Das ehemalige Gasthaus Papenhöhe

nach

Gustav Bierkamp (1982)


Papenhöhe, erbaut im Jahre 1838 von Christian Pape und Ehefrau Henriette, geb. Hendorf, verwitwete Klingspor, unter Mithilfe ihrer Söhne Friedrich und Georg. - Seit 1839 eine Ausspannwirtschaft für Fuhrleute und gern besuchtes Ausflugsziel für Spaziergänger und Schulklassen aus den nahen Dörfern und aus Osterode. Durch Verlegung der Straße von Herzberg nach Osterode im Jahre 1937 war das Haus als Gaststätte praktisch bedeutungslos geworden.

Was sich vorher dort zugetragen hat, darüber ist im Volksmund Glaubwürdiges im Umlauf:

Der einstige Besitzer, Helmuth Linnemann, will von seinen Eltern wissen, dass hier einst eine bewaffnete Einheit Soldaten zur Kontrolle und zum Schutz dieses wichtigen Verkehrsweges am südwestlichen Harzrand stationiert war. Ein anderer mündlicher Hinweis besagt, dass hier, als der Weg nach Osterode entlang dem Sumpfgebiet des Teufelsbades noch nicht bestand oder für schwere Handelsfahrzeuge unpassierbar war, Pferdegespanne gehalten wurden, die diesen Fahrzeugen gegen Entgelt Vorspanndienste leisteten. Sie hätten den Fahrzeugen den nahen steilen Rietstiegsweg hinaufgeholfen, damit sie auf der relativ festeren »Hohen Straße« ohne fremde Hilfe ihre Reise fortsetzen konnten. Denkbar sind beide Meldungen aus der Bevölkerung. Denkbar ist aber auch, dass beide Funktionen zur gleichen Zeit ausgeübt wurden, Hilfeleistung durch Vorspann und bewaffneter Schutz.

Ich folgere daraus, dass zu einem solchen Unternehmen drei Voraussetzungen notwendig waren:

  1. vorhandener Wohnraum für die dort stationierten Menschen,
  2. Stallraum für Zugtiere und andere Großtierhaltung,
  3. landwirtschaftliche Nutzflächen, die der Größe der zu versorgenden Menschen und Tiere entsprach.
Hinweise, dass diese Grundvoraussetzungen gegeben waren, liefert der noch gut erhaltene Unterbau des Hauses auf der Papenhöhe. Das Hauptgebäude steht auf meterstarken Bruchsteinmauern als Fundament und ist voll unterkellert.

Querschnitt des Gewölbekellers
Die von der der Straße zugewandte Seite des Kellers
 
An allen Außenseiten des Kellers sind schießschartenartige Öffnungen angebracht, mit denen der Osteroder Stadtmauer vergleichbar, oder mit denen im Ostflügel des Kellers vom ehemaligen Herrenhaus in Düna. Nur die Nordost-, also der Straße zugewandte Seite des großen Kellerraumes trägt eine massive gewölbte Decke. Die Längsseite dieses Raumes besitzt drei solcher Nischen, alle sind an der engsten Stelle, also von außen zugemauert. Die ganze Front wurde bis in Straßenhöhe mit Erde angefüllt. Das geschah sicher beim Wiederaufbau im Jahre 1838, um nun ebenerdig das Erdgeschoss betreten zu können, was früher sicher nur über eine Treppe oder einen Steg möglich gewesen sein dürfte. In diesem Kellerraum hat man jetzt nur noch zwei Öffnungen nach außen, und zwar an den Kopfenden. Diese hatten nach 1838 wohl nur noch als Lichtschächte Bedeutung. Eigenartig und rätselhaft muten die nach innen eingebauten Stufen in den Nischen an. Bedenkt man aber, dass dieser Teil des Gebäudes weit früher gebaut wurde als das jetzt stehende Haus, kann man sich vorstellen, dass sie aus Sicherheitsgründen der Verteidigung dienten. Die unterste Stufe ist außergewöhnlich hoch angelegt, ca. 50 cm von der Kellersohle. Sie war also nicht für den täglichen Gebrauch als Treppe bestimmt. Die zweite, auch hoch angeordnet, fällt stark nach innen ab, so dass ein Betreten völlig auszuschließen ist. Die dritte und obere Stufe ist kleiner als die darunterliegende, sie fällt auch nach innen ab und ist kaum als Stufe anzusehen (s. Zeichnung).

Aus dieser Eigenart kann man schließen, dass sie etwas mit dem Wehrcharakter des Kellers zu tun hat oder gar das Hauptmerkmal dafür darstellt. Alle Stufen dienten sicher dazu, einem gedachten Schützen einen festen Halt zu geben, um die Treffsicherheit zu erhöhen. (Im allgemeinen bezeichnet man eine solche Haltung eines Schützen als »kniend aufgelegt«.) Ein solcher Eindruck drängt sich dem Besucher auf, wenn er diesbezügliche Überlegungen anstellt.

Der vergleichbare Keller vom einstigen Herrenhaus in Düna und der vom Haus auf der Papenhöhe sind nicht in die Erde versenkt gewesen. Außengelände und Kellersohle lagen ursprünglich in gleicher Höhe, wahrscheinlich, um nicht vom Grundwasser gestört zu werden. Man kommt hier nicht von der Auffassung los, dass diese Kellerräume einst in Notzeiten die letzten Zufluchtsorte der Bewohner sein sollten und deshalb in einen verteidigungsfähigen Zustand versetzt wurden. Man kann wohl annehmen, dass beide Anlagen, die in Düna und die auf der Papenhöhe, einer zeitlich gleichen Bauperiode zuzurechnen sind. Eine eventuelle Zerstörung der alten, auf diesem Gemäuer stehenden Gebäude, ist in keiner Urkunde belegt; wir wissen aber, dass der »Thüringische Bauernaufstand« im 16. und der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert auch den Südwestharz in Mitleidenschaft zog. Soweit es Düna betrifft, ist es offensichtlich, dass hier der Wiederaufbau »wegen Dringlichkeit« als herrschaftliches Vorwerk vorangetrieben wurde. Für die Ruine an der Straße nach Osterode interessierte sich erst der Ziegelmeister Heinrich Christian Pape im Jahre 1838.
Es gibt weitere Merkmale, die für die These »Wiederaufbau auf altem Gemäuer« sprechen. So war der gewölbte Teil des Kellers weitgehend erhalten, dieser nimmt allein die Hälfte des gesamten Gebäudes ein. Auch die alles umfassende Außenmauer ist wegen ihrer Stärke von einem Meter Durchmesser scheinbar gut erhalten gewesen. Nur eine feste Decke über diesen Teil des Kellers gab es 1838 nicht mehr, eine feuerfeste massive Decke hat es wohl auch vorher nicht gegeben, sonst wären noch Spuren des Abbruchs zu sehen.
Heinrich Christian Pape versah dann mit seinen beiden Söhnen die Hälfte des Kellers mit einer Decke aus Eichenholz, Lehmschlag und Gipsestrich. Die Außenmauer dieses Kellerteils trägt die gleichen Merkmale der Verteidigungsmöglichkeiten wie der gewölbte Keller. Die Nischen sind aber bis in die jüngste Zeit teilweise oder ganz zugemauert. Im Falle des Ausbruchs von Feuer in diesem Haus, war dieser Teil des Gebäudes nicht gerade der sicherste Platz. Ich glaube deshalb annehmen zu können, dass in diesen mehrfach unterteilten Räumen Vieh gehalten worden ist. Die einzelnen Räume haben Ausmaße, die die Aufstellung von Pferden und Rindvieh zuließen. Auch wenn die Papes diese Unterteilung vorgenommen haben sollten, oder auch ihre Nachfolger, so ändert sich an dieser Möglichkeit nichts. In alter Zeit war es die Regel, dass Menschen und Haustiere unter einem Dach wohnten, nicht zuletzt auch wegen der Sicherheit; denn das Vieh war das wertvollste Kapital der Bauern.

An dieser Stelle des Kellers befindet sich auch die einzige Tür in der Außenmauer, ebenerdig, ein guter Zugang auch für Tiere. Bei diesen letzten Erwägungen denke ich gar nicht so sehr an die Papes und ihre Nachfolger, sondern an die Leute, die hier mit Pferden Vorspanndienste für Post- und Handelsfahrzeuge geleistet haben sollen. Weitere Wirtschaftsgebäude und Räume außerhalb des Wohnhauses wurden zum Teil erst am Anfang dieses Jahrhunderts hinzugebaut.
Im Jahre 1838 kam das Vorhaben zum Tragen, das Wohnhaus erhielt die Grundmaße, wie sie von den schon vorhandenen alten Mauern vorgezeichnet waren. Die Aufteilung der Räume geschah nach Gesichtspunkten einer damals modernen Gaststätte. Ein breiter Flur, linker Hand die große Gaststube für den alltäglichen Verkehr, dahinter die geräumige Küche, rechts der Eingang zu einem Clubzimmer für erlesene Gäste. Eine breite Treppe führt zu den oberen Räumen, von denen der große Saal bemerkenswert ist. Man brauchte also nur noch ein Schild über der Haustür anzubringen, welches zum gastlichen Verweilen einlud und alles wäre gelaufen.

König Ernst-August von Hannover besuchte Herzberg und Osterode
Im Gegensatz zu einem bekannten Sprichwort hatte hierbei aber der Wirt die Rechnung ohne die Behörden gemacht. Man verweigerte Christian Pape die Konzession zum Ausschank alkoholischer Getränke, mit dem Einwand, dass ein Bedarf nicht vorliege. Der alte Pape sann nach einem Ausweg, er bot sich bald. Dass er doch zu dieser Erlaubnis kam, darüber berichtete uns ein Osteroder Bürger jener Zeit, der Fotograph und Buchbindermeister Adolf Nitsch.
Man schrieb das Jahr 1839. Es hatte sich herumgesprochen, dass König Ernst-August von Hannover durch die Lande zog, um sich seinem Volk zu zeigen und es selbst kennenzulernen. Den Ortschaften wurden »von Amts wegen« Auflagen gemacht, dem Landesherrn einen würdigen Empfang zu bereiten. Da der König nicht alle Dörfer besuchen konnte, sollten sich mehrere zusammentun, um gemeinsam eine Ehrenpforte zu bauen.
Darauf fußte der Plan des alten Pape; er baute mit Hilfe seiner Söhne und Angestellten, sicher ohne Genehmigung des Amtes, vor das neue Haus eine Ehrenpforte, wie sie schöner nicht sein konnte. Hier sollte der König laut Protokoll ja vorbeikommen. Vater Pape ließ sich eine Bittschrift anfertigen, die sich auf die bisher abgelehnte Konzession bezog und harrte hoffnungsvoll der kommenden Dinge. - Der König sollte aus Herzberg kommen und wollte Osterode besuchen. Adolf Nitsch hat diese Reise anlässlich eines Besuches seiner Großmutter in Herzberg als zwölf jähriger Junge, neben anderen, als Anhängsel mitgemacht.
Durch Adolf Nitsch erfahren wir nicht nur einiges über Heinrich Christian Pape und König Ernst-August, sondern auch darüber, was er alles auf der Reise von Herzberg nach Osterode erlebte. Über die Sieber gab es z.B. noch keine Brücke, auch nicht über die Steinau bei Aschenhütte. Es führte nur ein Fußgänger-Steg über das Wasser. Es gab schon das alte Forsthaus Lüderholz, aber das Waldhotel Aschenhütte existierte noch nicht, auch die neue Kalkmühle existierte noch nicht. Er erwähnte aber einen Tannenwald und einen großen Ameisenhaufen. Das waren wohl Dinge, die der Junge Adolf Nitsch noch nie gesehen hatte. Die Ziegelhütte bei Düna erwähnte er, da man dort einen Becher Milch oder eine Sette Dickmilch erhalten konnte, aber keinen Branntwein. Kurz vor der Abzweigung nach Düna ging der Zug rechts hinauf zum neuen Haus der Papes und zur Ehrenpforte für den König.
Christian Pape war mit seiner Belegschaft schon angetreten, als der königliche Zug den Berg hinauf kam. Zur Sicherung gab es wahrscheinlich eine bewaffnete Vorhut, und wie konnte es anders sein, beritten wie der König selbst, hinter sich einen Kometenschweif von Neugierigen. Dieser bestand wohl hauptsächlich aus Kindern; denn die hatten mit Sicherheit schulfrei.
Unter ihnen befand sich auch der schon genannte Knabe Adolf Nitsch. Als er niederschrieb, was er als Kind erlebte, waren schon einige Jahrzehnte vergangen. Da gab es schon Brücken über die Flüsse, auch die neue Gaststätte und die neue Kalkmühle bei der Aschenhütte waren schon vorhanden. Die Eisenbahn und die Unterführung bei der Ziegelei erwähnte er nicht; danach hat es diese seinerzeit noch nicht gegeben.

Die Gaststätte »Papenhöhe« wird aus der Taufe gehoben
Christian Pape übergab dem König seine Bittschrift, die er sich von einem Schreibkundigen hatte anfertigen lassen. Schreiben können war zu der Zeit gar nicht so selbstverständlich, vor allem wohl nicht in der Qualität, wie es der Schriftverkehr mit einem König verlangte. Danach wurde das Amt angewiesen, die Konzession einer vollwertigen Gaststätte für das Haus auf der Höhe zu erstellen. Christian Pape war stolz, sein Ziel erreicht zu haben. Er gab dem Haus seinen künftigen Namen »Papenhöhe«.
Für den künftigen Besitzer der Gaststätte Papenhöhe, dem ältesten Sohn Karl Heinrich Friedrich, stand nichts mehr im Wege, eine Frau ins neue Heim zu bringen. Dies dauerte aber noch mehr als ein Jahrzehnt. Am 3. Januar 1850 heiratete er, inzwischen 42 Jahre alt geworden, die 31jährige Eleonore Rudolphine Schachtrupp, wohnhaft in Osterode, geboren in Mackensen, Kreis Einbeck. Eltern der Braut waren Karl Wilhelm Schachtrupp, derzeit Registerschreiber in Mackensen. Die Mutter, Sophie Caroline, geb. Barteis, war zur Zeit der Hochzeit ihrer Tochter bereits verstorben. Die kirchliche Trauung des Paares wurde von Pastor Hasenbalg in Elbingerode im Saal der Gaststätte vorgenommen. Für diese Haustrauung erteilte Superintendent Harmsen in Osterode die Erlaubnis.
Am 9. Juli 1850 entspross dieser Ehe eine Tochter, Henriette Caroline Wilhelmine Auguste. Das Kind wurde am 25. August 1850 in der Kirche zu Hörden getauft. Taufzeugen waren Frl. Henriette Caroline Pape (Vaters Schwester), Oberfaktor Friedrich Wilhelm Schachtrupp, Osterode, »Particulier« Karl August Friedrich Schachtrupp, Osterode. Das zweite Kind dieser Ehe war Anna Charlotte Henriette Georgine, geb. am 15. November 1853 auf der Papenhöhe. Taufzeugen waren Heinrich Christoph Klingspor, Sattlermeister in Osterode (Vaters Vetter), Georg Christian Pape von der Ziegelhütte (Vaters Bruder) und Henriette Pape, verehelichte Oppermann in Hörden. Georgine verstarb unverheiratet im Alter von 30 Jahren am 5. Juni 1883. Sie hinterließ einen Sohn Carl Friedrich Wilhelm. Paten waren Steiger Heinrich Wagner aus Zellerfeld, Gastwirt Adolf Apel, auf der Papenhöhe.
Die älteste Tochter, Henriette Caroline Wilhelmine Auguste, heiratete am 29. Dezember 1868, 18 Jahre alt, den Gastwirt Adolf Apel aus Clausthal. Dieser starb früh und seine Witwe heiratete am 30. Januar 1896, 46 Jahre alt, den Verwalter der Ziegelei, Robert von Werder. Er stammte aus Höckelheim bei Northeim. Durch diese Ehe wurde von Werder Mitinhaber der Gaststätte Papenhöhe. Im Jahre 1907 verkaufte das Ehepaar von Werder die Gaststätte und das dazugehörige Land an Karl Linnemann. Dieser stammte aus Bevern, Kreis Holzminden. Frau Frieda Linnemann, geb. Hüter, kam aus Kalefeld. Im Jahre 1947 verunglückte Karl Linnemann tödlich. Durch die neue Straßenführung, die um 1937 über das Sumpfgebiet des Hottenteiches angelegt wurde, verloren die Linnemanns den größten Teil der Gäste aus dem Durchgangsverkehr. Als im April 1945 die Bahnbrücke gesprengt wurde, kam der Gästeverkehr ganz zum Erliegen. Linnemanns waren nun gezwungen, die Gaststätte zu schließen. Der Sohn, Helmuth Linnemann, richtete in den Räumen ein privates Blindenkurheim ein.

GPS-Koordinaten
N 51.6938° E 10.2936°


Das Haus Papenhöhe im Mai 2007

Wer sich ein Bild machen möchte über alte und neue Wegeführungen im Raum Ziegelhütte, Papenhöhe, Rehhagen, der möge sich an einer Handzeichnung orientieren. Der Bau der Eisenbahn vor etwa hundert Jahren war der erste Eingriff in die Landschaft dieses Raumes. Die gestrichelten Linien deuten die alten Straßen oder Waldwege an, teils verdeckt durch die neue Straßenführung, die an der »Traueresche« von der schon vorhandenen abbog. Hier ist der Rest des alten Hohlweges ins kleine Steinautal noch zu erkennen.

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