähnt. In der Reformationszeit fiel die Grangie als Gutshof an die Grafen v. Schwarzenburg.
9.7.5 Weitere Besitzungen in Brandenburg und Pommern Im Gegensatz zu den Walkenrieder Tochtergründungen beteiligte sich das Kloster weniger stark an der Ostkolonisation. So ist nur ein wohl fehlgeschlagener Versuch, sich im nördlichen Grenzbereich der entstehenden Mark Brandenburg niederzulassen, bekannt. In der Hoffnung auf Kultivierungsarbeiten durch die Mönche bekam das Kloster hier Güter geschenkt. Doch schon bald resignierten die Mönche und stießen wie auch 50 Kilometer nordöstlich die Güter wieder ab. So endete Walkenrieds Präsenz im Osten schon nach wenigen Jahren.
9.7.6 Die Stadthöfe Zu Zeiten der Ordensgründung bestand seitens der Zisterzienser eine Abneigung gegenüber dem Stadtleben. Es war verboten Zisterzen innerhalb von Städten zu gründen. Doch die Notwendigkeit einen Absatzmarkt für die Produkte der Grangien zu haben führte zur Annäherung. Zudem boten in unsicheren Zeiten die Stadthäuser stärkeren Schutz als die Grangien. Auf der anderen Seite waren jedoch die Städte bemüht das Erwerbsstreben der Höfe in Grenzen zu halten um einen Ausfall an Stadtsteuern zu vermeiden. Alle 5 Markthöfe Walkenrieds nahmen Marktfunktionen war. In ihrer Struktur und Geschichte waren sie dennoch verschieden. In Goslar stand zunächst der Bergbau im Vordergrund, in Würzburg der Weinbau, in Göttingen und später auch in Goslar wurden aus den Kornhäusern durch umfangreichen Landbesitz im Umland Stadtgrangien. Der Nordhäuser Stadthof hatte den Charakter der Marktzentrale noch am reinsten bewahrt. Als letzten Stadthof erwarb man 1341 den in Osterwieck. Er wurde mit der Funktion des Marktplatzes für die Grangie Schauen versehen. In den Wirren der Bauernunruhen und der Reformation dienten die Stadthöfe häufig als sichere Zufluchtsorte für den ganzen Konvent.
9.7.7 Die Bergbau-, und Hüttenbetriebe Abb. 47: Der Harzer Erzbergbau des Klosters Walkenried
In der Reihe der Wirtschaftszweige der Benediktinermönche war dieser Bereich aufgrund der Nähe zum erzreichen Harz ein wesentlicher Teil der Wirtschaftsführung Walkenrieds. Wenn auch uneindeutig kann dem Kloster Beteiligung an der Erzausbeute des Rammelsberg nachgewiesen werden. 1209 bestätigte Kaiser Otto IV. dem Kloster dieses Privileg. Auch ist erwiesen das Walkenried Schmelzhütten im Harz betrieb. Als Versuche, zusammen mit der Stadt Goslar das Wasserlösungsproblem in den Griff zu bekommen fehl schlugen, veräußerte Walkenried seine Anteile am Rammelsberg für 800 Gulden an die Klöster Michaelstein und Scharnebeck beziehungsweise an die Stadt Lüneburg. Von einer Hüttentätigkeit im Goslarer Bereich ist nichts bekannt. Man transportierte vermutlich das gewonnene Erz über die Berge nach Süden und verschmolz sie dort. Man brachte sozusagen das Erz zum Holz und nicht wie gewöhnlich das Holz zum Erz. Tatsächlich sind Rammelsberger Schlackenreste am Brunnenbach, in Unterzorge und an der Zainhütte in Wieda festgestellt worden. Auch bleibt fraglich, ob das Kloster im Stiftsbezirk auch selbst Bergbauversuche unternommen hat. Weitere Hütten befanden sich bei Immedeshausen, welche vermutlich als Schmelzplätze für die Erze des Rammelsberg genutzt wurden. Nach Geländespuren und Flurnamen zu schließen kann davon ausgegangen werden, dass Walkenried im Westharz auch selbst Bergbau betrieben hat. Man errichtete Hütten am Pandelbach im heutigen Münchehöfer Ortsbereich und diesem folgend bis zum Kirchberg. Veränderungen am natürlichen Flussbett lassen dabei auf eine geschickte Ausnutzung der Wasserkraft schließen. In diesem Zentrum der Hüttentätigkeit entstand der Mönchshof, ein Faktoreihof dem alle Berg-, und Hüttenbetriebe der Grangie unterstanden. Seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam es auch in größerer Nähe Walkenrieds zum Bergbau. Neuer Untersuchungen haben ergeben, dass es sich bei diesem Rupenbergrevier um die mittelalterlichen Vorgängerbetriebe des St. Andreasberger Bergbau gehandelt hat.
9.7.8 Zusammenfassung Bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung des Kloster Walkenrieds lassen sich drei Phasen herausstellen. In der ersten Phase von der Klostergründung bis etwa 1230 wurde vor allem der Aufbau des Grangiensystems vorangetrieben. In diesen Jahren fand der Gütererwerb und die damit verbundene Expansion fast ausschließlich durch Schenkungen statt. Erwerbungen durch Kauf kamen nur selten vor. Die 2. Phase bis etwa 1350 wurde bestimmt durch den Ausbau der einzelnen Grangien zu leistungsfähigen Wirtschaftsbetrieben mit größtmöglicher Unabhängigkeit gegenüber Dritten. In dieser Zeit wurde der Grunderwerb durch viele Tausch-, und Kaufverhandlungen abgewickelt. Der wirtschaftliche Wohlstand wurde zur treibenden Kraft der Expansion. Die dritte Phase von 1350 bis zur lutherischen Reformation diente der Sicherung des Bestandes, es gab nur noch wenige Neuerwerbungen. Fehden und Übergriffe weltlicher Herren beschränkten die Eigenwirtschaft des Klosters und führten immer wieder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten. Der große Ausverkauf des Klosters setzte allerdings erst mit der Reformation um 1530 ein. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Zisterzienser tiefe Spuren in und um Walkenried hinterlassen und über viele Jahre die Entwicklung der Kulturlandschaft Südharz geprägt. Für uns sind heute nur noch die sichtbaren und damit greifbaren Errungenschaften der Zisterzienser, wie die Klosterruine und die Fischteiche zu Walkenried erlebbar. Kaum ein Besucher weiß von den vielfältigen Aktivitäten der Benediktinermönche. Im Rahmen des Karstwanderwegprojektes sollte daher vielleicht versucht werden in absehbarer Zeit die aufgezeigten Hinterlassenschaften aufzuarbeiten und um sie teilweise in das Bewusstsein der Menschen zurückzuholen. Motto: Die Benediktinermönche des Kloster Walkenried als Architekten der Südharzer Kulturlandschaft.
9.8 Die mittelalterliche Trinkwasserversorgung des Klosters Walkenried Abb.: 48 Walkenried, Stiftsbezirk und Besitzungen im Harzgebiet (Baumann 1982) 9.8.1 Brunnenhäuser in Zisterzienserklöstern Das Brunnenhaus stellte eine besondere Zierde vieler Zisterzienserklöster dar. Es war ein kapellenartiger Anbau des Kreuzganges und lag dem Eingang des Refektoriums gegenüber. Häufig, aber nicht immer wurden die Brunnenhäuser als Zentralbauten angebaut und als Sechseck oder Neuneck erbaut. In vielen Klöstern sind die Brunnenhäuser bis auf Ansätze oder Grundmauern verschwunden. Seltener hat sich das Brunnenhaus erhalten, wo jedoch der Brunnen selbst dann fehlt. Das älteste erhaltene Brunnenhaus ist sechseckig und steht in Le Thoronet. Es wird auf etwa 1160 datiert. Der noch vorhandene Fließbrunnen ist ursprünglich. Aber nur in wenigen Brunnenhäusern rinnt das Wasser wie seit Jahrhunderten in die fast durchweg steinernen, bleiernen oder – in sehr wohlhabenden Klöstern – bronzenen Originalbecken. Das Brunnenhaus war der Bereich, der zur Säuberung und Pflege diente, hier wurde auch die Tonsur geschnitten. Der Brunnen aber diente in erster Linie als Waschgelegenheit vor dem Essen und zur Lieferung von Trinkwasser. Es waren zwölf und mehr Ausläufe erforderlich, um die rituelle Handwaschung vor dem Essen bei großen Konventen in kurzer Zeit zu ermöglichen. Deshalb hatten alle größeren Klöster Fließbrunnen und dadurch zwangsläufig eine Druckwasserleitung, welche meist unterirdisch verliefen und aus Holz, Ton oder Metall bestand. Dabei wurde das Brunnenwasser von einer Quelle, welche man manchmal in kleine Gewölbe fasste, in Druckröhren herangeführt. Danach stieg es in der Brunnensäule auf und konnte in mehreren Strahlen ausfließen. Neben dieser Trinkwasserleitung besaßen die Zisterzienserklöster aber auch ein Kanalsystem, welches Brauchwasser – meist für die Küche – in das Kloster führte und die Abwässer, auch den Überlauf des Klosterbrunnens, anschließend wieder aufnahm. Ein zusätzlicher Kanal, der nicht in jedem Kloster existierte, war für die menschlichen Exkremente. Wenn die Wasserleitung eines Zisterzienserklosters nicht mehr genutzt und damit ständig gewartet wurde, verfielen zuerst die hölzernen Wasserleitungen, welche ständiger Pflege bedurften. Metallene Leitungen grub man als wertvolle Altstoffe aus, wenn der Bedarf besonders groß war und verwertete diese wieder. So goss man zum Beispiel aus Bleileitungen Flintenkugeln. Mit der Zerstörung oder dem Verfall der Wasserleitung ging die Nutzlosigkeit der Brunnenschalen einher; man führte sie einer anderweitigen Verwendung zu. Im weiteren Verlauf verfielen dann auch bald die Brunnenhäuser. (Reinboth 1994/95)
9.8.2 Das Brunnenhaus zu Walkenried Das letzte vollendete Bauwerk des Klosters in Walkenried ist das Brunnenhaus (Abb. 49, 50). Es ist eines der größten in Deutschland überhaupt. Erst nach Vollendung des Südkreuzganges wurden zwei Traveen (Gewölbeeinheit) und ein Polygon aus fünf Seiten des Achtecks an die vorgesehenen Maueransätze angebaut. Die Gewölbe stürzten ein; ihre Existenz ist aber durch das Zeugnis von Letzner gesichert, der 1594 das "Bornhaus, welchs gantz zierlich von Steinen einer Capellen gleich mit schönen hohen Fenstern ... gebawet und oben gewelbet" und 1598 "künstlich gewelbet einer Cappell gleich gebawet" beschrieb. Abb.: 49 und 50 Blick in das Brunnenhaus. (Maier 2000, 31)
Zwei Schlusssteine des Brunnenhauses sind im Lapidarium (Steinsammlung) erhalten: Der eine zeigt einen Kopf, aus dessen Mund Laubwerk heraussprießt, der andere das Motiv, der ihren Jungen das Leben einhauchenden Löwin (Abb. 51). Die Zugehörigkeit der Schlusssteine zum Gewölbe des Brunnenhauses wird durch die abgehenden Rippenprofile und die von den Rippenanfängern eingeschlossenen Winkel bestätigt. Zum Kreuzgang öffnet sich das Brunnenhaus in zwei großen Arkaden. Diese sollten ein reibungsloses Ein- und Austreten der Mönche, bei dem der Mahlzeit vorangehenden Ritus, ermöglichen. In der Nordwand befindet sich eine spitzbogig überwölbte Nische mit beckenartigem Boden. Hierbei handelt es sich zweifellos um einen alten Ausguss – welcher vielleicht für das Schneiden der Tonsur genutzt wurde – denn darunter verlief der, von der Küche kommende, Abwasserkanal. (Reinboth 1994/95) Abb.: 51 Löwin, ihren totgeborenen Jungen Leben einhauchend (Symbol Christi). Schlussstein aus dem ehemaligen Gewölbe des Brunnenhauses in Walkenried, jetzt im Lapidarium. Foto K. Pfeifer. (Reinboth 1994/95) 9.8.3 Das Walkenrieder Brunnenbecken und die Wasserleitung Der reichste Schmuck des Brunnenhauses war ein großes bronzenes Becken. Dieses hatte etwa einen Durchmesser von 2m. Das Becken besaß einen kupfernen Aufsatz, aus welchem das Wasser in zwölf Strahlen in das Becken fiel. Durch eine Zeichnung von J. H. Hofmann aus dem Jahre 1661 ist das Aussehen des Brunnens bekannt (Abb. 52). Als Durchmesser des Brunnens gibt Hofmann 6 Fuß 7 Zoll an. Nach Hofmann soll der Brunnen im Jahre 1218 von einem Mönch, dem Hüttenmeister Almante gegossen worden sein. Diese Aussage ist jedoch nicht nachweisbar. Nach Letzners handschriftlicher Chronik von 1598 haben sich die Bauern während des Bauernkrieges, nach der Zerstörung des Vierungsturmes auf der Kirche, auch an dem großen Becken im Brunnenhaus versucht. Man brachte das Becken mit großer Mühe und Arbeit wegen der Größe und Schwere (dann es ist ziemlicher Dicke und Tieffe und dazu auch im Circk oder Runde zwelfftehalb Ellen weit gewesen ist) auf den Platz und versuchte, das bronzene Becken zu schmelzen. Jedoch blieb es nur bei einem Versuch und so haben sie weidlich darin gehawen und geschlagen, wie das daran noch urkundtlich klar zu ersehen. Diese Mitteilungen bestätigt H. Eckstorm im Jahre 1617. Er sah den Entwurf von Letzners Walkenrieder Chronik kritisch durch und gab ergänzende Hinweise. Wir verdanken Eckstorm, aber auch Letzner die sehr genauen Beschreibungen nicht nur des Brunnens sondern auch der dazu gehörigen Wasserleitung. So heißt es, dass die Quelle zwei Büchsenschuss vom Kloster entfernt, in einem verschlossenen und gewölbten Brunnen gefasst ist. Die Wasserleitung geht über dem Wasser, die Wieda, an der Mauer entlang zum Kloster. Nachdem sie vom Kupfferberg herunter gekommen ist, gelangt sie in die Behausung des Rektors, läuft danach in die Badestube der Knaben und schließlich unter dem Kreuzgang in das Brunnenhaus. Dort steigt es in einer Röhre auf in ein kupffern Heuslein und von dort fällt es durch 12 Rörlein wider ... in ein großes und wohlklingendes, schönes von Glockenspeis gewaltiges starckes und dick gegossenes Becken, welchs im Circk und in der Runde 11 1/2 Ellen begreift, wo sich die Knaben, wenn sie nach dem Schlafen zur Schule gehen, sich unterwegs noch waschen können. Ein Teil des Wassers geht dann in einer anderen Röhre zur Küche. Einiges bringt man dann auf den Platz und ins Schlachthaus. Das übrige Wasser im Küchenbecken wird auch fein abgeführt, dazu den wie auch zu den Röhren unter dem Creutzgang und der Schule schön gewelbete Genge gemachet. Eckstorm beschreibt hier die Lage der Abwasserkanäle, welche sich "unter der Schule", d.h. dem Laienhaus befinden. Wie wir heute wissen, setzte sich der Kanal dann unter dem Kreuzgang hindurch zur sogenannten Lutherfalle (ein Abfallschacht unter der ehemaligen Dormitoriumstreppe) und von dort zur Wieda fort. Ein eigener, ebenfalls vom Mühlgraben abgeleiteter und zur Wieda führender Kanal war für die menschlichen Exkremente an der Südseite der Klausur vorhanden. (siehe Abb. 54) Die Wasserleitung wurde dann während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) vernachlässigt. Durch eine Schrift vom 25. Mai 1648, wo der Nordhäuser Notar Böttcher (Botticherus) das Inventar des Brunnenhauses aufnahm, wird deutlich, dass die Wasserleitung zu dieser Zeit wieder hergestellt worden war. So schreibt er: ... In der Apseite im Creutzgange da das große Handbecken stehet ist 1 Thür ... 5 Fenster auch aus jeglichem die Felder ausgenommen. Das Handbecken an sich selbst ist von Graupenwerk darinne das Waßer aus 13 (!) Rören springt ist anno 1647 wieder ganghafft gemacht worden und ist das Handbecken 11 Ellen und 1 1/2 Zoll weit in die Runde. Die Beschreibungen des Handbeckens stimmen mit der schon erwähnten Zeichnung Hofmanns überein. Die Größenangaben, die für die Brunnenschale gemacht wurden, beziehen sich z. T. auf den Umfang (11 Ellen 1 1/2 Zoll nach dem Inventar bzw. offenbar gröber 11 1/2 Ellen nach Letzner "in die Runde"), z. T. auf den Durchmesser (6 Fuß 7 Zoll nach Hofmann). Demzufolge ist eine genauere Angabe als 2,1 m 10 cm für den Durchmesser nicht sinnvoll. Die Umrechnung der einzelnen Angaben führt unter der keineswegs gesicherten Annahme 1 Elle = 2 Fuß = 24 Zoll zu Durchmessern zwischen 6,3 Fuß und 7,3 Fuß. Ebenso unsicher ist die Umrechnung der alten Maßeinheiten in metrische. (Reinboth 1994/95). | Abb. 52: Das ehemalige Brunnenbecken in Walkenried. Zeichnung von J. H. Hofmann. (Reinboth 1994/95) |
Nachdem die Klosterschule 1668 aufgegeben wurde, verlor das Prunkstück des Klosters seine Bedeutung. Der Erbauer des Walkenrieder Jagdschlosses Herzog August Wilhelm fand Interesse an dem Becken. So steht im Walkenrieder Kirchenbuch geschrieben, dass, auf Verlangen des Fürsten, am 17. Januar 1715 das Postement und das Handbecken, welche aus gutem Metall gegossen waren, durch zwei Fuhrleute vom Kloster nach Salzdahlum gefahren wurden. Beim Abbruch des Schlosses in Salzdahlum wurde das Becken 1813 versteigert und für Napoleons Kanonen eingeschmolzen. Darüber, ob es in Salzdahlum je aufgestellt wurde oder wo es in dieser Zeit verblieb, gibt es keinen Hinweis; der Eintrag im Walkenrieder Kirchenbuch ist die letzte Nachricht. So endete das großartigste mittelalterliche Inventarstück des Klosters Walkenried. Es demonstrierte als Metallbecken dessen Besitzstand an den Harzer Erzgruben und Metallhütten. Die Wasserleitung diente auch weiterhin zur Wasserversorgung. An die Stelle des Prunkbeckens stellte man jedoch einen gewöhnlicher Trog, wo das Wasser dann durch eine Röhre in diesen lief. (Reinboth 1994/95)
9.8.4 Der geplante Abbruch des Brunnenhauses 1730 1730 wollte der Bauschreiber Rammelsberg ein neues Amtshaus errichten. Dazu sollte der gesamte Südflügel bis auf den Kreuzgang abgerissen werden. Am 2. Juni 1730 schlug er vor, das baufällige Brunnenhaus abzureißen und die Steine für den Bau des Amtshauses zu nutzen. Zudem käme das Licht von hinten desto besser in das Amtshaus. Dem Bauschreiber Zwibbe verdanken wir, dass es dazu nicht kam. Im April 1738 riet er dazu die Antiquität soll erhalten werden, demnach zu einer baulichen Sicherung des Gebäudes. Die Wasserleitung war zu jener Zeit noch in Benutzung. 1740 besserte man das Dach und den nordöstlichen Strebepfeiler aus. Einige Jahrzehnte später versiegte der Brunnen. Das Gewölbe stürzte ein. Im Mai 1817 nahm man das Dach ab. Die Umfassungsmauern blieben stehen und bekamen 1899 wieder ein Dach. Bei den jüngsten Bauarbeiten erhielt das Brunnenhaus eine hölzerne Decke, und die im Maßwerk ebenfalls 1899 erneuerten Fenster bekamen eine neue Verglasung. (Reinboth 1994/95)
9.8.5 Die mittelalterliche Wasserleitung des Klosters Walkenried Über die mittelalterliche Wasserleitung (siehe Abb. 54) des Klosters Walkenried geben die Beschreibungen Eckstorms und Letzners ausführlich Auskunft. Heute erinnern an die Quelle, den "Verschlossenen Born", nur noch eine Straßenbezeichnung sowie ein Pumpenhäuschen über einem modernen Brunnenschacht. Die Quelle ist versiegt, von der mittelalterlichen Quellfassung hat sich nichts erhalten. (Reinboth 1994/95) Bei Kanalisationsarbeiten, beim Ausheben einer Klärgrube und beim Ausbau von Gebäuden fand man in späteren Jahren Reste von Holzrohren. So entdeckte man auch zwei durch eiserne Bandagen zusammengehaltene Hälften, die in Lehm gebettet waren. Diese beidseitig angeschärften eisernen Ringe, die einen Durchmesser von ca. 110mm besaßen, dienten der Verbindung der einzelnen Holzpipen (siehe Abb. 53). Abb. 53: Holzpipe. (Foto: Prof. Dr. H. Diestel)
Aufgrund aller bei Ausgrabungen getätigten Funde ließ sich die in Abb. 54 angegebene Leitungsführung rekonstruieren. (Reinboth 1994/95) Abb. 54: Rekonstruktionsversuch der historischen Wasserleitungen in Walkenried:a-a mittelalterliche Leitung,b-b Leitung von 1826,c-c Verlegung nach der Bebauung der Harzstraße 1852, 1-5 Fundstellen von Holzröhren (nach W. Bierwisch), 6 Zapfstelle im Haus der Rektors, 7 Brunnenhaus, 8 Zapfstelle in der Klosterküche; 9 Fundstelle von Verbindungsbuchsen (nach K. Waßmann). Skizze s/w: F. Reinboth 1994/95. 9.8.6 Die spätere Wasserleitung der Domäne Walkenried Der frühere Heimatpfleger Waßmann erwähnt einen Fund von Teilen der Eisenringe vor dem Hospital und rekonstruierte unter Zugrundelegung der Funde Nr. 1, 2, 9 (siehe Abb #) eine Leitungsführung über diese Fundstellen durch das obere Tor, über den Steinweg und zum westlichen Klostereingang. Die übrigen Funde ordnet er einer anderen Leitung zu. Diese soll dann vom Mühlgraben her den "Wallgraben" des Klosters mit Wasser versorgt haben. Diese Hypothese Waßmanns zum mittelalterlichen Verlauf der Wasserleitung widerspricht den Beschreibungen Eckstorms und Letzners. Diese widersprüchlichen archäologischen Funde klärten sich mit einer Akte von 1826. In dieser Akte ist vermerkt, dass der damalige Domänenpächter Paulsen eine neue hölzerne Wasserleitung für seine Brennerei anlegte. Diese wurde ebenfalls vom noch nicht versiegten „Verschlossenen Born“ angezapft. Demnach gab es also zwei hölzerne Wasserleitungen mit höchst unterschiedlichem Alter. Waßmann hatte folglich nicht die mittelalterliche, sondern die Wasserleitung des Jahres 1826 rekonstruiert. Diese führte vom Verschlossenen Born unter der Wieda hindurch zum Torbogen und von dort über den Steinweg in die Brennerei. Danach zum Südflügel der Klausur und letztlich in die Küche des damals noch bestehenden alten Amtshauses (Abb. # b). Die einzelnen Röhren waren aus Fichtenholz, 11 Fuß lang und wie schon bei der mittelalterlichen Leitung mit eisernen Büchsen verbunden; die Zapfstellen hatten Hähne aus Messing. Aufgrund der Beschädigung der Leitung durch den Bau der Wiedabrücke 1839 wurden 1840 für die Reparatur 200 dieser Röhren beschafft. Erneute Schäden bewirkte ein Hochwasser der Wieda im Winter 1849/50. 1851 wurde noch ein Nebenstrang zum Schafstall der Domäne verlegt. Um 1960 fand man ein Rohrstück, welches wahrscheinlich zu dieser Leitung gehörte. 1856 heißt es schon über den Verschlossenen Born: Die Quelle "verlor in den letzten Jahren ihre Reichhaltigkeit". Die Idee zur Anlage von Drainagen, um eine Vergrößerung der Wasserausbeute zu erreichen, wurde als zwecklos angesehen und verworfen. Trotzdem erörterte man 1861 noch einmal eine Neuverlegung der Wasserleitung. Allerdings versagte die Quelle 1862 ihren Dienst ganz und wurde aufgegeben. Man errichtete beim Amtshaus einen Brunnen, der bis auf den Kupferschiefer gegraben wurde. Um 1980 entdeckte man im Lichthof einen weiteren, schon verschütteten Brunnenschacht. Hier vermutete man den romanische Klosterbrunnen. Da datierte Funde fehlen, kann das kunstlose Bauwerk aber auch aus neuerer Zeit stammen. Denn zumindest im 18. Jahrhundert war der Klausurbereich noch bewohnt, und der Lichthof diente bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als Garten. Demnach bestand also Bedarf für Wasser. Andererseits gibt es in anderen Klöstern der Zisterzienser durchaus Beispiele für solche Schöpfbrunnen im Lichthof, wo neben dem Brunnenhaus noch ein Grundwasserbrunnen existierte. (Reinboth 1994/95)
9.8.7 Abschließende Betrachtung Die Leitungsführung für die Wasserversorgung des Klosters Walkenried schien wegen einer ebenfalls in Holzrohren geführten neueren Wasserleitung für den Brennereibetrieb der Domäne im 19. Jahrhundert zunächst völlig unklar zu sein. Zeitgenössische Mitteilungen der Walkenrieder Chronisten und Bauakten ermöglichen indessen eine weitgehend sichere Zuordnung des Fundgutes und damit vor allem ein recht präzises Bild einer mittelalterlichen Trinkwasserversorgung, wie es bisher nur für größere städtische Anlagen dokumentiert worden ist. Der Verlauf der Wasserleitung des Klosters – welche bereits durch die Zisterzienser angelegt wurde und eine für die damalige Zeit beträchtliche Leistung darstellte – ist durch die Funde und im Bereich der Klausur durch die Erwähnung der Zapfstellen im Rektorenhaus, Brunnenhaus und Klosterküche fast lückenlos gesichert. Hypothetisch ist der Verlauf der Wasserleitung nur im Bereich der Klosterkirche. Um so auffallender ist es, dass bei den umfangreichen Grabungen im Klausurbereich keinerlei Reste der Holzröhren aufgefunden wurden. Da die Röhren dort nach dem Zeugnis Eckstorms offenbar in gewölbten Kanälen und nicht im schützenden Erdreich verlegt waren, muss in diesem Bereich ihr völliger Verfall angenommen werden. (Reinboth 1994/95) |